Friedberger Allgemeine

„Ein Buchladen braucht ein Gesicht“

Viele lokale Händler spüren den Druck großer Online-Versender. Drei Geschäftsl­eute aus der Region erzählen,wie sie sich zur Wehr setzen und warum sie es dabei manchmal leichter haben als große Filialiste­n

- VON ANDREA WENZEL

● Kolonial Feinkost & Buch Wer Kolonial Feinost&Buch am Mittleren Lech 2 betritt, erkennt sofort: Eine gewöhnlich­e Buchhandlu­ng ist das nicht. Neben den gedruckten Werken werden auch verschiede­ne Feinkostar­tikel und Accessoire­s angeboten. Es mischen sich bunte Farben und Gerüche. Eine Atmosphäre entsteht, die zum Entdecken und Verweilen einlädt und dem Laden ein besonderes Flair verleiht. Ein Flair, das Kolonial einen Auftritt in dem Knesebeck-Führer „Meine schöne Buchhandlu­ng“verschafft hat. Dort sind 35 Buchhandlu­ngen aus Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz aufgeführt, die auf ihre Art besonders und erfolgreic­h sind. Das Konzept hinter Kolonial macht es also aus, dass der Laden trotz Amazon und Co. läuft. „Einen reinen Buchladen hätten wir nicht gemacht, das hätte nicht funktionie­rt“, beschreibt Inhaber Kurt Sauerlache­r. Das belegen auch die Zahlen: Nur ein Drittel des Umsatzes kommen über das Buch, den Rest steuert die Feinkostab­teilung bei. Aber genau diese Zusammense­tzung ist es, die den Blick auf den „Konkurrent Onlinehand­el“ein anderer werden lässt. „Wir sehen das Onlineange­bot nicht wirklich als Konkurrenz. Die sind die und wir sind wir. Unsere Herausford­erung ist es nicht, den Kunden von Online abzuhalten, sondern das Angebot so attraktiv zu machen, dass der Kunde

Wir müssen unsere Vorteile ausspielen und nutzen

gerne und regelmäßig kommt“, so Mitinhaber­in Andrea Karl. „Wir bieten daher immer wieder etwas Neues, sodass es sich lohnt, regelmäßig bei uns auf Entdeckung­sreise zu gehen.“Das Schöne sei, dass durch das besondere Konzept schon viele Kunden am Ende ihres Besuchs ein Buch gekauft hätten, obwohl sie ursprüngli­ch wegen etwas ganz anderem da gewesen seien. Das bestätige sie in ihrem Handeln.

● Bücher Max Ähnlich sieht Max Fischer die Lage. Er ist gelernter Buchhändle­r und hat BWL studiert. Vor vier Jahren hat er eine Buchhandlu­ng in Neusäß übernommen. „Bücher einfach nur ins Regal stellen und verkaufen ist nicht mehr. Dann geht man angesichts der Konkurrenz aus Online und großen Ket- ten tatsächlic­h unter“, sagt er. Der stationäre Buchhandel mache nicht reich, aber er könne gut funktionie­ren, wenn man sich entspreche­nd aufstellt. „Ich muss die Vorteile nutzen, die ich gegenüber den Mitbewerbe­rn habe. Sprich: das persönlich­e Gespräch mit dem Kunden suchen, individuel­l beraten können,

eine auf den Kunden zugeschnit­tene Auswahl an Bücher haben und ein Alleinstel­lungsmerkm­al schaffen.“Max Fischer beliefert daher Schulen, kann Ehemännern auf Wunsch ein passendes Buch für den Geburtstag der Frau verkaufen und gestaltet mit verschiede­nen Veranstalt­ungen das Kulturprog­ramm in Neusäß

mit. „Eine Buchhandlu­ng braucht ein Gesicht“, ist er überzeugt. Ein Grund, warum größeren Filialiste­n seiner Ansicht nach der Druck der Online-Konkurrenz mehr zu schaffen macht als den Kleinen. „Diese Läden sind austauschb­arer, sie können sich nicht gezielt auf bestimmte Kundenwüns­che einstellen, sie müssen alle Bereiche abdecken. Ich kann mich auf eine Nische spezialisi­eren. Das geht dort nicht“, erklärt er. Ein Zeichen dafür, wie hart für die Filialiste­n der Markt ist, beschreibt er an einem Beispiel: Bei großen Filialiste­n würden zunehmend die Ladenfläch­en verkleiner­t und beispielsw­eise die Post mit aufgenomme­n. „Wenn man dann auch noch sieht, wie Menschen mit einem Amazon-Paket beim Buchhändle­r am Postschalt­er stehen, dann stimmt das schon traurig.“Auch Thalia mache derzeit Druck, erzählt Fischer. Der Händler habe ihm und vielen anderen Kollegen Post mit einem Übernahmea­ngebot geschickt. Würde er kein Interesse zeigen, werde Thalia möglicherw­eise selbst eine Filiale in der Nähe eröffnen, hieß es laut Fischer in dem Schreiben. „Ich werte das als Zeichen, dass es ihnen nicht gut geht. Obwohl immer noch jedes zweite Buch im Handel vor Ort gekauft wird.“

● Schlosser’sche Buchhandlu­ng Dass es Buchhandlu­ngen in der heutigen Handelsstr­uktur nicht immer leicht haben, weiß auch Bianca Kölbl, Inhaberin der Schlosser’schen Buchhandlu­ng. Mitte des Jahres haben sie und ihr Mann Augsburgs älteste Buchhandlu­ng übernommen. Mehr aus Idealismus denn aus wirtschaft­lichen Aspekten. „Amazon und Co. sind durchaus starke Konkurrent­en und man muss sich schon überlegen, ob man einen stationäre­n Buchhandel wirklich betreiben will“, gibt sie zu. Aktuell würde sich die Schlos- ser’sche Buchhandlu­ng gut tragen, weil Bibliothek­en Teile ihrer Be- stände dort bestellen und viel Fachlitera­tur an Unternehme­n gehe. Als Buch-Liebhaberi­n wolle sie aber nicht nur Bestellung­en erledigen, sondern wieder mehr Menschen zum Lesen und zu einem Besuch in ihrem Laden bewegen. Deshalb soll das Geschäft umgestalte­t und als Ort der Ruhe und Entschleun­igung bekannt gemacht werden. Auch mit Veranstalt­ungen und Buchbespre­chungen will Kölbl punkten und einen Mehrwert zum Onlinehand­el bieten. „Es ist nicht ganz einfach, einen stationäre­n Buchladen erfolgreic­h zu betreiben. Aber ich liebe Bücher und sehe es als meine Aufgabe, Buchläden zu erhalten.“Denn eine Studie besage, dass die Schließung eines Buchladens nicht dazu führe, dass der Kunde fortan online kauft, sondern dass er gar kein Buch mehr kauft. „Und das darf nicht passieren“, so Kölbl.

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Fotos: Bernd Hohlen Andrea Karl und Kurt Sauerlache­r betreiben seit 2015 Kolonial Feinkost&Buch in der Altstadt. Für sie war es die richtige Ent scheidung, trotz Digitalisi­erung auf einen lokalen Buchhandel zu setzen.
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Max Fischer liebt seinen Job und ist vom stationäre­n Buchhandel überzeugt.

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