Wenn die Sondierung platzt…
Einfach neu wählen? Das ist leicht gesagt
Augsburg Je länger sich die Gespräche über eine Jamaika-Koalition in der vergangenen Woche hinzogen, umso heftiger wurde auch über die einzige realistische Alternative dazu spekuliert – eine Neuwahl. Das aber ist komplizierter, als es klingt; anders als Parlamente in anderen Ländern kann der Bundestag sich bei Bedarf nicht einfach selbst auflösen. Zu einer vorgezogenen Neuwahl führen in Deutschland nur zwei Wege:
● Die verlorene Vertrauensfrage Diese Variante scheidet im aktuellen Fall aus. Seit der Bundestagswahl ist Angela Merkel nur noch geschäftsführend im Amt, das heißt: Sie kann dem neuen Bundestag die V-Frage gar nicht stellen, weil der ihr ja nie sein Vertrauen ausgesprochen hat. In der Geschichte der Republik hat es bislang fünf Vertrauensfragen gegeben: Willy Brandt 1972, Helmut Schmidt 1982, Helmut Kohl wenige Monate später und Gerhard Schröder 2001 und 2005. Im ersten Fall rang er dem Bundestag damit die Zustimmung zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ab, beim zweiten Mal verlor er die Vertrauensfrage mit Absicht, um eine Neuwahl zu ermöglichen.
● Die gescheiterte Kanzlerwahl
In diesem Szenario schlägt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem Bundestag Angela Merkel zur Wiederwahl vor. Verfehlt sie innerhalb von zwei Wochen zweimal die absolute Mehrheit, würde ihr im dritten Wahlgang auch die einfache Mehrheit reichen. Steinmeier hätte dann zwei Möglichkeiten: Er könnte sie zur Kanzlerin ernennen und so faktisch eine Minderheitsregierung inthronisieren – oder er löst den Bundestag auf, um mit einer Neuwahl innerhalb von 60 Tagen wieder stabile Verhältnisse zu erzwingen. Ein solcher Schritt nach Artikel 63 Grundgesetz wäre ein Novum, von dieser Möglichkeit wurde noch nie Gebrauch gemacht.