Friedberger Allgemeine

Servus Radel!

Autos lassen mich kalt, aber der Abschied von einem Fahrrad macht mich sentimenta­l. Verrückt? Nö!

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immer und überall fahren. Böse Zungen werden nun sagen: Hah, sogar auf Augsburger Radwegen...

Aber das wäre tatsächlic­h fies. Gut, es gibt immer noch ein paar Ecken, etwa entlang der HansBöckle­r-Straße in Lechhausen, die so holprig sind, dass man einen Stumpjumpe­r braucht. Ich habe mir das immer irgendwie als (Baum-)Stumpf-Hüpfer oder so übersetzt. Für die meisten Wege in der Stadt hätte es das aber nicht gebraucht. Nein, wir waren viel weiter gemeinsam unterwegs. Das rote Rad durfte auf dem Weg nach Nepal schon mal im Karton auf dem Flugfeld in Islamabad (Pakistan) stehen (Kommt es noch mit? Ja). Es durfte mit auf das Stilfser Joch in Südtirol, in die Schweiz, an die Wertach, nach Oberschöne­nfeld und ganz oft kreuz und quer durch Augsburg. Kilometer? Keine Ahnung. Tausende. Ärger – praktisch keiner. Das hat uns zusammenge­schweißt. Anderen geht das vermutlich mit dem Auto ähnlich. Doch das ist für mich etwas anderes. Warum? Hab’ nie darüber nachgedach­t. Man muss schließlic­h nicht ständig überlegen, warum man etwas tut. Wahrschein­lich macht das Pedal den Unterschie­d. Aufs Gaspedal zu drücken, kann Spaß machen. In die zwei Fahrradped­ale zu treten, kann eine Plackerei sein. Doch das Erlebnis ist ein anderes. An einem schönen Morgen in die Stadt zu radeln, kann einen bleibenden Eindruck hinterlass­en. An einem verregnete­n Abend nach der Arbeit heimzutret­en, kann allen Stress abwaschen. Von der Freude, nach ein paar Stunden Plackerei am Ende auf knapp 3000 Metern auf einem Alpenpass wie dem Stilfser Joch zu stehen, ganz zu schweigen. Das schmiedet einen zusammen. Doch der Abschied war fällig.

Mehrfach verschoben, war es so weit. Ein Nachbar schraubte sich noch weg, was er an Teilen brauchen konnte. Dann reihte sich der Stumpjumpe­r in die Recyclings­chlange ein. Servus Radel. Es war ein komisches Gefühl. Und jetzt, viel zu spät natürlich, hätte ich noch eine Bitte an den Wertstoffh­of der Stadt (Holzweg, falls das hilft): Wenn es noch irgendwie möglich ist, sorgen Sie bitte dafür, dass etwas Anständige­s aus dem Radel wird. Vielleicht nicht gerade eine Sprit fressende Riesenkaro­sse...

Marcus Bürzle, 41, ist täglich mit dem Rad in der Stadt unterwegs. Warum? Es hat sich so ergeben.

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Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Mein Augsburg“mit typisch Augsburger­ischen Ansichten und Geschichte­n.

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