Wenn die Schatten der Vergangenheit zurückkehren
Schauspiel Diana Körner und Max Volkert Martens glänzen in dem Drama „Ohne Gesicht“
Mit herkömmlicher Krimispannung hat das Zwei-Personen-Stück „Ohne Gesicht“, das in der Stadthalle Neusäß zur Aufführung kam, nicht viel zu tun. Hier geht es nicht um vordergründige Verbrecherjagd, sondern um ein fesselndes Spiel mit wechselnden Identitäten. Geschrieben hat es Irene Ibsen Bille (1901–1985), eine Enkelin des großen norwegischen Dramatikers Henrik Ibsen. Deren eigene Identität wurde, wie sie selbst bekannte, zeitlebens vom übergroßen Schatten des Großvaters beeinflusst.
Die Qualitäten dieses 1952 entstandenen Schauspiels brachte die Aufführung des Münchner a.gon Theaters in der Inszenierung von Stefan Zimmermann vorbildhaft zur Geltung. Maßgeblichen Anteil daran hatte das in großer Form agierende Protagonisten-Duo. Diana Körner und Max Volkert Martens waren perfekt besetzt als Ehepaar Demalènes, welches in einer gediegenen Hotelsuite einen runden Geburtstag zu feiern plant (Bühnenbild: Claudia Weinhart).
Jahrelang führten der erfolgreiche Unternehmer Vincent und seine Ehefrau Louise ein offensichtlich sorgloses Leben, geprägt von Kindern und gesellschaftlicher Anerkennung. Aber die Schatten der Vergangenheit – ein 15 Jahre zurückliegender Autounfall, bei dem Vincents Zwillingsbruder Thomas getötet worden sein soll – holen das vermeintlich glückliche Paar ein: Es offenbart sich nämlich, dass es nicht der wohlhabende Vincent war, sondern der mittellose Thomas, der den Unfall mit Gedächtnisverlust überlebt und danach die Identität des Bruders angenommen hat. Während Thomas das düstere Geheimnis um jeden Preis lüften möchte, um mit sich selbst ins Reine zu kommen, unternimmt Louise alles, um den ihr genehmen Status quo erhalten zu können. „Um dich lieben zu können“, ruft Thomas ihr verzweifelt zu, „musst du mich mit meinem Namen anerkennen“, was sie aber letztlich ablehnt, sodass ein hochdramatisches Finale unvermeidlich ist.
Wenn Vollblutmimen wie Diana Körner und Max Volkert Martens sich eines solchen Stoffes annehmen und die Abgründe der Charaktere, deren Lebenslügen, Zerrissenheit und Verzweiflung meisterlich herausarbeiten, entsteht daraus ein spannendes Schauspielerduell. Das intensive Spiel der beiden Akteure und die kompakte Inszenierung wurden in Neusäß mit stürmischem Beifall angemessen gewürdigt.