Wenn aus Dörfern Stadtteile werden
Ortsentwicklung In Derching ist anstelle eines Bauernhofs eine Anlage mit 32 Wohnungen geplant. Dieser Verlust traditioneller Strukturen missfällt der Stadt – doch hat sie eine Handhabe dagegen?
Friedberg Können die Reste der dörflichen Struktur in den Friedberger Stadtteilen noch geschützt werden? Mit dieser Frage musste sich der Planungs- und Umweltausschuss des Stadtrats in seiner jüngsten Sitzung auseinandersetzen. Anlass war der Bauantrag eines Derchinger Landwirts, der seinen Betrieb innerorts nicht mehr erweitern kann und darum aussiedeln möchte.
Auf seiner bisherigen Hofstelle an der Bürgermeister-SchlickenriederStraße will er neben dem verbleibenden Wohnhaus vier weitere Gebäude mit jeweils acht Wohnungen errichten. Ein Plan, der den Ausschussmitgliedern nicht gefiel. Sie fürchten, dass damit ein weiteres Stück des ohnehin nur noch in Resten vorhandenen ländlichen Charakters von Derching verloren geht. beauftragten darum die Verwaltung, mit dem Eigentümer zu verhandeln. Kommt es zu keiner Einigung im Sinne der Stadt, steht ein langwieriges Bebauungsplanverfahren samt Veränderungssperre im Raum, das alle Vorhaben auf Jahre hinaus blockiert.
Es ist nicht das erste Vorhaben dieser Art im alten Derchinger Ortskern: Erst 2016 hatte die Stadt auf dem wenige Meter entfernten Grundstück des ehemaligen Gasthofs zur Post ein vergleichbares Projekt erst genehmigt, nachdem der Bauherr seine ursprüngliche Planung reduziert hatte. Auch damals zeigte sich der Ausschuss entschlossen, nötigenfalls einen Bebauungsplan aufzustellen. Dabei wären sowohl dieser wie der aktuelle Antrag genehmigungsfähig, weil es in der Nachbarschaft bereits eine ähnlich dichte Bebauung gibt.
„Es kann nicht sein, dass alle Hofstellen abgerissen und durch Wohngebäude ersetzt werden“, sagte Baureferent Carlo Haupt. Städtebauliches Ziel müsse sein, die dörfliche Struktur und damit auch die Identität zu erhalten. „Jetzt ist es genauso gekommen, wie wir es befürchtet haben“, erinnerte Manfred Losinger (CSU) an die Diskussion vor knapp zwei Jahren. „Wir wollen nicht, dass alle unsere Ortsteile künftig so aussehen.“Wolfgang Rockelmann (Parteifreie Bürger) wies darauf hin, dass es nach Informationen der Ortssprecherin Rosemarie Krendlinger wohl bald in dieser Form weitergehen werde in Derching.
Die Verwaltung soll darum nun einen Geltungsbereich für den neuen Bebauungsplan vorschlagen, der über das fragliche Grundstück an der Bürgermeister-SchlickenriederSie Straße hinausgeht und künftige, ähnlich gelagerte Fälle mitabdecken kann. Ziel soll es sein, die Ortsstruktur in der Maßstäblichkeit der Gebäude zu erhalten, die Anzahl der Wohneinheiten zu begrenzen und den ruhenden Verkehr und die Flächenversiegelung zu regeln.
Aber was gibt es überhaupt noch zu schützen? „Außer der Kirche gibt es doch wenig Erhaltungswürdiges entlang der BürgermeisterSchlickenrieder-Straße“, fand Johannes Hatzold (FW): „Beim Wettbewerb ,Unser Dorf soll schöner werden‘ wird Derching keinen Preis gewinnen.“Marion Brülls (Grüne) forderte, die Ortsentwicklungskonzepte anzugehen, damit Friedbergs Stadtteile nicht zu Trabantenschlafstädten werden.
Auch Bürgermeister Roland Eichmann (SPD) sieht – anders als im vorangegangenen Fall beim Gasthof zur Post – nun die Notwendigkeit eines Bebauungsplans für den Derchinger Ortskern, der auch ein Signal an alle anderen Besitzer von Hofstellen sei. „Wir können aus städtebaulicher Sicht gar nicht anders“, sagte er. Die Stadt sei nicht bereit, das alles an sich vorüberziehen zu lassen.
„Das wird nicht einfach sein“, fürchtete Roland Fuchs (SPD): „Wir haben diese Strukturen ja bereits gebrochen.“Thomas Kleist (CSU) sieht ebenfalls ein schwieriges Unterfangen. Er will darum in einer der nächsten Sitzungen Informationen darüber, welche Mittel die Stadt überhaupt in der Hand hat. Für ihn steht die Entwicklung fest: Die landwirtschaftlichen Betriebe werden immer weniger, und Friedbergs Dörfer verwandeln sich damit zu Stadtteilen, in denen Wohnen angesagt ist.