Essen aus Luthers Zeiten modern interpretiert
Mit „Delikat.essen 3.0“bietet die evangelische Gemeinde einen Abend zum Genießen. Wie er außerdem zum ökumenischen Erlebnis wird
Friedberg Dass sich ein Zahnarzt für eine Füllung interessiert, könnte berufsbedingt sein. Es kann aber auch andere Gründe haben – etwa, wenn Ulrich Schnauder beim Wohltätigkeitsdinner „Delikat.essen 3.0“derart begeistert vom Quittengelee im Grießpudding ist, dass er unbedingt wissen muss, wie das Geschmackserlebnis zustande gekommen ist. Das Dessert ist das Finale eines Genießerabends, der zum dritten Mal in der evangelisch-lutherischen Gemeinde stattfand.
„Wir sind sechs Hobbyköche und zaubern gemeinsam ab und zu für unsere Frauen ein tolles Menü“, erklärt Jürgen Bolz, einer der Köche und Moderator des Abends. „Mit dem geplanten Bau des Gemeindesaals entstand die Idee, für einen größeren Kreis zu kochen und den Erlös für die Finanzierung des Baus zu spenden.“Das war 2014. Jetzt, im Lutherjahr, steht der Genießerabend unter dem Motto „Wittelsbach grüßt Wittenberg“. Jürgen Bolz, Jörg Eickenbusch, Peter Hrabowsky, Eberhardt Krauße, Bernhard Oehmichen und Andreas Weindl entwickelten dazu ein Sechs-Gänge-Menü, das die Küche aus der Zeit Luthers modern interpretiert. Für viele der 50 Gäste überraschend ist die Tatsache, dass damals nicht nur schweres, fettes Essen auf den Tisch kam, sondern auch viele Gerichte mit bekannten oder in Vergessenheit geratenen Zutaten, die heute für kulinarische Genüsse stehen. Die gebeizte Lachsforelle auf Rauke ist ein Erlebnis – für den Gaumen wie fürs Auge. Auch der nächste Gang sorgt für Staunen, denn Galgant als Heilpflanze, die der Selleriesuppe die richtige Würze verleiht, kennt heute kaum noch jemand. Dem Duett von Teigtaschen mit Pilz und Kürbis folgt ein Trio vom Wildschwein mit Spinatknödel und Gewürzbirne. Den vierten Gang, ein Allgäuer Käseteller, teilen sich die Gäste, bevor sie zum Abschluss besagtes Quittengelee im Grießpudding kredenzt bekommen.
Neben den Köchen agiert ein starkes Team: So engagieren sich Ehefrauen und Töchter im Hintergrund. Und der Service ist hervorragend. Dafür ist die evangelische Jugend unter der Leitung von Anna Krauße verantwortlich.
Rosemarie Faller bringt es am Ende für viele auf den Punkt: „Was war das wieder mal für ein zauberhafter Abend!“Durchweg alle Gäste loben auch das Kulturprogramm, das die Gänge umrahmt. Da gibt es zur Begrüßung Blasmusik von den Lechrainmusikanten und später einen „Appetizer“, wie Jürgen Bolz bemerkt, für das Luther Pop-Oratorium, das die evangelische Gemeinde am 29. Oktober in der katholischen Stadtpfarrkirche St. Jakob aufführt. Eine kleine Gruppe an Solisten und Chorsängern sorgt mit diesem musikalischen Appetithappen für so manchen Ohrwurm.
Diese Einlage unterstreicht einen Aspekt, der bezeichnend für den ganzen Abend ist – hier wird Ökumene gelebt. In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Programmpunkt das Highlight für die (konfessionell bunt gemischten) Gäste: Die Luther-Tischreden, die der katholische Stadtpfarrer Steffen Brühl vorträgt und damit einen besonderen Beitrag zum Gelingen des evangelischen Galadinners und der ökumenischen Gemeinschaft leistet. Diese Reden zwischen den Gängen und die Geste setzen ein Zeichen, das gut ankommt. So lobt ein Gast, dass die Ökumene hier sehr weit fortgeschritten und es um den Religionsfrieden sehr gut bestellt sei. „Ich finde es toll, dass Sie so einen, die Religionen verbindenden Event veranstaltet haben.“
Das Team freut sich über den Anklang, den das Wohltätigkeitsdinner fand, und über den finanziellen Erfolg: 2500 Euro kommen der Gemeinde zugute. Die Summe soll für Kindergarten, Jugendarbeit und Finanzierung des Gemeindesaalneubaus geteilt werden.