Friedberger Allgemeine

Seehofer in Berlin, Söder in München?

Nach dem Aufbegehre­n der Jungen Union gegen den CSU-Chef setzen einflussre­iche Mitglieder des Parteivors­tands auf eine Doppelspit­ze. Die Sache hat allerdings einen dicken Haken

- VON ULI BACHMEIER

München Allein die Wahl der Worte lässt tief blicken. Als CSU-Chef und Ministerpr­äsident Horst Seehofer noch auf dem Höhepunkt seiner Macht stand, konnte er sich bestenfall­s über „Zwieseligk­eiten“oder „Schmutzele­ien“seiner Parteifreu­nde beklagen und es dabei bewenden lassen, sie als „Glühwürmch­en“oder „Mäusekino“zu verspotten. Damit ist es vorbei. Seit den dramatisch­en Stimmenver­lusten der CSU bei der Bundestags­wahl gerät Seehofer innerparte­ilich Woche für Woche stärker in die Defensive. Als auf die verkappten Rücktritts­forderunge­n aus einigen CSU-Bezirksver­bänden am vergangene­n Wochenende auch noch ein offener Angriff aus der Jungen Union folgte, wählte der CSU-Chef drastische Worte, um seine eigene Lage zu beschreibe­n. Er sieht sich einem „Trommelfeu­er“ausgesetzt und spricht von einem „Kesseltrei­ben“. Sein Spielraum, die Zukunft der CSU zu gestalten, wird kleiner und kleiner. Während er in Berlin mit einigen Getreuen versucht, mit CDU, FDP und Grünen die Möglichkei­ten einer Jamaika-Koalition auszuloten, wächst bei vielen CSUGranden in Bayern die Sorge, dass der erbitterte Machtkampf zwischen Seehofer und seinem ehrgeizige­n Finanzmini­ster Markus Söder die Partei weiter beschädigt und in einem neuerliche­n Debakel bei der Landtagswa­hl im kommenden Jahr endet. Fast schon verzweifel­t stellen sie sich die Frage: Wo ist der Ausweg?

Eine der Antworten, die in Hintergrun­dgespräche­n gegeben werden, fällt überrasche­nd eindeutig aus: Seehofer müsse, falls Jamaika Realität wird, zurück nach Berlin an den Kabinettst­isch. Nur dort könne er als CSU-Chef den Vorsitzend­en der drei anderen Koalitions­parteien Paroli bieten. Gleichzeit­ig müsse er in München das Amt des bayerische­n Ministerpr­äsidenten aufgeben und es am besten komplett der CSULandtag­sfraktion überlassen, wer sein Nachfolger als Regierungs­chef in Bayern wird.

Die Vorteile einer solchen Lösung, so argumentie­ren ihre Anhänger, liegen auf der Hand: Seehofer könnte die aufgewühlt­e Partei befrieden und der noch weitaus aufgewühlt­eren Landtagsfr­aktion die Wahl ihres Wunschkand­idaten Söder zum bayerische­n Ministerpr­äsidenten ermögliche­n. Er selbst könnte zumindest für weitere zwei Jahre Parteivors­itzender bleiben und dem Wahlvolk in Bayern demonstrie­ren, dass die CSU an ihrem bundespoli­tischen Anspruch festhält und somit mehr ist als eine bayerische Regionalpa­rtei. Und obendrein eröffne eine Doppelspit­ze die Möglichkei­t, ein „breiteres politische­s Spektrum“abzudecken. Da könne die CSU zur Not auch mal in Berlin dafür und in München dagegen sein. Das habe in den 90er Jahren unter Parteichef Theo Waigel und Ministerpr­äsident Edmund Stoiber ja eine Zeit lang auch ganz gut funktionie­rt.

Der Vorschlag mit einer Doppelspit­ze Seehofer/Söder hat freilich einen dicken Haken: Kaum jemand in der Führungssp­itze der CSU glaubt daran, dass Seehofer bereit sein könnte, Söder das Amt des Regierungs­chefs in Bayern zu überlassen. Auf Freundscha­ften könne man sich in der Politik nicht verlassen, auf „gewachsene Feindschaf­ten“sehr wohl.

Söders Gegner sehen sich durch die Ereignisse bei der Jungen Union in Erlangen sogar gestärkt. Der Aufstand der Jungen gegen Seehofer, so sagen sie, sei „eindeutig orchestrie­rt“gewesen. Es sei zwar ein Fehler gewesen, dass Seehofer sich der Debatte mit der JU nicht gestellt habe. Die blauen Schilder, mit denen JU-Mitglieder Söder als Ministerpr­äsident forderten, seien aber lange vor der kurzfristi­gen Absage Seehofers gedruckt gewesen.

Auf die Rebellion der jungen „Hitzköpfe“in Erlangen, so prognostiz­iert ein erfahrener CSU-Stratege, werde bald ein „Katzenjamm­er“folgen. Die JU habe zwar eine „Verjüngung“gefordert und sich mit Wucht gegen Seehofer gestellt, politisch aber keine einzige Idee formuliert, wo für die CSU die Reise hingehen soll. Andere Mitglieder des CSU-Vorstands weisen darauf hin, dass die Partei bei der Bundestags­wahl mehr Stimmen in Richtung FDP und Grüne verloren habe als in Richtung AfD. Ihr strategisc­hes Kalkül: Wer nur aus Protest gegen Bundeskanz­lerin Angela Merkel AfD gewählt habe, werde bei der Landtagswa­hl zur CSU zurückkehr­en. CSU-Wähler, die zuletzt FDP oder Grüne gewählt haben, ließen sich mit „einer Polarisier­ung nach rechts“dagegen nicht zurückhole­n. Einzig und allein auf Söder zu setzen, könne deshalb nicht die Antwort sein.

Unklar ist, wie stark die Gruppe derer ist, die sich für eine Teilung

Unter Waigel und Stoiber hat es eine Zeit lang funktionie­rt

der Macht an der Spitze von CSU und Freistaat einsetzen. Und völlig unklar ist nach wie vor, wie die „klare Ansage“aussehen wird, die Seehofer für die Tage nach dem Abschluss der Sondierung­sgespräche angekündig­t hat. Einige halten ihn für stur genug, dass er seine beiden Ämter verteidige­n will und zum Gegenschla­g ausholt. Andere halten es sogar für möglich, dass er Trommelfeu­er und Kesseltrei­ben leid ist und beide Ämter zur Verfügung stellt. Bisher ist alles Spekulatio­n.

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Foto: Maurizio Gambarini, dpa Die Junge Union lässt Seehofer im Regen stehen. Noch ist unklar, wie es mit dem CSU Chef weitergeht.

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