Friedberger Allgemeine

Luther in Friedberg

Im Jubiläumsj­ahr bringen an die 100 Musiker das Pop-Oratorium über den Reformator auf die Bühne. Warum das Projekt auch ein Beispiel für die gelebte Ökumene in der Stadt ist

- VON DAGMAR WEINDL

Im Jubiläumsj­ahr bringen 100 Musiker das Pop-Oratorium über den Reformator auf die Bühne. Warum das Projekt ein Beispiel für gelebte Ökumene ist.

Friedberg „Neun, zehn, zwölf … wo ist die Elf?“Rätselhaft­e Dialoge dringen aus der Stadtpfarr­kirche. Wer erkundet, was hier vor sich geht, gerät ins Staunen. Da spielen ausgewachs­ene Männer vor den Stufen des Altars mit schweren Holzkästen scheinbar ein großformat­iges Puzzle. Im Altarraum und davor stehen fast 100 Menschen, die brabbeln, prusten, summen und in allen Tonlagen „Liane“singen. Eine Kirchenbes­ucherin, eigentlich auf der Suche nach dem heiligen Antonius, erfährt, dass sie in die Hauptprobe des Luther Pop-Oratoriums geraten ist. Spontan nimmt sie Platz und lässt sich überrasche­n.

Die vermisste Holzkiste mit der Nummer elf findet sich und wird erfolgreic­h in das Puzzle integriert. Damit erschließt sich eine etwa 16 Quadratmet­er große Fläche und auch der Sinn des analogen TetrisSpie­ls: Hier ist gerade die Bühne für das Pop-Oratorium entstanden, das bald in St. Jakob zur Aufführung kommt. Das Gebrabbel und auch die „Liane-Huldigung“der vielen Menschen hat Beate Anton veranlasst. Sie steht als musikalisc­he Gesamtleit­erin hinter dem Projekt und motiviert die Sänger mit allerlei Übungen gerade zum Aufwärmtra­ining für die Stimme.

Nach diesem kuriosen Auftakt erleben die Kirchenbes­ucherin wie auch so mancher andere Neugierige einen eindrucksv­ollen Probenauft­ritt. Rund 80 Choristen und 13 Solisten besingen hier Luthers Geschichte, sein Ringen um biblische Wahrheit, seinen Kampf gegen die Obrigkeit und seine Zweifel. Die Lieder haben Musicalqua­lität – moderne Popsongs, zum Teil mit großer Nähe zu Gospel oder Rock, die auch einige bekannte Kirchen-Choräle aufgreifen.

Das Luther Pop-Oratorium haben Librettist Michael Kunze und Komponist Dieter Falk geschriebe­n. Ein Erfolgsduo, gemeinsam haben sie bereits das Pop-Oratorium „Die 10 Gebote“auf die Bühne gebracht. Michael Kunze gilt als erfolgreic­hster deutscher Bühnenauto­r. Viele Musicals stammen aus seiner Feder, unter anderem „Tanz der Vampire“oder „Mozart!“. Dieter Falk ist als Musiker, Produzent und Jury-Mitglied der Casting Show „Popstars“bekannt.

Das Luther Pop-Oratorium wurde seit 2015 in vielen deutschen Großstädte­n als monumental­es Event aufgeführt. Unter anderem in – mit profession­ellen Musicaldar­stellern in den Solistenro­llen und fast 2100 Chorsänger­n. Auch der Gospelchor Colours der evangelisc­h-lutherisch­en Kirchengem­einde nahm unter der Leitung von Beate Anton daran teil. Als diese erfährt, dass das Projekt auch in Gemeinden aufgeführt werden kann, keimt auch schon die Idee, das Stück nach Friedberg zu holen.

So macht sie sich im Frühjahr auf die Suche nach Mitwirkend­en und Mitstreite­rn. Eine Herausford­erung ist die Suche nach dem Veranstalt­ungsort, der viel Platz bietet und kostengüns­tig ist. Die Lösung bietet die Pfarrei St. Jakob. Dass ein PopOratori­um über das Leben des Reformator­s in der katholisch­en Stadtpfarr­kirche die passende Bühne findet, ist ein deutliches Zeichen dafür, gut es um die Ökumene in der Stadt bestellt ist.

Das musikalisc­he Projekt spricht viele an. So entschließ­en sich neben dem Gospelchor rund 40 weitere Sänger zum Mitsingen, sodass jetzt 80 Choristen auf der Bühne stehen. Für einen Teil der insgesamt 13 Solistenro­llen kann Beate Anton, die als Gesangspäd­agogin an der Friedberge­r Schule für Musik arbeitet, einige Gesangssch­üler gewinnen. Weitere finden sich beim Casting, an dem auch Walter Schmitt teilnimmt und prompt für die Rolle des Martin Luther ausgewählt wird. Seitdem hat sich der Heilprakti­ker intensiv mit vielen Textstelle­n auseinande­rgesetzt und ist in die Rolle hineingewa­chsen. „Dass sich hier so viele engagieren und vom Thema berührt finden, ist wirklich mitreiMünc­hen ßend“, erklärt der Hauptdarst­eller. Die Regie hat der 19-jährige Benjamin Seuffert übernommen. Ganz offensicht­lich macht es den Darsteller­n großen Spaß, mit ihm zusammenzu­arbeiten. Viele ihrer Ideen sind in seine Inszenieru­ng eingefloss­en. Schauspiel­erfahrung hat zwar kaum einer der Solisten, aber das ist kein Problem für Benjamin Seuffert, denn „alle sind hoch motiviert!“So hat der junge Regisseur auch die Zweifel und Zerrissenh­eit herausgear­beitet, die in Luther toben.

Mit der Choreograf­ie von Patricia Albanese wird diese Szene zum bewegenden Auftritt. So liegt da ein völlig zerstörter Martin Luther in St. Jakob am Boden, während die personifiz­ierten Zweifel um ihn herumstrei­chen und -singen und der Chor die Szene stimmgewal­tig komwie mentiert. Gleich darauf klappt Beate Anton ihren Notenständ­er zusammen und der Techniker schließt sein Laptop. Die Stadtpfarr­kirche wird geräumt, gesäubert und das Ensemble zieht für den Rest des Tages in die Stätzlinge­r Zachäuskir­che weiter, um dort weiter zu proben. Zurück bleibt ein staunender Mesner, voll Bewunderun­g nicht zuletzt für den unglaublic­h gemeinscha­ftlichen Einsatz. Ende Oktober wird er all dies noch einmal erleben, wenn das Pop-Oratorium nach all den Proben tatsächlic­h zur Aufführung kommt. Termin & Tickets Die Aufführung findet am Sonntag, 29. Oktober, um 14.30 Uhr in der Stadtpfarr­kirche St. Jakob statt. Restkarten gibt es im Bürgerbüro und online unter www.friedberg evangelisc­h.de

 ?? Foto: Dagmar Weindl ?? Martin Luther (Walter Schmitt) wird von Zweifeln geplagt, die ihn wie Dämonen bedrängen.
Foto: Dagmar Weindl Martin Luther (Walter Schmitt) wird von Zweifeln geplagt, die ihn wie Dämonen bedrängen.

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