„Ist schon eingeschenkt“war einmal
Das beliebte Weinnest ist jetzt endgültig geschlossen. Warum es dennoch Hoffnung gibt
Friedberg „Weinnest geschlossen“steht an der Eingangstüre des ehemals so beliebten Abendlokals in der Bauernbräustraße. Nach dem Ende des vom Angebot her vergleichbaren Kultlokals „Alte Laterne“in der Ludwigstraße im Jahr 2007 war die kleine Kneipe ab diesem Zeitpunkt ziemlich alleinige Option von Gästen, die den Abend im Rahmen von Stammtischen, „Nach-Sitzungen“oder Geburtstagsfeiern verbringen wollten. Dass derzeit in Friedberg ein solches Lokal fehlt, ist eine weitverbreitete Meinung.
Drei Jahrzehnte hat das Ehepaar Vratislav und Marta Brhlik das Weinnest seit dem Jahr 1986 geführt und ihr selbst gewählter Ruhestand im Juni letzten Jahres hat viele Stammgäste traurig gestimmt. So wie man es auch beim legendären Laternenwirt Dieter Schellemann kannte, identifizierte man das Lokal auch hier mit dem Betreiber. Im Zwei-Mann-Betrieb „schmissen“sie das Weinlokal, Marta in der Küche und der Wirt hinter der Theke und an den Tischen der Gäste. „Ist schon eingeschenkt“war sein Spruch, wenn man ein Weizen oder einen Schoppen Wein (Brhlik humorvoll radebrechend: „Schoppanski“) bestellte.
Der gebürtige Pilsener aus Tschechien hatte ein familiäres Verhältnis zu vielen Gästen, die „zum Vrati“gingen. Freundlich, humorvoll und seriös wird er beschrieben. Und auch verschwiegen, was bei einem „Nachtlokal“nicht unwichtig ist. Denn Storys könnte er viele erzählen, was sich so ereignet hat in drei Jahrzehnten. Wenn beispielsweise die Ratsherren nach der Sitzung noch heiß diskutierend vorbeischauten und manchen sachlichen und persönlichen Streit fortsetzten oder begruben. Oder wenn er an der Theke sich die Sorgen seiner Gäste anhörte und trösten musste.
Charakteristisch war für den „Vrati“auch, dass er sich unendlich ausdauernd und geduldig zeigte und auch bei wenig „Betrieb“niemanden durch Worte oder schlüssige Handlungen heimschicken wollte. Bei der Stadtverwaltung erinnert man sich, dass vor 20 Jahren bei der „Möllenhoff-Reform“eine wichtige Organisations-Konferenz um die berufliche Zukunft der Amtsleiter nach Mitternacht noch im Weinnest endete. Und Vrati ließ in dieser Nacht die einen ihren Frust bewältigen und die anderen ihren Erfolg verinnerlichen – bis der Morgen graute.
Dass die Wirtsleute in all den 30 Jahren praktisch die gleiche Spei- auflegten, fanden die einen gut und die anderen weniger. Einig war man sich aber, dass die Küche nicht nur exzellent war, sondern man immer bis ultimo bestellen konnte. Die vielen Stammtischgruppen schätzten auch die Verlässlichkeit. So die Damen einer Gymnastikgruppe, die sicher sein konnten, dass sie trotz ihres relativ überschaubaren Umsatzes jede Woche nach dem Turnen den reservierten Platz erhielten.
Der Übergang auf einen neuen Pächter erwies sich holprig. Was zunächst als Provisorium begann, kam nicht mehr auf die Füße, sodass der Neupächter Uwe Flach aufgab und zusperrte.
Wie geht’s weiter? Die Gerüchte, dass das Gebäude von demselben Investor gekauft wurde, dem auch das Nachbarhaus schon gehört, und dieser einen zusammenhängenden „Wohnblock“errichtet, seien falsch, sagt die Eigentümerin Christl Fischer. Derzeit gebe es noch interne juristische Auseinandersetzunsenkarte gen über Ablösungen von Inventar und Einrichtungen zwischen den Beteiligten.
Ein Verkauf oder Vermietung sei gleichwohl beabsichtigt, ein ernsthafter Interessent für das Gebäude liegt vor. Wie verlautet ist eine Wiedereröffnung des Lokals durch den avisierten neuen Eigentümer nicht ausgeschlossen, sofern baurechtlich nicht unerfüllbare Aufwendungen entgegenstehen. Das soll sich voraussichtlich schon in den nächsten Wochen entscheiden.