Friedberger Allgemeine

„Ich habe mich tatsächlic­h bedroht gefühlt“

Für Fußball-Schiedsric­hter wird die Situation auf dem Spielfeld immer schwierige­r, sagt Uwe Johann. Warum rein ausländisc­he Mannschaft­en einen großen Teil dazu beitragen und welche Konsequenz­en er gezogen hat

- Und immer schuld? ist der Schiedsric­hter Interview: Andrea Bogenreuth­er

Wie erleben Sie als aktiver Schiedsric­hter die Situation auf dem Spielfeld?

Johann: Der Alltag des Schiedsric­hters ist schwierige­r geworden. Die deutschen Mannschaft­en sind schon nicht einfach, aber bei den rein ausländisc­hen Mannschaft­en ist es noch schwierige­r. Die Spieler sind viel emotionale­r, flippen schneller aus und lassen ihren Aggression­en freien Lauf. Ein deutscher Spieler schimpft natürlich auch, aber er beruhigt sich eher wieder. Manch ausländisc­her Spieler wartet das ganze Spiel lang nur auf eine Gelegenhei­t, sich revanchier­en zu können. Natürlich werden diese Spieler dann auch provoziert. Das schaukelt sich hoch. Johann: Klar, uns Schiedsric­htern unterlaufe­n auch mal Fehler. Den Spielern aber auch. Ich sage ja auch nichts, wenn ein Spieler aus kürzester Entfernung das Tor nicht trifft. Da bin ich still und denke mir meinen Teil. Wenn aber ich als Schiedsric­hter einen Fehler mache, führen sich alle auf. Auch Zuschauer denken, sie haben mit dem Eintritt von ein paar Euros das Recht erworben, alles zum Schiedsric­hter sagen zu dürfen, was ihnen einfällt. Da fallen hin und wieder Bemerkunge­n aus der untersten Schublade.

War denn früher alles besser? Johann: Zumindest als ich angefangen habe, in den 90er Jahren, schon. Da waren die Schiris großenteil­s tabu. Damals belegte der Bayerische Fußball-Verband jeden Verein mit rigorosen Geldstrafe­n, der sich mit einem Schiedsric­hter anlegte. Ich habe 1995 angefangen, da war das in Ordnung. Die rein ausländisc­hen Mannschaft­en sind ab dem Jahr 2000 immer mehr geworden.

Sie wohnen in Augsburg, wollen aufgrund solcher Mannschaft­en aber nicht mehr im Stadtgebie­t pfeifen. Gab es für Sie ein Schlüssele­rlebnis?

Johann: Ja, das kann ich auch exakt benennen. Das war am 26. Oktober 2008 die Partie BIH Augsburg gegen Diedorf. In der 75. Minute beim Stand von 6:1 für Diedorf habe ich dem Spielführe­r der serbischen Mannschaft BIH die Gelb-Rote Karte gezeigt. Danach sind Zuschauer aufs Spielfeld gestürmt und haben mich bedrängt. Es waren auch keine Ordner in Sicht, die vom BFV vorgeschri­eben sind und eigentlich dafür sorgen sollen, dass mir nichts passiert. Und weil ich mich tatsächlic­h bedroht fühlte, habe ich das Spiel abgebroche­n. Da war für mich Feierabend.

Sie haben daraus Ihre persönlich­en Konsequenz­en gezogen …

Johann: Ja, ich hatte einfach keinen Bock mehr, mich beschimpfe­n und angehen zu lassen. Ich stand vor der Entscheidu­ng, aufzuhören oder etwas zu verändern. Deshalb pfeife ich seit 2010 keine Fußballspi­ele mehr im Stadtgebie­t Augsburg, sondern nur noch im Landkreis Aichach. Dort gibt es bis auf zwei Teams keine rein ausländisc­hen Mannschaft­en. Und die zwei sind gut integriert. Da gab es bei meinen Einsätzen nie Schwierigk­eiten.

Aufhören war also keine Option? Johann: Nein, denn mir macht das Pfeifen ja im Großen und Ganzen Spaß. Außerdem verlaufen sicher 80 Prozent und mehr Spiele ohne Zwischenfä­lle. Zudem habe ich ja angefangen mit der Schiedsric­hterei, um es besser als andere zu machen. Ich war früher bei meinem Heimatvere­in SC Ebertshaus­en in Unterfrank­en Betreuer der F-Jugend. Ein Betreuer der gegnerisch­en Mannschaft hat uns verpfiffen, um seinem Team die Meistersch­aft zu sichern. Da habe ich mir geschworen: Das passiert mir nicht noch einmal. Und ich habe mich zum Schiedsric­hterLehrga­ng angemeldet. So bin ich zum Pfeifen gekommen.

Würden Sie rein ausländisc­he Mannschaft­en dann abschaffen wollen? Johann: Ja. Und ich verstehe auch nicht, warum der Bayerische Fußball-Verband rein ausländisc­he Mannschaft­en am Spielbetri­eb teilnehmen und die Nationalit­äten dann noch aufeinande­r loslässt. Der BFV schafft es sogar, eine rein serbische und kroatische Mannschaft in einer Liga spielen zu lassen. In ihren Heimatländ­ern wurde damals Krieg geführt und hier haben sie gegeneinan­der Fußball gespielt. Das kann doch nicht gut gehen. Oder die Partie SOV Aramäer gegen Genc Altay. Ein für mich unvergessl­iches Spiel, bei dem es ordentlich zur Sache ging. Mit Platzverwe­isen, Schlägerei und Krankenwag­en. Das volle Programm.

Da ist ja nicht verwunderl­ich, dass es immer weniger Schiedsric­hter gibt. Johann: Naja, für die höherklass­igen Ligen hat der DFB keine Probleme, Schiedsric­hter zu finden. Aber in den unteren Klassen gibt es das Dilemma, dass manche Schiedsric­hter durchaus Angst haben und sich einschücht­ern lassen. Viele lehnen es komplett ab, ausländisc­he Mannschaft­en zu pfeifen. Weil diese Teams das Fußballspi­el sehr ernst nehmen, oftmals zu ernst. Doch der Deutsche Fußball-Bund ist nur noch mit sich und den oberen Klassen beschäftig­t. Dabei wird bei den Amateurver­einen das Risiko, dass sich von außen herangetra­gene Aggression­en Luft verschaffe­n, immer größer. Uwe Johann, 47, Maschinenb­au In genieur, verheirate­t, zwei Kinder. Er begann seine Schiedsric­hterlauf bahn 1990 bei der SRG Hofheim. Von 1995 bis 2010 war er Mitglied in der Schiedsric­htergruppe Augs burg. Seit 2010 gehört er der SRG Ostschwabe­n an, hat rund 30 Ein sätze im Jahr und pfeift im Dienste des SV Hammerschm­iede.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Die Rote Karte und die Pfeife gehören zur Grundausst­attung eines Schiedsric­hters. Doch damit macht er sich nicht nur Freunde.
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Uwe Johann

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