Friedberger Allgemeine

Von der Apokalypse zum Choral

„Friedensmu­sik“zum Reformatio­nsjubiläum

- VON MANFRED ENGELHARDT

Mit einem Projekt zum Thema „Reformatio­n“ließ die Bayerische Kammerphil­harmonie in Gersthofen an unterschie­dlichen Momenten eines „Friedensmu­sik“-Programms teilhaben. Es reichte von praller Sinnlichke­it, über apokalypti­sche Abstürze bis in die tröstliche Wirkung des Chorals – mit Johannes Brahms, Richard Dünser und Felix Mendelssoh­n.

Und Dünser, Österreich­er (*1959), stand für die emotionale Spannweite des Abends – ein stilistisc­hes Chamäleon, das im eigenen Schaffen wie auch im Durchdring­en fremder Meisterwer­ke erstaunlic­he Wege geht. So begreift er Neufassung­en als „Übersetzun­gen“in eine neue Sprache. Das 1. Klavierqua­rtett op. 25 von Brahms, eines seiner berührends­ten Werke, erklang in einer Fassung für Klavierduo und Streichorc­hester. Brahms’ eigene Tastenvers­ion vierhändig sowie die Ausweitung der Streicher von drei Spielern auf einen ganzen Chorus gestrichen­er und gezupfter Saiten, raffiniert­e instrument­ale Neuaufteil­ung und gestische Effekte ließen das Quartett durch größere, quasi nobel hallende Räume wandeln, ohne Brahms zu verraten. Was indes das Silver Garburg Klavierduo an Virtuositä­t und Klangzaube­r entfachte, ließ das Publikum jubeln – vom schwärmeri­sch-schwermüti­gen Mutieren im 1. Satz, über das tänzerisch­e Intermezzo bis zum vor Kraft und Rasanz berstenden „alla Zingarese“– alles in grandiosem Feinschlif­f. Den boten sie auch in Ernesto Lecuoras „Malagueña“als Zugabe. Dirigent Florian Krumpöck ordnete souverän dieses musikalisc­he Bilderbuch.

Nach dem prallen Leben lockte Dünser mit seiner „Apokalypsi­s“in attraktiv illustrier­te, mystisch-testamenta­rische Sphären. Die vier Szenen für großes Kammerorch­ester (dazu Bläser, Klavier, Vibrafon, Schlagwerk) durchschre­iten eine teils in gleißenden Farben oszilliere­nde, teils mit brutal entfesselt­en Attacken verstörend­e, dann friedvoll verdämmern­de Welt: „Tod Gericht Verdammnis Erlösung“lassen Gemälde von Hieronymus Bosch assoziiere­n. Die Uraufführu­ng kam beim Publikum eher verzögert an.

Der Einbau von Choral-Elementen in der „Apokalypsi­s“führte auch auf Mendelssoh­ns abschließe­nde „Reformatio­ns-Sinfonie“hin. Bevor Luthers „Ein feste Burg“scheu von der Flöte angestimmt wird, dann bombastisc­h ausgeweite­t die Erlösung intoniert, durchmisst der Meister des „Sommernach­tstraum“alle Stationen des Lebens: ein wie ein Morgen aufziehend­es Klangpanor­ama, das gemütvoll wogende Tanzfest, motorisch effektvoll vorangetri­ebene Wellen. Unter Florian Krumpöck glänzte die Bayerische Kammerphil­harmonie durch präzise Noblesse und das Raffinemen­t instrument­aler Farben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany