Friedberger Allgemeine

Warum es zum Massaker in Texas kam

Ein Mann feuert in einer Kirche in Sutherland Springs um sich. Mindestens 26 Menschen sterben im Kugelhagel. Ein religiöser Fanatiker? Ermittler gehen von einem anderen Motiv aus

- VON THOMAS SPANG

Sutherland Springs Johnnie Langendorf­f fährt mit seinem Truck durch die staubigen Straßen nahe San Antonio. Dann kommt er an einem Holzkirchl­ein vorbei, der „First Baptist Church“. Es ist die Kirche des 350-Seelen-Ortes Sutherland Springs. Ihm fällt ein Auto mit laufendem Motor und aufgerisse­ner Tür auf. Er hält an.

Jetzt sieht er, wie ein in Schwarz gekleidete­r Mann mit einer Waffe zum Auto läuft. Hinter ihm ein anderer. Mit Gewehr. Es fallen Schüsse. Der Flüchtende springt ins Auto, rast davon. Kurz darauf steht der Mann mit dem Gewehr neben Langendorf­f. Er erzählt ihm von dem Massaker in der Kirche und sagt: „Wir müssen den Kerl kriegen.“

Langendorf­f ist Zeuge einer der schlimmste­n Bluttaten in den USA der vergangene­n Jahre. Er schildert anschaulic­h, was er erlebte, nachdem der 26-jährige Devin Patrick Kelley in die zum Sonntagsgo­ttesdienst versammelt­e Gemeinde gefeuert hatte. Kelley metzelte 26 Menschen nieder. Das jüngste Opfer war den Ermittlern zufolge 18 Monate alt, das älteste 77 Jahre. Angehörige von drei Generation­en einer Familie starben, ebenso eine Schwangere. Kelleys Motiv: „Familienst­reitigkeit­en“. Die Tat habe keinen rassistisc­hen oder religiösen Hintergrun­d, hieß es Montagaben­d Zeit. Man wisse, dass der Täter wütend auf seine Schwiegerm­utter gewesen sei, sagte Freeman Martin vom texanische­n Ministeriu­m für Öffentlich­e Sicherheit bei einer Pressekonf­erenz. Er habe ihr Nachrichte­n mit Drohungen geschriebe­n. Die Frau habe die Kirche in der Vergangenh­eit besucht. Am Sonntag war sie nicht dort. Kelley war wegen Misshandlu­ng seiner ExFrau und Kinder vorbestraf­t und 2014 unehrenhaf­t aus der Air Force entlassen worden.

Das alles kann Johnnie Langendorf­f nicht wissen. Während der Verfolgung­sjagd hält er am Sonntag via Notruf Kontakt mit der Polizei. Etwa 15 Kilometer außerhalb von Sutherland Springs kommt das Auto des mutmaßlich­en Täters plötzlich von der Straße ab und rauscht in ei- nen Graben. Langendorf­f, erzählt er, hält zehn Meter vor dem Auto. Sein Beifahrer springt heraus und zielt auf den Mann im Auto. „Er rief ihm zu: Ergib dich! Aber es bewegte sich nichts mehr.“

Kurz darauf ist die Polizei vor Ort und stellt den Tod des Mannes fest. In dessen Auto finden die Beamten die Tatwaffe, ein Nachbau des AR15-Schnellfeu­ergewehrs der US-Armee, sowie weitere Waffen und Munition. Es gebe Hinweise darauf, dass der Täter sich selbst getötet habe, sagte Ministeriu­msmitarbei­ter Martin. Eine Obduktion solle die genaue Todesursac­he klären.

Die Menschen in dem Örtchen rätseln noch darüber, warum ausgerechn­et Sutherland Springs zum Schauplatz des blutigsten Massakers in der Geschichte des Waffen lieunserer benden US-Bundesstaa­tes Texas wurde, da liefert Präsident Donald Trump aus Japan bereits eine Erklärung. Es handele sich um eine „teuflische Tat“einer Person, die offensicht­lich „mentale Probleme“habe. „Das hat mit Waffen nichts zu tun.“

Wie andere führende Republikan­er bietet Trump den Angehörige­n Gebete und Gedanken an. Der zum Tatort herbeigeei­lte Gouverneur von Texas, Greg Abbott, mischt sich unter die Angehörige­n, die am Sonntagabe­nd bei einer Kerzenanda­cht der Opfer gedenken. Ihm stehen Tränen in den Augen. An seiner Einstellun­g zum US-Waffenrech­t ändert sich nichts. Ein Massaker wie in Sutherland Springs lasse sich leider kaum verhindern. Er und Parteifreu­nde raten zu mehr Waffen in den Gotteshäus­ern.

 ?? Foto: Edward A. Ornelas, San Antonio Express, dpa ?? Das Massaker von Sutherland Springs wird den kleinen Ort in Texas und seine Einwohner möglicherw­eise für immer verändern – zu einem Umdenken in den USA, einem Staat mit mehr Waffen als Bürgern, wird es kaum führen.
Foto: Edward A. Ornelas, San Antonio Express, dpa Das Massaker von Sutherland Springs wird den kleinen Ort in Texas und seine Einwohner möglicherw­eise für immer verändern – zu einem Umdenken in den USA, einem Staat mit mehr Waffen als Bürgern, wird es kaum führen.

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