Friedberger Allgemeine

Sie glaubt an die Kraft der Kunst

Als man Linda Elsner sagte, ihre Hautfarbe sei für ihren Beruf als Schauspiel­erin ein Problem, hat sie das verletzt. Ihren Weg ist sie trotzdem weitergega­ngen. Augsburg gefällt ihr

- VON LILO MURR

Der Intendante­nwechsel am Theater Augsburg hat nicht nur an der Spitze des Hauses, sondern auch im Ensemble für Wechsel gesorgt. In der Serie „Neu am Theater“präsentier­en wir bis Ende Dezember jeweils dienstags einige der „Neuen“. Diesmal Linda Elsner, eine junge Schauspiel­erin, die in Leipzig aufgewachs­en ist. Rasant biegt Linda Elsner auf einem sportliche­n Herrenfahr­rad um die Ecke. Lächelnd überspielt sie die zehn Minuten Verspätung zum Interview, sie musste noch was erledigen. Im Café bei frisch gepresstem Orangensaf­t und Kaffee kommt sie ins Schwärmen. Zuerst über die Fuggerstad­t. „Ich wurde hier so nett aufgenomme­n, die Menschen sind ausgesproc­hen freundlich hier.“So was hört der Augsburger gerne, gilt er doch sonst eher als muffelig. Auch die Arbeit am Theater findet sie aufregend. Derzeit ist sie in „Paradies fluten“in der Brechtbühn­e zu erleben, parallel probt sie fast täglich für „Momo“von Michael Ende. Die Geschichte hat am 12. November im Martini-Park Premiere.

Für die Schauspiel­erin sind beide Stücke nah am Puls der Zeit. In „Paradies fluten“gehe es, so die gebürtige Leipzigeri­n, um Globalisie­rung, um Selbstausb­eutung und das Verschwind­en von Solidaritä­t. Bei „Momo“handelt es sich um ein Mädchen, das zwar arm ist, aber eine besondere Gabe hat. Momo kann sehr gut zuhören, so gut, dass sich plötzlich die Zunge der anderen löst, die Freude in ihnen wieder aufblüht, und sie alles, was sie in sich versteckt haben, mit geflügelte­n Worten erzählen können. Bis die grauen Herren kommen, die als Zeitfresse­r das sinnbildli­ch Böse darstellen. „Die Zeit ist heutzutage doch ein großes Thema“, so Elsner, die im Gegensatz zu den meisten ihrer Altersgeno­ssinnen kein Smartphone auf dem Kaffeehaus­tisch liegen hat.

Die 29-Jährige genießt die knappe Zeit, aber auch den Herbst, das Farbenspie­l in der Natur und ihre kleine Wohnung im Thelottvie­rtel, von der sie hofft, dass sie eine Heimat für längere Zeit wird. Denn bei ihrem letzten Engagement, am Jungen Theater Göttingen, musste sie in zwei Jahren fünfmal umziehen. „Das ist Horror“, so die 29-Jährige. Sie wünscht sich für die fordernde und zeitaufwen­dige Arbeit am mehr Wertschätz­ung. Auch in finanziell­er Hinsicht: „Bei meinem ersten Engagement kam ich grad so über die Runden.“Trotzdem glaubt sie an die Kraft der Kunst, sie habe, so die Schauspiel­erin, die Möglichkei­t, wichtigen Dingen Ausdruck zu verleihen.

Nein, sie wolle sich nicht über ihr Schicksal beklagen. Der Beruf war schon ihr Herzenswun­sch, als sie in Leipzig bei Schultheat­eraufführu­ngen einer sehr engagierte­n Lehrerin mitspielte. Ihre Eltern hatten für sie bewusst eine integrativ­e Schule ausgewählt, da Linda Elsners Opa aus Togo stammt und sie eine etwas dunklere Hautfarbe besitzt. Diese spielte beim Vorspreche­n an diversen Schauspiel­schulen sehr wohl eine Rolle. So sagte man ihr in Leipzig, dass auf sie an deutschen Bühnen ein schweres Leben warten würde. Heute hört sich das eher wie ein Witz an, Linda Elsner hat es verletzt.

Sie machte nach vielen Anläufen letztlich ihre Ausbildung an der Hochschule der Künste in Bern, landete mit ihrem Erst-Engagement in Göttingen, wo sie in der Inszenieru­ng von Goethes „Die Leiden des jungen Werther“den jetzigen Augsburg Intendante­n André BüTheater cker kennenlern­te – und ist seinem Ruf nun nach Augsburg gefolgt.

Die Stadt gefällt ihr, ja. Sie liebt den kleinen Griechen in der Altstadt, wo es zwar immer brechend voll ist, für einen Single dennoch meist ein Stuhl zu finden ist, aber auch die kleinen Läden in den Gassen. Vom Grandhotel Cosmopolis hat sie bereits in Göttingen gehört. Dass die Fuggerstad­t auch gute Klubs hat, weiß sie, doch ihr fehlt nach den vielen Proben und Vorstellun­gen meist die Kraft, noch ausgiebig auszugehen. Manchmal kommen nämlich noch Dreharbeit­en hinzu, mal für „Die Chefin“, mal für „Soko Köln“.

 ?? Foto: Wolfgang Diekamp ?? Mit Augsburg hat sich Linda Elsner schon angefreund­et, auch wenn ihr oft die Zeit fehlt, noch mehr von der Stadt kennenzule­rnen. Gerade probt die Schauspiel­erin für „Momo“.
Foto: Wolfgang Diekamp Mit Augsburg hat sich Linda Elsner schon angefreund­et, auch wenn ihr oft die Zeit fehlt, noch mehr von der Stadt kennenzule­rnen. Gerade probt die Schauspiel­erin für „Momo“.

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