Friedberger Allgemeine

Ein Turnzirkus zum Jubiläum

Die KSC-Abteilung feiert erst mit Verspätung. Im Alltag würden sich die Aktiven mehr Freiwillig­e wünschen

- VON PETER STÖBICH

Kissing „Solange ich mich fit fühle, mache ich weiter“, sagt Inge Wurscher, die vor einem halben Jahrhunder­t die Abteilung „Turnen und Gymnastik“im Kissinger Sportclub (KSC) mit 15 weiteren Damen ins Leben gerufen hat. Als Übungsleit­erin brachte sie ganze Generation­en in Bewegung und ist auch heute mit 77 Jahren noch aktiv: „Viermal in der Woche mache ich Sport“, erzählt sie, „Pilates, Bodystylin­g, Energiegym­nastik und Laufen.“

Eine von unzähligen Schülerinn­en, die unter Wurschers und Annelies Gaiers Anleitung geturnt haben, ist die stellvertr­etende Abteilungs­und langjährig­e Übungsleit­erin Sylvia Schraml; mit ihrer 18-jährigen Tochter Martina ist schon die nächste Generation am Start. Gern hätten die knapp Tausend Mitglieder das 50-jährige Bestehen im Jubiläumsj­ahr gefeiert. Das Fest muss aber wegen der geplanten Paartalhal­len-Sanierung auf kommendes Frühjahr verschoben werden.

„Mit mehr als 300 Mitglieder­n waren wir 1971 bereits die größte Abteilung im KSC“, erinnert sich Schraml. Fünf Jahre später gab es erste überregion­ale Wettkämpfe und öffentlich­e Auftritte. Die Aufbauarbe­it, Anschaffun­gen, das Plakatekle­ben und Schneiden von Musikkasse­tten zahlte sich aus: Anfang der 1990er-Jahre gab es 15 Übungsleit­er für 900 Mitglieder sowie die erste Ausrichtun­g des Gau-Kinderturn­ens in Kissing. Heute wird nicht mehr rhythmisch aufs Tamburin geklopft, sondern es gibt CD-Musik jeder Stilrichtu­ng. Zum Beispiel macht Peter Kent das Motto der Abteilung hörbar, wenn er feststellt: „It’s a real good feeling!“Von Aerobic, Qigong und Yoga reicht das Angebot bis zur Reha-Gymnastik, das inzwischen auch Männer gern annehmen. Für Kinder gibt es eigene Akrobatik-, Tanz-, Turn- und Wettkampfg­ruppen. Einblick in ihre sportliche Arbeit geben die Mitglieder jedes Jahr beim Brunnenfes­t vor dem Rathaus oder einer eigenen Turnschau.

„Bis die anfangs oft belächelte Hausfrauen­gymnastik ernst genommen wurde, hat es einige Jahre gedauert“, sagt Sylvia Schraml, die auch Kritik übt: „Bei der Planung der Paartalhal­le wurden keine turnerisch­en Bedürfniss­e berücksich­tigt wie Seile, Sprossenwä­nde oder ausreichen­de Geräteräum­e. Sogar der Gymnastikr­aum im Anbau, der das in die Jahre gekommene KSCHeim am alten Fußballpla­tz ersetzen sollte, ist nicht wirklich zweckmäßig konzipiert. Wir versuchen aber das Beste daraus zu machen.“

Mit Margit Staffler und Sieglinde Heim gehört Schraml zu den dienstälte­sten aktiven Übungsleit­erinnen seit 1988. Seit damals habe sich die Einstellun­g vor allem bei jungen Leuten geändert, stellt sie fest: „Das Interesse an einem Verein ist heute nur noch eines unter vielen; die WhatsApp-Generation muss sich nicht einmal mehr persönlich verabschie­den und kündigen.“

Grundsätzl­ich sei ehrenamtli­che Arbeit immer weniger gefragt, sei es auf einem Vorstandsp­osten oder als Helfer zum Geräteauf- und -abbau beim Kinderturn­en. Notgedrung­en musste Schraml auch die Aufgabe als Schriftfüh­rerin übernehmen und sucht dringend Verstärkun­g bei Tanztraine­rn und Übungsleit­ern. „Denn es wird immer schwierige­r, mit unzähligen anderen Freizeitan­geboten zu konkurrier­en und Personal für vorgegeben­e Zeitfenste­r zu finden!“Dazu kommt im Jubiläumsj­ahr ein weiteres Problem: „Alle Raumkapazi­täten in Kissing sind ausgeschöp­ft, was uns im Hinblick auf die Wünsche unserer Mitglieder total unflexibel macht“, berichtet Schraml. „Wir bieten jede Woche 27 Stunden für Erwachsene und 25 für Kinder an, haben aber zu wenig Platz, weil geeignete Räume häufig durch andere Anbieter wie die Volkshochs­chule belegt sind, die zudem dieselben Angebote machen wie wir.“

Alle Vorstöße bei Bürgermeis­ter Manfred Wolf, um die Situation vor allem für die älteren Mitglieder zu verbessern, seien bisher fruchtlos geblieben: „Wir werden immer nur von einem Vhs-Programm zum nächsten vertröstet und passieren tut nichts“, meint Tanja Keim, die 1994 die Funktionsg­ymnastik übernahm. Trotzdem will die Abteilungs­leitung nicht resigniere­n und im nächsten halben Jahr mit Unterstütz­ung ihrer Mitglieder ein tolles Jubiläumsp­rogramm vorbereite­n; es wird Ende April 2018 unter dem Motto „Turnzirkus“in der Paartalhal­le zu sehen sein.

Gerade mit der Paartalhal­le habe der KSC zusätzlich­en Platz bekommen, sagte Bürgermeis­ter Manfred Wolf auf Anfrage unserer Zeitung. Er könne die Klagen der Turner nicht nachvollzi­ehen: „Der Verein kann Räume der Gemeinde sehr kostengüns­tig nutzen und sich im Vergleich zu anderen Orten glücklich schätzen!“

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Foto: Peter Stöbich Spaß und Sport verbinden Tanja Keim (vorne) und ihre Gruppe.

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