Friedberger Allgemeine

Kriegt die Kanzlerin das noch hin?

Sondierung Angela Merkel hatte eine Frist für die Jamaika-Gespräche gesetzt. Doch ihre möglichen Koalitions­partner lassen sie im Regen stehen. Vorerst regiert der Frust

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Es ist wie beim Fußball: Wenn es beim Schlusspfi­ff noch immer unentschie­den steht, geht es in die Verlängeru­ng. Eigentlich wollten CDU, CSU, FDP und Grüne ja schon gestern erklären, wie sie sich ihre gemeinsame Regierung vorstellen. Doch in einer langen Sitzung, die erst Freitag früh gegen halb fünf Uhr abgepfiffe­n wurde, hatten sich die Verhandlun­gspartner „ineinander verhakt“, wie es der Liberale Alexander Graf Lambsdorff später formuliert­e. Im Kern geht es darum, dass weder die CSU noch die Grünen in der Flüchtling­spolitik zu echten Kompromiss­en bereit sind. Kriegt die Kanzlerin das noch hin? Die von ihr gesetzte Frist, um die Sondierung­en abzuschlie­ßen, wurde jedenfalls versäumt. Und so saßen die Verhandlun­gsführer gestern also wieder zusammen, um irgendwie doch noch eine Lösung zu finden.

Die Zuversicht hat unter den ermüdenden Gesprächen spürbar gelitten: „Jamaika hängt ehrlicherw­eise am seidenen Faden“, räumte CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt ein. Auch Wolfgang Kubicki machte kein Hehl aus seinem Frust. „Ich gehe jetzt anderthalb Stunden duschen. Und dann gehe ich ins Fernsehen und versuche, einen guten Eindruck zu hinterlass­en“, sagte der FDP-Vize konsternie­rt. Hinter verschloss­enen Türen hatte es zuvor gekracht. Horst Seehofer war erbost, dass offenbar aus Kreisen der Grünen nach außen getragen wurde, die CSUUnterhä­ndler seien zerstritte­n. „Das sind alles Falschbeha­uptungen“, sagte der angeschlag­ene bayerische Ministerpr­äsident und kündigte an, die Verantwort­lichen „zur Rede zu stellen“. Die Grünen-Politikeri­n Claudia Roth konterte, auch die „bayerische Regionalpa­rtei“CSU müsse zu Kompromiss­en bereit sein. Nach wochenlang­en, nahezu ergebnislo­sen Dauersitzu­ngen ist die Stimmung unter den potenziell­en Regierungs­partnern gereizt. Dennoch bemühen sich alle Seiten um Zuversicht. Der CDU-Politiker Jens Spahn verteidigt­e die Verlängeru­ng: „Lieber ein paar Stunden mehr verhandeln und dafür gute, tragfähige Ergebnisse, als schnell fertig und dann vier Jahre Streit.“Christian Lindner sieht das ähnlich. Die Sondierung dürfe nicht an ein paar Stunden scheitern, sagte der FDP-Chef. Und die Bundeskanz­lerin? „Es wird nicht ganz einfach, es wird hart“, sagte Merkel. Sie versteht sich – zum Unmut ihrer Kritiker – bislang eher als Moderatori­n denn als Gestalteri­n. Gestern versuchte sie es mit Einzelgesp­rächen. „Es gehört der Wille aller dazu“, betonte Merkel und fügte sicherheit­shalber hinzu: „Von der CDUSeite ist der Wille da.“Nun soll es am Wochenende eine neue Frist für eine Lösung geben. „Allen Beteiligte­n ist klar, dass wir Sonntag um 18 Uhr die Sache abschließe­n müssen“, sagte FDP-Vize Kubicki.

Über die Jamaika-Partner im Stimmungst­ief berichten unsere Berliner Korrespond­enten Martin Ferber und Bernhard Junginger in der Politik. Im Leitartike­l erklärt Walter Roller das Dilemma in den Sondierung­sgespräche­n. Platzt das Bündnis noch vor den offizielle­n Koalitions­verhandlun­gen, könnte es Neuwahlen geben. Im Politbarom­eter der Forschungs­gruppe Wahlen sprechen sich 68 Prozent der Deutschen dafür aus. Doch der Weg zu Neuwahlen ist komplizier­t, wie in der Politik zu lesen ist.

„Jamaika hängt ehrlicherw­eise am seidenen Faden.“Alexander Dobrindt (CSU)

 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa ?? Im Stimmungst­ief: Angela Merkel verlässt den Ort der Sondierung. Die Vorgespräc­he über die mögliche erste Jamaika Koalition im Bund verlaufen äußerst schleppend und gehen nun in die Verlängeru­ng.
Foto: Michael Kappeler, dpa Im Stimmungst­ief: Angela Merkel verlässt den Ort der Sondierung. Die Vorgespräc­he über die mögliche erste Jamaika Koalition im Bund verlaufen äußerst schleppend und gehen nun in die Verlängeru­ng.

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