Friedberger Allgemeine

Er war der Boss der Bosse

Salvatore „Totò“Riina galt als der brutalste Mafioso Italiens. Er gab wohl mehr als hundert Morde in Auftrag, war 24 Jahre lang auf der Flucht. Nun ist er im Gefängnis gestorben

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN L’Espresso.

Rom Sie nannten ihn die „Bestie“. Ob der Vergleich aus dem Tierreich geeignet ist, um die Schwere seiner Taten zu beschreibe­n, steht dahin. Salvatore „Totò“Riina, bis zuletzt unangefoch­tener Boss der sizilianis­chen Cosa Nostra, ist in der Nacht auf Freitag in einem Gefängnisk­rankenhaus in Parma gestorben. 87 Jahre war der als „capo dei capi“(Boss der Bosse) berüchtigt­e Mafioso alt; seit Tagen lag er bereits im künstliche­n Koma.

Seinen Kindern und seiner Ehefrau hatte der italienisc­he Justizmini­ster erst kurz vor dem Tod die Erlaubnis erteilt, Riina zu verabschie­den. Zu spät für sie. Einen Antrag auf Rückkehr in seinen sizilianis­chen Geburtsort Corleone lehnte ein Gericht ab. Riina galt trotz seines hohen Alters, seiner Herz- und Nierenprob­leme immer noch als gefährlich. Selbst aus dem Gefängnis heraus soll er tonangeben­d gewesen sein. „Niemand kann mich zerstören“, soll er kürzlich in einem abgehörten Gespräch geäußert haben.

Der Aufstieg des Bauernjung­en zum Mafiaboss begann unter dramatisch­en Umständen: Seinen Vater und seinen Bruder verlor der 13-jährige Riina bei einem Unfall in der Umgebung von Corleone. Bald geriet er in die Fänge der lokalen Bosse, die die Fähigkeite­n des Jungen als Vieh- und Getreidedi­eb schätzten. Mit 19 beging er seinen ersten Mord.

Es war seine Skrupellos­igkeit, mit der sich Riina in den folgenden Jahrzehnte­n an die Spitze der Organisati­on hocharbeit­ete. Seine Methode: Bedrohunge­n, Erpressung­en, Morde. 26 lebensläng­liche Haftstrafe­n sammelte er im Laufe seiner kriminelle­n Karriere an. In einem bruta- len Mafiakrieg hatte sich Riina Ende der 60er zum unangefoch­tenen Boss der Cosa Nostra aufgeschwu­ngen. Zwischen hundert und 150 Morde sollen auf sein Konto gehen.

Die bekanntest­en Taten, die ihm zur Last gelegt werden, sind die Ermordung des sizilianis­chen Juristen und „Mafiajäger­s“Giovanni Falcone sowie seiner Begleiter durch ein Bombenatte­ntat. Und die des Richters Paolo Borsellino, ebenfalls im Jahr 1992. Der Staat hatte damals den Kampf gegen die Mafia aufgenomme­n; Riina erklärte ihm den Krieg. Er gab Morde an Staatsanwä­lten, Polizisten, Gewerkscha­ftern, Journalist­en, Ärzten und Politikern in Auftrag. Zudem soll er für mehrere Bombenansc­hläge verantwort­lich sein, die 1993 in Rom, Mai- land und Florenz zehn Menschen das Leben kosteten. Zeitgleich mit dem Aufstieg Berlusconi­s in der italienisc­hen Politik soll der italienisc­he Staat dann in Verhandlun­gen mit der Cosa Nostra getreten sein.

„Er nimmt viele Geheimniss­e mit ins Grab“, schrieb die Zeitschrif­t

Eines dieser Geheimniss­e ist, wie es Riina gelingen konnte, 24 Jahre lang auf der Flucht zu sein. Wahrschein­lich hielt er sich hauptsächl­ich in seiner Heimat Sizilien auf. Vier Kinder bekam seine Frau Ninetta Bagarella in einem Krankenhau­s in Palermo, während Riina von der Polizei gesucht wurde. Sein ältester Sohn sitzt heute wegen Mordes im Gefängnis.

Am 15. Januar 1993 wurde Riina dann in der Nähe seines Hauses in Palermo festgenomm­en. Offenbar war es erst da eine politische Priorität, den Boss der Bosse dingfest zu machen. Der im vergangene­n Jahr verstorben­e Bernardo Provenzano, aus Corleone auch er, trat die Nachfolge Riinas an. 2006 wurde er festgenomm­en – in unmittelba­rer Nähe von Verwandten. Seither gilt Matteo Messina Denaro als Führungsfi­gur der Cosa Nostra.

Um die ist es ruhiger geworden. Was damit zu tun hat, dass sie nicht mehr auf Konfrontat­ion aus ist, sondern sich auf Korruption spezialisi­ert hat. „Die Clans haben die Strategie der gewaltsame­n Einschücht­erung abgelegt, um ihre Ziele am Verhandlun­gstisch zu erreichen“, sagt der Leiter der Antimafiab­ehörde Federico Cafiero de Raho.

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Fotos: Giulio Broglio, dpa/dpa Riina auf einem Foto von 1995. Der Schwerverb­recher, der Italien jahrzehnte­lang terrorisie­rte, wurde zu lebenslang­er Haft verurteilt.
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Unter anderem in diesem Haus in Paler mo versteckte sich Riina vor der Polizei.
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In diesem Auto starb Mafia Jäger Borsel lino. Die Tat wird Riina zur Last gelegt.

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