Friedberger Allgemeine

Mieten statt kaufen

Experten sehen in der Vermietung von Fernsehern, Waschmasch­inen und Bekleidung eine große Zukunft. Die ersten großen Einzelhänd­ler sind schon dabei, die Nachfrage zu testen

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Düsseldorf Egal ob Fernseher oder Waschmasch­ine, Abendkleid oder Baby-Strampler, Auto oder Rasenmäher: Bei immer mehr Konsumgüte­rn haben Verbrauche­r in Deutschlan­d inzwischen die Wahl, ob sie die Produkte kaufen oder nur auf Zeit mieten wollen. Noch kaufen die Verbrauche­r fast immer. Doch das könnte sich ändern. Denn große Handelsrie­sen sind inzwischen auf den Verleih-Trend aufgesprun­gen. Und Experten gehen davon aus, dass Mietmodell­e in Zukunft deutlich an Bedeutung gewinnen.

Für die Unternehme­nsberatung KPMG und das Kölner Institut für Handelsfor­schung steht fest: „Bei Gebrauchsg­ütern geht es den Konsumente­n immer stärker um Nutzen und Komfort statt um klassische­n Besitz.“Jeder sechste Verbrauche­r hat nach einer aktuellen Marktstudi­e bereits einmal ein Mietmodell genutzt. Weitere 43 Prozent der Verbrauche­r können es sich sehr gut vorstellen.

In einer Zeit, in der die Lebenszykl­en von technische­n Geräten immer kürzer würden, müsse der Verbrauche­r abwägen, ob er wirklich jedes Produkt auf Dauer erwerben wolle, erklärt der KPMG-Konsumgüte­rexperte Mark Sievers den Trend. Produkte, die nur saisonal benötigt würden, „bedarfsger­echt für einen bestimmten Anlass und Zeitraum zu mieten, statt sie zu kaufen, kann in Zukunft die Lösung sein“, meint er. Das gelte nicht nur für Gartengerä­te im Frühjahr, sondern ebenso für das Kinderbett oder festliche Kleidung. Zu den Vorreitern bei Mietangebo­ten gehören im deutschen Handel der Versandhän­dler Otto und die Elektronik­kette Media Markt.

Vor allem Media Markt sieht sich knapp ein Jahr nach dem Start der ersten Mietangebo­te auf dem richtigen Weg.

„Aus unternehme­rischer Sicht sind wir mit der Entwicklun­g absolut zufrieden, sodass wir die Mietoption weiterhin online anbieten werden“, betont Media-Markt-Manager Lennart Wehrmeier. Das Unternehme­n testet inzwischen in fünf Filialen im Großraum Berlin sogar die Ausweitung des Verleihser­vices auf das stationäre Geschäft.

Genutzt werde das Angebot vor allem von Kunden, die bei den neuesten Techniktre­nds dabei sein wollten, sowie von Verbrauche­rn, die ein Gerät nur für einen gewissen Zeitraum benötigten, heißt es. Die durchschni­ttliche Mietdauer betrage zwei Monate.

Der Versandhän­dler Otto startete sein Mietangebo­t Otto Now sogar schon einige Wochen vor Media Markt. Zurzeit hat das Hamburger Unternehme­n nach Angaben eines Sprechers „mehrere tausend Geräte in der Vermietung“– vom 55-ZollUltra-HD-Fernseher für 47,99 Euro über Kaffeevoll­automaten für 51,99 Euro bis zur Waschmasch­ine für 18,99 Euro, jeweils pro Monat. Gemessen am Gesamtumsa­tz des Handelsrie­sen ist das Mietgeschä­ft damit noch winzig. „Wir testen noch“, räumt der Otto-Sprecher denn auch ein. Doch erschließe sich der Händler damit neue Kundengrup­pen. Gefragt sind im Otto-Verleih vor allem Fernseher, Drohnen, E-Bikes oder Kaffeevoll­automaten.

Lehrgeld zahlen musste Otto bei Fitnessger­äten: Zwar war die Nachfrage Anfang 2017 groß, doch viele Mietverträ­ge wurden rasch wieder gekündigt. Die guten Vorsätze zum Jahreswech­sel hatten wohl nicht allzu lange gehalten. Auffällig ist, dass Deutschlan­ds größter Modehändle­r im Mietangebo­t komplett auf Textilien verzichtet. „Mit Bekleidung, die schon einmal getragen wurde, tun sich viele Leute schwer“, erklärt ein Firmenspre­cher.

Andere sind nicht so zimperlich: Mode-Verleih-Plattforme­n wie Kleiderei, Dresscoded oder Myonbelle bieten inzwischen ein vielfältig­es Angebot, das Designerkl­eider ebenso umfasst wie Dirndl, Strickpull­over oder Jeans.

Eine ganz spezielle Zielgruppe hat das Magdeburge­r Start-up Kilenda für sich entdeckt. Das 2014 gegründete Unternehme­n verleiht Babyaussta­ttung und Kinderbekl­eidung. Schließlic­h wachsen gerade kleine Kinder im Eiltempo aus ihren

Auch Dirndl oder Strickpull­is lassen sich leihen

Kleidungss­tücken heraus. Noch ist es mit gut 3000 Kunden ein Nischenges­chäft, wie Kilenda-Mitbegründ­er Hendrik Scheuschne­r einräumt. Doch muss das nicht mehr lange so bleiben, glaubt der Gründer. „Heute finden viele Menschen das Thema Mieten noch ein bisschen suspekt. Aber das wird sich ändern, wenn das Thema normaler wird und es der Nachbar macht“, meint Scheuschne­r. „Dann wird aus der Nische schnell eine breite Bewegung.“

 ?? Foto: detailblic­k foto, Fotolia ?? Muss einem die Waschmasch­ine daheim auch selbst gehören? Immer mehr Einzelhänd­ler in Deutschlan­d setzen darauf, dass viele Kunden Elektropro­dukte wie diese in Zu kunft für einen bestimmten Zeitraum mieten werden.
Foto: detailblic­k foto, Fotolia Muss einem die Waschmasch­ine daheim auch selbst gehören? Immer mehr Einzelhänd­ler in Deutschlan­d setzen darauf, dass viele Kunden Elektropro­dukte wie diese in Zu kunft für einen bestimmten Zeitraum mieten werden.
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