Von Jahrhunderttalent will er nichts wissen
Kit Armstrong wird als Musiker gefeiert. Ihn reizt vor allem das Komponieren
Herr Armstrong, Sie sind 25 Jahre alt und werden auf den Podien dieser Welt als brillanter Pianist gefeiert. Sie haben zwischenzeitlich Ihr Mathematikstudium abgeschlossen, sich im Selbststudium perfekt die deutsche Sprache beigebracht und für Ihre Alben eigene Kompositionen eingespielt. Was macht einen Jahrhundertkünstler aus?
Kit Armstrong: Ich finde diesen Begriff ziemlich bedeutungslos. In einem Jahrhundert gibt es so viele Künstler, die etwas zu sagen gehabt haben. Ich bin kein Anhänger des Kultes vom genialen Menschen. Empfinden Sie es als Last, dass Alfred Brendel Sie einen Jahrhundertkünstler genannt hat?
Armstrong: Es ist das erste Mal, dass ich das höre. Vielleicht frage ich ihn bei unserer nächsten Begegnung, was er damit gemeint hat. (lacht) Gidon Kremer hat in seinen „Briefen an eine junge Pianistin“geschrieben, „entscheidend für die Karriere wird das Know-how, wie man seine Begabung am besten verkauft. Dass man seine Seele gleich mitverkauft, merken nur wenige“– sehen Sie diese Gefahr auch?
Armstrong: Bei mir mischt sich niemand ein. Wenn ich über die Musik oder meine Karriere nachdenke, heißt das für mich, Partituren zu lesen, Zusammenhänge zu entdecken oder neue Projekte zu entwickeln.
Sie verkaufen also Ihre Seele nicht? Armstrong: Vielleicht habe ich meine Seele schon verkauft, aber ich merke es nicht (lacht) …
Nach den ersten Erfolgen haben Sie nicht auf den schnellen Ruhm gesetzt, sondern Ihr Mathematik-Studium abgeschlossen - was fasziniert Sie als Künstler an der Mathematik? Armstrong: Die Mathematik hat genauso eine Seele wie die Musik. Man braucht Intuition, Begeisterung und einen Sinn für das Schöne.
Spaß bereitet Ihnen auch das Komponieren. In Augsburg ist Ihr Konzert für Hammerklavier zu hören. Schon als Kind haben Sie komponiert – erinnern Sie sich, was Sie gereizt hat? Armstrong: Nein, diese Gefühle sind verblasst – geblieben ist die Musik, die ich geschrieben habe. Jüngst habe ich in einem Karton mit meinen ersten Kompositionen entdeckt. Ich freue mich schon darauf, mir diese Werke wieder anzuschauen, in die Gefühle jener Zeit einzutauchen.
Spreche ich mit dem Pianisten oder dem Komponisten?
Armstrong: In erster Linie bin ich Musiker und in zweiter Linie Pianist – davon war ich schon immer überzeugt. Der Musiker arbeitet mit Klangvorstellungen und noch nicht verwirklichten Ideen – der Pianist schafft daraus etwas mit dem Klavier. Insofern ist es uninteressant, die pianistische Technik zu studieren, weil es eine leere Hülle ist.
Vor einigen Jahren haben Sie gesagt, es sei nur einer Kette von Zufällen zu verdanken, dass Sie Musiker geworden seien. Es sei fraglich, ob es sich dabei um eine endgültige Entscheidung handle … Armstrong: … damals hatte ich noch keine endgültige Entscheidung getroffen.
Ist es für Sie vorstellbar, in zehn Jahren den Lebensabschnitt als Musiker zu beenden und sich etwas anderem zuzuwenden?
Armstrong: Mein jetziger Lebensabschnitt ist sehr erfüllend – und wird auch im Rückblick immer sehr erfüllend gewesen sein. Was danach passiert, woher soll ich das wissen? Konzert Kit Armstrong tritt am morgi gen Sonntag, 12. November, um 19 Uhr in evangelisch Heilig Kreuz in Augs burg auf.
● Kit Armstrong ist 1992 in Los Angeles geboren. Seine Mutter stammt aus Taiwan, sein Vater aus England. Klavierunterricht bekam er als 13 Jähriger von Alfred Brendel.