Auf der Rum Route die Destillerien entdecken
Wenn Claire Marie Dubois ein Menü zaubert, kommt es zu erstaunlichen Kombinationen. Auf den Aperitif, einen „Ti Punch“aus Rum, Limetten und Zucker, sowie frittierte Stockfischbällchen („Accras“) mit pikanter Sauce folgt französische Stopfleberpastete (Foie gras); zum Hauptgang gibt es Wolfsbarsch mit einem Gratin der Yamswurzel und als Dessert eine Crème Brûlée oder in Rum flambierte Bananen. Zur Abrundung kommen noch ein paar MiniPâtisserien, feine Törtchen, auf den Tisch. Und dass sie bei alledem ohne Gluten auskommt, macht Claire Maries Küche noch trendiger.
Kurz informiert
● Praktisches Die Karibik Insel Mar tinique gehört zu den französischen Überseegebieten und zählt rund 400 000 Einwohner. Sie erstreckt sich auf circa 70 Kilometer Länge und 30 Kilometer Breite. Bezahlt wird mit dem Euro, und Besucher aus der EU können ohne Visum einreisen, Personalausweis genügt. Impfungen sind nicht notwendig, Mücken und Sonnenschutz allerdings schon. Auf grund der angenehmen Temperatu ren um 28 Grad ist die Wintersaison
Gelernt hat sie ihr Handwerk „auf dem Kontinent“, wie sie sagt, nämlich in der renommierten Kochschule Ferrandi in Paris – gut 6800 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt. Claire Marie ist Französin, aber das französische Festland weit weg. Die 42-Jährige kommt aus Martinique, einem Überseegebiet in der Karibik. Dorthin ist sie nach einer Management- und EnglischAusbildung sowie Stationen als Küchenchefin in Paris und auf der Antillen-Insel Saint-Barthélemy zurückgekehrt. In ihrem paradiesisch am Wasser gelegenen Haus, umgeben von Mangroven und üppigen Pflanzen, hat sie Gästezimmer eingerichtet. zwischen November und April Hauptreisezeit.
● Anreise Mehrere Fluggesellschaften bieten Direktflüge vom Pariser Flug hafen Orly aus an. Vom 4. November bis zum Frühjahr fliegt Condor au ßerdem vom Flughafen München aus jeden Samstag direkt nach Martini que. Erreichbar ist es über den interna tionalen Flughafen Aimé Césaire, zwölf Kilometer außerhalb der Haupt stadt Fort de France.
● Unterkünfte
» Eine hochklassige Unterkunft mit Pavillons inmitten von üppiger Pflan zenpracht, guter Küche und in un mittelbarer Nähe zum Strand ist das Vier Sterne Hotel „French Coco“, Mitglied der Small Luxury Hotels of the World: www.hotelfrenchcoco.com » Nachts auf den Sternenhimmel schauen kann man in einer der vier transparenten, aufblasbaren Gästezim mer der „Domaine des Bulles“, einer ökologischen Unterkunft mit garantier ter Naturnähe: www.ledomainedes bulles.com Außerdem bietet Claire Marie Dubois hier Kochkurse für Inselbewohner und Touristen an, auch in englischer Sprache.
Ihre Erfahrungen erklären jenen reizvoll-exotischen Mix der Einflüsse in ihrer Küche – nicht nur aufgrund der Verwendung lokaler wie kontinentalfranzösischer Produkte. „Auf meinem Tisch möchte ich die für Martinique so typische Großzügigkeit mit der französischen Präzision und Technik verbinden“, sagt sie. So verquickt sie die Kontraste, die ihre Heimat ausmachen.
Denn die einstigen Kolonien, zu denen auch das benachbarte Guadeloupe oder die Insel La Réunion im Indischen Ozean gehören, haben ihre eigene Kultur und Lebensart. Inzwischen ist Kreolisch auch offizielle Sprache und kann an der Universität studiert werden, doch Frankreich verbot zeitweise diese einstige Ausdrucksweise der Sklaven; deren Nachfahren vermieden sie zudem lange, um sich möglichst perfekt zu integrieren und keine Benachteiligung zu erfahren. Die Gleichberechtigung der Bewohner früherer Kolonien, die sich oft nicht nur aufgrund der geografischen Entfernung von Paris vernachlässigt fühlen, ist noch immer ein sensibles Thema. Erst spät hat Frankreich seine blutige Kolonialgeschichte aufgearbeitet; heute thematisieren sie Museen wie die „Savane des Esclaves“oder die Fondation Clément – ein Landgut mit einer ehemaligen Plantage, das Sammlungen zeitgenössischer Kunst zeigt.
