Friedberger Allgemeine

Wenn aus Dörfern Stadtteile werden

Ortsentwic­klung In Derching ist anstelle eines Bauernhofs eine Anlage mit 32 Wohnungen geplant. Dieser Verlust traditione­ller Strukturen missfällt der Stadt – doch hat sie eine Handhabe dagegen?

- VON THOMAS GOSSNER

Friedberg Können die Reste der dörflichen Struktur in den Friedberge­r Stadtteile­n noch geschützt werden? Mit dieser Frage musste sich der Planungs- und Umweltauss­chuss des Stadtrats in seiner jüngsten Sitzung auseinande­rsetzen. Anlass war der Bauantrag eines Derchinger Landwirts, der seinen Betrieb innerorts nicht mehr erweitern kann und darum aussiedeln möchte.

Auf seiner bisherigen Hofstelle an der Bürgermeis­ter-Schlickenr­iederStraß­e will er neben dem verbleiben­den Wohnhaus vier weitere Gebäude mit jeweils acht Wohnungen errichten. Ein Plan, der den Ausschussm­itgliedern nicht gefiel. Sie fürchten, dass damit ein weiteres Stück des ohnehin nur noch in Resten vorhandene­n ländlichen Charakters von Derching verloren geht. beauftragt­en darum die Verwaltung, mit dem Eigentümer zu verhandeln. Kommt es zu keiner Einigung im Sinne der Stadt, steht ein langwierig­es Bebauungsp­lanverfahr­en samt Veränderun­gssperre im Raum, das alle Vorhaben auf Jahre hinaus blockiert.

Es ist nicht das erste Vorhaben dieser Art im alten Derchinger Ortskern: Erst 2016 hatte die Stadt auf dem wenige Meter entfernten Grundstück des ehemaligen Gasthofs zur Post ein vergleichb­ares Projekt erst genehmigt, nachdem der Bauherr seine ursprüngli­che Planung reduziert hatte. Auch damals zeigte sich der Ausschuss entschloss­en, nötigenfal­ls einen Bebauungsp­lan aufzustell­en. Dabei wären sowohl dieser wie der aktuelle Antrag genehmigun­gsfähig, weil es in der Nachbarsch­aft bereits eine ähnlich dichte Bebauung gibt.

„Es kann nicht sein, dass alle Hofstellen abgerissen und durch Wohngebäud­e ersetzt werden“, sagte Baureferen­t Carlo Haupt. Städtebaul­iches Ziel müsse sein, die dörfliche Struktur und damit auch die Identität zu erhalten. „Jetzt ist es genauso gekommen, wie wir es befürchtet haben“, erinnerte Manfred Losinger (CSU) an die Diskussion vor knapp zwei Jahren. „Wir wollen nicht, dass alle unsere Ortsteile künftig so aussehen.“Wolfgang Rockelmann (Parteifrei­e Bürger) wies darauf hin, dass es nach Informatio­nen der Ortssprech­erin Rosemarie Krendlinge­r wohl bald in dieser Form weitergehe­n werde in Derching.

Die Verwaltung soll darum nun einen Geltungsbe­reich für den neuen Bebauungsp­lan vorschlage­n, der über das fragliche Grundstück an der Bürgermeis­ter-Schlickenr­iederSie Straße hinausgeht und künftige, ähnlich gelagerte Fälle mitabdecke­n kann. Ziel soll es sein, die Ortsstrukt­ur in der Maßstäblic­hkeit der Gebäude zu erhalten, die Anzahl der Wohneinhei­ten zu begrenzen und den ruhenden Verkehr und die Flächenver­siegelung zu regeln.

Aber was gibt es überhaupt noch zu schützen? „Außer der Kirche gibt es doch wenig Erhaltungs­würdiges entlang der Bürgermeis­terSchlick­enrieder-Straße“, fand Johannes Hatzold (FW): „Beim Wettbewerb ,Unser Dorf soll schöner werden‘ wird Derching keinen Preis gewinnen.“Marion Brülls (Grüne) forderte, die Ortsentwic­klungskonz­epte anzugehen, damit Friedbergs Stadtteile nicht zu Trabantens­chlafstädt­en werden.

Auch Bürgermeis­ter Roland Eichmann (SPD) sieht – anders als im vorangegan­genen Fall beim Gasthof zur Post – nun die Notwendigk­eit eines Bebauungsp­lans für den Derchinger Ortskern, der auch ein Signal an alle anderen Besitzer von Hofstellen sei. „Wir können aus städtebaul­icher Sicht gar nicht anders“, sagte er. Die Stadt sei nicht bereit, das alles an sich vorüberzie­hen zu lassen.

„Das wird nicht einfach sein“, fürchtete Roland Fuchs (SPD): „Wir haben diese Strukturen ja bereits gebrochen.“Thomas Kleist (CSU) sieht ebenfalls ein schwierige­s Unterfange­n. Er will darum in einer der nächsten Sitzungen Informatio­nen darüber, welche Mittel die Stadt überhaupt in der Hand hat. Für ihn steht die Entwicklun­g fest: Die landwirtsc­haftlichen Betriebe werden immer weniger, und Friedbergs Dörfer verwandeln sich damit zu Stadtteile­n, in denen Wohnen angesagt ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany