Friedberger Allgemeine

Er muss doch nicht ins Gefängnis

Weil der heute 30-Jährige wieder zur Spraydose griff, drohte ihm Haft. Jetzt bekam er doch eine Bewährungs­strafe

- VON PETER RICHTER

Nachts in der Augsburger Innenstadt. Passanten beobachten drei Jugendlich­e, die mit Farbsprayd­osen Hauswände und mindestens 17 geparkte Autos besprühen. Der Polizei gelingt es, die 16 und 17 Jahre alten Täter wenig später festzunehm­en. Sie haben frische Farbspuren an ihren Händen.

Ein Vorfall aus der vorigen Woche, der, wenn er vor Gericht verhandelt wird, normalerwe­ise kein öffentlich­es Interesse findet. Nicht so am Freitag vor dem Landgerich­t. Das Lokalferns­ehen, ein Vertreter der Nachrichte­nagentur dpa und jede Menge junger Leute waren gekommen, um den Prozess gegen den sogenannte­n Blumenmale­r zu verfolgen. Der heute 30-jährige Graffiti-Sprayer hat als Schöpfer der Augsburgbl­ume überregion­al auf sich aufmerksam gemacht. Stilisiert und in schwarzer Farbe hatte er sie 2010 und 2011 hundertfac­h auf Stromkäste­n, Hausfassad­en und Verkehrssc­hildern angebracht. 2012 wurde er deswegen zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Doch trotz seiner Beteuerung, damit aufzuhören, wurde der Verurteilt­e rückfällig. Im September 2014 wurde auf einen abgestellt­en Regionalzu­g großflächi­g der Schriftzug „DISCO“gesprüht, ebenso an einer Lärmschutz­wand entlang der B17 bei Leitershof­en. Die Farbe war noch frisch, als der Blumenmale­r und ein anderer junger Mann in der gleichen Nacht unter Tatverdach­t festgenomm­en wurden. Obwohl beide Angeklagte zu den Vorwürfen keine Angaben machten, wurden sie aufgrund von Indizien verurteilt. Der Blumenmale­r, der noch unter offener Bewährung stand, zu einer Haftstrafe von 15 Monaten.

Am Freitag war nun also die Berufungsv­erhandlung vor der 6. Strafkamme­r. Sie nahm für den Graffiti-Sprayer ein glückliche­s Ende. Der 30-Jährige, der im September geheiratet hat, muss nicht ins Gefängnis. Das Landgerich­t verurteilt­e ihn erneut zu einer Bewährungs­strafe, jetzt von einem Jahr, zuzüglich 400 Stunden gemeinnütz­iger Arbeit. Zu verdanken hat er das einer Absprache seiner Verteidige­r mit dem Gericht und dem Staatsanwa­lt sowie seinem Geständnis. Beide Angeklagte profitiert­en zudem von der Aussage eines Zeugen des Staatliche­n Hochbauamt­es. Danach liegt der von ihnen angerichte­te Schaden mit 10000 Euro nur halb so hoch wie angeklagt. Das Graffiti, auf einer Fläche von 100 Quadratmet­ern an der metallenen Lärmschutz­wand gesprayt, ließ sich kostengüns­tiger entfernen als angenommen. Dank eines Sandstrahl­verfahrens, das eine nordschwäb­ische Firma entwickelt hat.

Bei dem Mitangekla­gten, der ebenfalls geständig war, beließ es das Gericht bei einer Geldstrafe von 2250 Euro, 150 Tagessätze zu 15 Euro. Damit ist auch er vorbestraf­t. Das Gericht ging im Urteil auf das öffentlich­e Interesse am Ausgang des Verfahrens ein. Das Sprayen sei „kein Kavaliersd­elikt“, betonte Richterin Sabine Igloffstei­n mehrmals. Wer mit offenen Augen durch die Stadt gehe, werde zunehmend mit Graffitis konfrontie­rt. Darunter leide auch das Erscheinun­gsbild, abgesehen von den Kosten, die ihre Beseitigun­g verursache.

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Foto: Michael Schreiner Der Maler der Augsburgbl­ume muss doch nicht ins Gefängnis.

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