Ade, Trollinger?
Wein Er gehört zu Württemberg wie Spätzle und Zwiebelrostbraten. Doch nun wenden sich viele Winzer von dem Rotwein ab
Bei der heimischen Rebsorte kommt so mancher Schwabe ins Schwärmen. „Der Trollinger ist unser Nationalgetränk“, sagt Martha Knobloch, die 1950 erste Württemberger Weinkönigin war. Der süffig-leichte Zechwein ist ein Phänomen: Nirgendwo sonst in Deutschland wird ein Anbaugebiet so sehr geprägt von einer rein regionalen Rebsorte. Doch das Interesse sinkt: Immer mehr Winzer setzen auf andere Trauben. „Man kann mehr rausholen aus seinem Weinberg mit anderen Rebsorten“, sagt der Stuttgarter Winzer Hans-Peter Wöhrwag. Doch das ist nur ein Grund.
Wöhrwag hat den Trollinger-Anteil auf seinem 22 Hektar großen Betrieb deutlich reduziert: Als er 1990 von seinen Eltern übernahm, waren es sechs Hektar, heute sind es 0,8. Die Riesling-Fläche hingegen baute er aus. Ein Grund: der deutschlandweite Trend zu edlerem Wein. „Die Leute trinken weniger, dafür aber besseren Wein – der Trollinger gehört nun mal zu den einfachen Weinen“, sagt der 55-Jährige. „Mit einfach meine ich nicht schlecht – zu Linsen und Spätzle passt er hervorragend.“
Der Trollinger war lange so etwas wie der Kassenschlager im schwäbischen Weinbau. Die Trauben haben einen enormen Ertrag, im Vergleich zu anderen Sorten können sie das Doppelte an Menge bringen. Die Kehrseite: Bei der Ernte fällt zwar viel Fruchtfleisch an, aber der Schalenanteil ist relativ gering – dort sitzen allerdings die für den Geschmack so wichtigen Gerbstoffe sowie die Farbstoffe. Der kleine Schalenanteil führt zur leichten, süffigen Art des Trollingers, der mit seinem hellen Rot mitunter fast wie ein Rosé wirkt und mit circa zehn Prozent relativ wenig Alkohol hat.
Dieter Blankenhorn ist Chef der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Obst- und Weinbau. Er erklärt das abnehmende Interesse am Trollinger mit einem gesellschaftlichen Wandel: „Früher hat man auch tagsüber bei schwerer körperlicher Arbeit Wein getrunken, das war ein Lebensmittel.“Zudem habe der Rotwein-Boom seinen Höhepunkt überschritten – das setze auch den Trollinger unter Druck. Der Trollinger werde auch künftig eine prägende Rolle spielen für das Weinbaugebiet, meint Blankenhorn. „Das ist unsere Tradition und unser Profil.“Der Weinhändler Bernd Kreis, der 1992 als bester Sommelier Europas ausgezeichnet worden war, ist anderer Meinung – der Stuttgarter ist ein Kritiker des TrollingerAnbaus. Schon vor zwanzig Jahren trat er im Stuttgarter Landtag bei einer Weinbranchen-Anhörung auf. Seine Botschaft damals: Raus mit dem Trollinger, der Zechwein mache das Image der Weinregion kaputt. Der Aufschrei war groß. „Ich wurde sogar als „Trollinger-Mörder“bezeichnet“, erinnert sich Kreis. Als Rebsorte sei der Trollinger zwar sehr interessant, aber im Anbau und in der Pflege enorm anspruchsvoll. „Der Trollinger will gehegt werden und den schönsten Platz haben auf dem Weinberg.“Tatsächlich steht das Gewächs in sonnigen Steillagen. Um Mehrkosten für die aufwendige Bewirtschaftung auszugleichen, setzten viele Weingärtner auf Masse – sie holten so viel Ertrag wie möglich raus, so Experte Kreis. Das gehe zulasten der Qualität, etwa wenn aufgeplatzte Beeren mitgeerntet und nicht aussortiert werden. „Aus vielen unserer besten Lagen wird schlechter Wein gekeltert“, kritisiert er.
Es gebe aber auch vorzügliche Trollinger, sagt Sommelier Kreis. Bei richtigem Ausbau könne der Wein zum Image des Anbaugebiets beitragen. Immer mehr heimische Winzer investierten in Weinberge mit Trollinger, um aus den Trauben hervorragenden Wein zu machen. Doch richtig begeistert ist Kreis nicht: „Täten sie das mit anderen, komplexeren Rebsorten wie Lemberger und Spätburgunder, hätten sie mehr Freude daran.“
Der Sommelier Bernd Kreis galt als „Trollinger Mörder“