Friedberger Allgemeine

Von Jahrhunder­ttalent will er nichts wissen

Kit Armstrong wird als Musiker gefeiert. Ihn reizt vor allem das Komponiere­n

- Interview: Christoph Forsthoff

Herr Armstrong, Sie sind 25 Jahre alt und werden auf den Podien dieser Welt als brillanter Pianist gefeiert. Sie haben zwischenze­itlich Ihr Mathematik­studium abgeschlos­sen, sich im Selbststud­ium perfekt die deutsche Sprache beigebrach­t und für Ihre Alben eigene Kompositio­nen eingespiel­t. Was macht einen Jahrhunder­tkünstler aus?

Kit Armstrong: Ich finde diesen Begriff ziemlich bedeutungs­los. In einem Jahrhunder­t gibt es so viele Künstler, die etwas zu sagen gehabt haben. Ich bin kein Anhänger des Kultes vom genialen Menschen. Empfinden Sie es als Last, dass Alfred Brendel Sie einen Jahrhunder­tkünstler genannt hat?

Armstrong: Es ist das erste Mal, dass ich das höre. Vielleicht frage ich ihn bei unserer nächsten Begegnung, was er damit gemeint hat. (lacht) Gidon Kremer hat in seinen „Briefen an eine junge Pianistin“geschriebe­n, „entscheide­nd für die Karriere wird das Know-how, wie man seine Begabung am besten verkauft. Dass man seine Seele gleich mitverkauf­t, merken nur wenige“– sehen Sie diese Gefahr auch?

Armstrong: Bei mir mischt sich niemand ein. Wenn ich über die Musik oder meine Karriere nachdenke, heißt das für mich, Partituren zu lesen, Zusammenhä­nge zu entdecken oder neue Projekte zu entwickeln.

Sie verkaufen also Ihre Seele nicht? Armstrong: Vielleicht habe ich meine Seele schon verkauft, aber ich merke es nicht (lacht) …

Nach den ersten Erfolgen haben Sie nicht auf den schnellen Ruhm gesetzt, sondern Ihr Mathematik-Studium abgeschlos­sen - was fasziniert Sie als Künstler an der Mathematik? Armstrong: Die Mathematik hat genauso eine Seele wie die Musik. Man braucht Intuition, Begeisteru­ng und einen Sinn für das Schöne.

Spaß bereitet Ihnen auch das Komponiere­n. In Augsburg ist Ihr Konzert für Hammerklav­ier zu hören. Schon als Kind haben Sie komponiert – erinnern Sie sich, was Sie gereizt hat? Armstrong: Nein, diese Gefühle sind verblasst – geblieben ist die Musik, die ich geschriebe­n habe. Jüngst habe ich in einem Karton mit meinen ersten Kompositio­nen entdeckt. Ich freue mich schon darauf, mir diese Werke wieder anzuschaue­n, in die Gefühle jener Zeit einzutauch­en.

Spreche ich mit dem Pianisten oder dem Komponiste­n?

Armstrong: In erster Linie bin ich Musiker und in zweiter Linie Pianist – davon war ich schon immer überzeugt. Der Musiker arbeitet mit Klangvorst­ellungen und noch nicht verwirklic­hten Ideen – der Pianist schafft daraus etwas mit dem Klavier. Insofern ist es uninteress­ant, die pianistisc­he Technik zu studieren, weil es eine leere Hülle ist.

Vor einigen Jahren haben Sie gesagt, es sei nur einer Kette von Zufällen zu verdanken, dass Sie Musiker geworden seien. Es sei fraglich, ob es sich dabei um eine endgültige Entscheidu­ng handle … Armstrong: … damals hatte ich noch keine endgültige Entscheidu­ng getroffen.

Ist es für Sie vorstellba­r, in zehn Jahren den Lebensabsc­hnitt als Musiker zu beenden und sich etwas anderem zuzuwenden?

Armstrong: Mein jetziger Lebensabsc­hnitt ist sehr erfüllend – und wird auch im Rückblick immer sehr erfüllend gewesen sein. Was danach passiert, woher soll ich das wissen? Konzert Kit Armstrong tritt am morgi gen Sonntag, 12. November, um 19 Uhr in evangelisc­h Heilig Kreuz in Augs burg auf.

● Kit Armstrong ist 1992 in Los Angeles geboren. Seine Mutter stammt aus Taiwan, sein Vater aus England. Klavierunt­erricht bekam er als 13 Jähriger von Alfred Brendel.

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Kit Armstrong

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