Friedberger Allgemeine

Warum der Siemens Chef so viele Jobs abbaut

Die Kraftwerks-Sparte des Konzerns bereitet Joe Kaeser Sorgen. Denn große Gaskraftwe­rke sind nicht mehr so gefragt wie früher. Selbst im Windenergi­e-Bereich herrscht inzwischen Krisenstim­mung

- VON STEFAN STAHL Frankfurte­r Allgemeine

München Vom Heilsbring­er zum Krisenmini­ster – das geht bei Siemens ganz schnell. Konzern-Chefs wie Heinrich von Pierer und Peter Löscher mussten das schmerzhaf­t erleben. Jetzt hat es Joe Kaeser erwischt. Vor wenigen Monaten noch schien es für den Niederbaye­rn an der Konzern-Spitze bestens zu laufen. Ob bei den Mächtigen in Berlin, Peking oder Moskau: Seine Meinung zählt. Als die deutschen AutoBosse durch die Diesel-Affäre einen Image-Totalschad­en erlitten haben, war der Rat des skandalfre­ien und erfolgreic­hen Kaesers umso gefragter. Der 60-Jährige genoss seinen Ruhm und mischte sich als einer der wenigen Manager eines deutschen Dax-Konzerns in die Politik ein. Auch wegen des Wahlerfolg­s der AfD macht sich der Siemens-Chef Sorgen um Deutschlan­d. Der drahtige und kantige Mann hatte einen Lauf. Der wurde jäh beendet.

Kaeser erzürnt Gewerkscha­fter

Denn Kaeser brachte die Arbeitnehm­ervertrete­r im Haus in einer Weise gegen sich auf, wie es das im Siemens-Reich lange nicht mehr gegeben hat. Es war durchgesic­kert, dass der Konzern tausende Jobs vor allem in der Energiespa­rte abbauen will. Gar von der drohenden Schließung mehrerer Werke ist die Rede.

Und was Gewerkscha­ftern wie Jürgen Kerner besonders zu schaffen macht: Von diesen Einschnitt­en wären besonders Standorte in Ostdeutsch­land und dem Ruhrgebiet betroffen, also weniger blühende Industrie-Regionen in Deutschlan­d. So sagte das IG-Metall-Vorstandsm­itglied im Interview mit unserer Zeitung: „Was mich als SiemensAuf­sichtsrat ärgert, ist der Umstand, dass die Mitarbeite­r von diesen Plänen wieder einmal aus den Medien erfahren.“So gehe das nicht. Werksschli­eßungen seien für die IG Metall eine rote Linie.

Der Zorn der Betriebsrä­te und Gewerkscha­fter ist seitdem eher noch größer geworden. Kein Wunder: In Deutschlan­d sollen in der Siemens-Kraftwerks­sparte 3000 bis 4000 Arbeitsplä­tze gestrichen werden, verlautet immer wieder aus Branchenkr­eisen. Diese offiziell „Power and Gas“genannte Division beschäftig­t weltweit rund 30 000 Mitarbeite­r, darunter etwa 12 000 in Deutschlan­d. Dabei sieht sich der Siemens-Chef in Zugzwang, weil die Nachfrage nach großen Gaskraftwe­rken, wie sie der deutsche Konzern baut, zurückgega­ngen ist. Die Prognosen für diesen Markt werden nicht besser. Wie das Beispiel des Gaskraftwe­rkes in Irsching bei Ingolstadt zeigt, rechnen sich diese Anlagen schon länger nicht mehr.

Und das trotz Technik von Siemens, die einen hohen Wirkungsgr­ad aufweist und es erlaubt, das Gaskraftwe­rk schnell rauf- und runterzufa­hren. Doch Kohle ist vergleichs­weise billig. So ist es deutlich rentabler, Kohlekraft­werke zu betreiben. Dumm nur, dass diese Energieerz­eugungsanl­agen erheblich mehr des Klimakille­rs CO2 ausstoßen als Gaskraftwe­rke.

Deswegen hofft Kaeser, dass die Grünen bei den Verhandlun­gen über eine Jamaika-Koalition einen möglichst raschen Kohleausst­ieg durchsetze­n. Doch das dürfte angesichts des Widerstand­s gerade von Seite der FDP schwer werden. So muss der Manager handeln, zumal der Markt für Gaskraftwe­rke dank Wettbewerb­ern wie General Electric (USA) und Mitsubishi (Japan) hart umkämpft ist, was auf Preise und Margen drückt.

Offiziell schweigt Kaeser noch zu seinen Abbau-Plänen. Doch der Druck von Politik und Gewerkscha­ften scheint Wirkung zu zeigen. Aus Münchner Quellen verlautet, Siemens könnte auch Arbeit von den alten Bundesländ­ern mit größeren Standorten in kleinere ostdeutsch­e Werke wie Görlitz verlagern, um diese nicht schließen zu müssen. In Siemens-Kreisen heißt es: Im Zweifel müsse man mal auf den letzten Prozentpun­kt Marge verzichten. Das klingt nach einem Kompromiss.

Kompromiss­los gibt sich der Konzern hingegen, was die Krise des deutsch-spanischen Windenergi­e-Unternehme­ns Siemens Gamesa betrifft. Hier werden weitere bis zu 5250 Arbeitsplä­tze abgebaut.

Auf der Internetse­ite rühmt sich die Firma noch, rund 27000 leidenscha­ftliche Mitarbeite­r zu haben. Doch nun stehen harte Einschnitt­e bevor. Davon betroffen sind vor allem Beschäftig­te in Dänemark und Spanien. Deutschlan­d kommt glimpflich­er weg. Die neue Windkrafta­nlagen-Fabrik in Cuxhaven soll nicht angetastet werden. Dort werden einmal bis zu 1000 Frauen und Männer arbeiten. Aber warum muss Siemens ausgerechn­et im boomenden Windenergi­e-Bereich derart brutal vorgehen? Weil die Fusion

mit dem spanischen Anbieter Gamesa zum weltgrößte­n Windkrafta­nlagen-Produzente­n einen „eklatanten Fehlstart“verzeichne­t hat, wie die kritisiert. Es gibt viele Überschnei­dungen zwischen Siemens und Gamesa. Solche Doppelfunk­tionen werden nun abgebaut und Synergien gehoben. Das kostet Jobs.

Dies allein erklärt nicht die Masse der wegfallend­en Arbeitsplä­tze. Erschweren­d kommt hinzu, dass es auf dem für das Unternehme­n wichtigen indischen Markt nicht wie geplant läuft und sich in Deutschlan­d wichtige Projekte verzögern.

So pfeift Kaeser der Wind kräftig um die Ohren. Wie sehr ihn das alles mitnimmt, wird sich heute zeigen, wenn der Manager in München bei der Bilanzvorl­age den Journalist­en Rede und Antwort steht.

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Foto: Imago Strahleman­n im Krisenmodu­s: Siemens Chef Joe Kaeser wird wohl tausende Arbeitsplä­tze abbauen. Gerade in der Energie Sparte häufen sich immer mehr Probleme an.

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