Entdeckt wurde Martinique im Jahr 1502 von Christoph Kolumbus; seit Frankreich es 1635 kolonialisierte und innerhalb von drei Jahrzehnten die einheimische Bevölkerung fast komplett ausgerottet hatte, blieb die Insel der Kleinen Antillen bis auf kurze Phasen fremder Besat- zung französisch. Heute gehört sie als Übersee-Département und Region zur EU. Bezahlt wird mit dem Euro, die Schulbücher und Polizeiuniformen sind dieselben wie auf „dem Kontinent“. Knusprige Baguettes und weiche Croissants, für die Frankreichs Bäcker zu Recht berühmt sind, gibt es ebenfalls – verfeinert mit frischer Ananas- oder Mango-Konfitüre.
Großes Vorzeige-Produkt und Nationalgetränk zugleich bleibt allerdings der Rum – der weltbeste, wie Aurélie Bapté von der Distillerie JM versichert. Der Grund: Dieser „Rhum Agricole“, den ein AOC-Herkunftssiegel schützt, wird nicht aus der Melasse von Zuckerrohr gewonnen, sondern aus frisch gepresstem Zuckerrohrsaft. „Wir benutzen unseren eigenen puren Rohrzucker. Das ist der große Unterschied zum meist industriell produzierten Rum anderswo auf der Welt“, erklärt die 30-Jährige mit dem ansteckenden Lächeln. „Zwar machen wir auf Martinique weniger als ein Prozent der weltweiten Rum-Produktion. Aber Sie schmecken den Unterschied!“Die einzelnen Schritte der aufwendigen Herstellung können Besucher in einem Rundgang nachvollziehen – vor der obligatorischen Verkostung. Liebhaber können auch die Destillerien der Insel auf einer „Rum-Route“abklappern.
Martiniques Haupteinkünfte stammen aus dem Tourismus und der Landwirtschaft. Jährlich werden rund 200000 Tonnen Bananen und 20 Millionen Liter Rum verkauft. Kamen 2015 noch 790000 Touristen, so möchte die Insel deren Zahl bis 2020 auf eine Million erhöhen. Die meisten sind Franzosen vom Festland. In der Hauptsaison ab Anfang November bietet Condor allerdings auch Direktflüge von München aus an. „Martinique, das sind nicht nur traumhafte Strände“, wirbt Philippe Rotin, Chef-Concierge im Hotel „French Coco“. „Es gibt viel mehr zu entdecken: Flora und Fauna, Vogel- und Sternbeobachtung, tolle Wanderwege, Feste, Kulturerbe, Wellness, gutes Essen.“
Tatsächlich ist die Landschaft vielfältig: Im trockenen Süden locken weiße Sandstrände, im Norden tropische Natur, Urwald und Berge. Der höchste ist mit 397 Metern der Vulkan Montagne Pelée, der 1902 zuletzt ausbrach und mehr als 30 000 Tote forderte. Die Stadt SaintPierre, bis dahin das mondäne Zentrum der Insel, wurde fast komplett ausgelöscht. Zurück blieb ein kleines Fischerdorf, wo Steinruinen an das urplötzlich ausgebrochene Grauen erinnern.
Unangefochtenes wirtschaftliches Zentrum ist die Hauptstadt Fortde-France, wo sich Häuser in karibischem, modernem und Kolonialstil aneinanderreihen. Hier steht eine Statue von Joséphine de Beauharnais, der berühmtesten Tochter der Insel: Die Eltern der ersten Frau von Napoleon Bonaparte hatten eine Zuckerrohrplantage. Weil sie sich ein Leben ohne Sklaven nicht vorstellen konnte, führte Joséphines Mann, der Kaiser, 1802 unter ihrem Druck die Sklaverei wieder ein, obwohl die französische Konvention acht Jahre zuvor deren Abschaffung beschlossen hatte. So dauerte es noch weitere 46 Jahre. Das erklärt, warum Joséphines Statue der Kopf fehlt: Unbekannte haben ihn 1991 abgeschlagen – in einem nachträglichen revolutionären Akt – man ist schließlich in Frankreich.