Wenn der Zeugwart sondiert
Politiker bedienen sich gerne sportlicher Worthülsen, wollen sie sich verständlich machen. Mitgliedern anderer Fraktionen wird gerne vorgeworfen, sie hätten sich mit diesem oder jenem Vorschlag „ins Abseits gestellt“. Wenn einem Parteifreund mal spitze Widerworte auf die Einlassungen des politischen Gegners gelingen, so spricht man von „einem gelungenen Konter“.
Wechselseitig hingegen hat sich die Sprache der Roten und Grünen, der Hinterbänkler und Minister kaum auf den Rasenplätzen, den Courts und Eisflächen breitgemacht. Treffen sich Rummenigge und Hoeneß auf ein Weißbier, ist das keine Fraktionssitzung. Zu schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen wird es auch nicht kommen. Beide Farben sind seit Jahr und Tag friedlich im Wappen der Dortmunder Borussia vereint.
Nun aber drängt eine Vokabel druckvoll aus der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft hin zu Bällen, Pucks und Schlägern: Sondierungsgespräche. Zu solchen treffen sich seit Wochen die Kapitäne und Führungsspieler der halbwegs koalitionswilligen Verei..., Pardon: Parteien.
Sondieren bedeutet ja nichts anderes, als mal abzuchecken, was so geht. Die Lage zu erkunden. Vor allem im Fußball, der sich seit geraumer Zeit einen immer akademischeren Anstrich gibt, wird wohl auch bald sondiert werden. Vom Masseur die Muskeln des Spielers. Vom Zeugwart der Verhau in der Wäschekammer. Vom Spielmacher die freien Räume in der gegnerischen Hälfte. Und nicht zuletzt treffen sich Manager mit potenziellen Neuzugängen künftig nicht mehr zu schnöden Transferverhandlungen, sondern eben zu: Sondierungsgesprächen.
Ebensolche könnten auch in naher Zukunft auf Boris Becker zukommen. Der verschuldete ehemalige Tennisprofi versuchte unlängst, sich bei einem Pokerturnier in eine bessere Lage für die Sondierungsgespräche mit seinen Gläubigern zu bringen. Der Versuch misslang. Darüber aber sollte sich Becker nicht allzu sehr grämen. Ihm steht weiterhin alles offen. Ein Comeback ist immer noch der Deutschen Lieblingsmotiv. In Politik und Sport.