Dealer mit Gaspistole bedroht?
Vier junge Männer stehen wegen schweren Raubes vor dem Landgericht. Ihre Aussage weicht aber von der Anklageschrift ab
War es eine bald wieder vergessene „Dummheit“unter Bekannten aus der Augsburger Drogenszene – wie es die Angeklagten und ihre Verteidiger glauben machen wollen? Oder war es der schwere Raub unter Verwendung einer Schusswaffe, wie es die Staatsanwaltschaft unter Berufung auf einen Geschädigten anklagt? Vor dieser Frage steht derzeit die Jugendkammer des Augsburger Landgerichts, die wegen schweren Raubes gegen vier Männer im Alter zwischen 18 und 22 Jahren aus Augsburg verhandelt.
In wesentlichen Zügen ähnelt sich der Tathergang so, wie ihn Staatsanwältin Melanie Ostermeier in der Anklageschrift darstellte und wie ihn die vier Angeklagten vor dem Gericht unter Vorsitz von Richter Lenart Hoesch schilderten. Ausnahme: der Einsatz einer Schusswaffe.
Zu einem nicht mehr exakt bestimmbaren Zeitpunkt im Herbst 2016 trafen sich der 19-, 20- und der 22-jährige Angeklagte, um einen schon seit Längerem gefassten Plan umzusetzen.
Man wollte „Gras holen“, so einer der Angeklagten, und zwar in der
Form, dass man einen Drogenhändler „abzieht“, ihm sein Marihuana also raubt. Nachdem der mutmaßliche Dealer direkten Kontakt zum 19-jährigen Angeklagten, dem vermeintlichen Ideengeber des Überfalls, ablehnte, bediente sich das Trio eines Helfers. Der 18-jährige Mitangeklagte wurde beauftragt, ein Treffen mit dem späteren Opfer zu vereinbaren – an dem der 18-Jährige nicht zugegen war.
Gesagt, etwas geraucht, getan. Im Gögginger Hessingpark trat am Tatabend gegen 23 Uhr der 19-Jährige zunächst allein an den vermeintlichen Dealer heran, während seine beiden Komplizen versteckt warteten. Dann plötzlich sprang der 20-jährige Angeklagte („eine Dummheit“) dem Geschädigten von hinten in den Rücken, auch der 22-Jährige („eine blöde Idee“) kam hinzu. Es habe eine Drohkulisse aufgebaut werden sollen, damit der mutmaßliche Dealer verängstigt das Marihuana rausrücke. Während die drei Angeklagten vehement bestritten, eine „Gasi“(so wurde die Gaspistole bezeichnet) dabei gehabt zu haben, behauptet genau dies laut Anklageschrift der Geschädigte, der an diesem Abend keine Drogen bei sich hatte.
Zwischen 80 und 100 Gramm Marihuana hatten sich die drei Räuber laut Aussage als Beute erhofft, die sie unter sich aufteilen und dann rauchen wollten. Sie beschlossen, mit dem vermeintlichen Drogenbesitzer zu dessen Wohnung zu gehen, um sich davon überzeugen zu lassen, ob selbst dort kein „Gras“zu holen sei.
Der 20-jährige Angeklagte legte unterwegs seinen Arm um den Geschädigten wie um einen Freund, die beiden anderen geleiteten ihn, damit er nicht habe abhauen können. Beim Haus angekommen, habe der Geschädigte erklärt, er müsse in die Wohnung, um den Schlüssel für den Keller zu holen, wo das Marihuana vermutet wurde.
Damit der Drogenbesitzer auch sicher wiederkommt, wurde vereinbart, sein Mobiltelefon als Pfand bei den Angeklagten zu hinterlassen. Als der Mann nach 20 Minuten nicht wieder auftauchte, wurde den drei in tiefer Nacht vor dem Haus Wartenden mulmig.
Hatte der Geschädigte die Polizei gerufen oder organisierte er Verstärkung? Die Angeklagten machten sich vom Hof und nahmen das Pfandhandy mit. Die Besitzerin des Handys, eine Bekannte des Geschädigten, rief bald nach dem Überfall bei den Angeklagten an, um ihr Telefon zurückzuverlangen. Auch seien dem 19-jährigen Angeklagten mehrere Nachrichten mit Gewaltandrohung gegen ihn und seine Familie geschickt worden. Als eine Übergabe in Inningen misslang, habe er das Telefon auf dem Heimweg aus dem Autofenster geworfen, so der 20-jährige Angeklagte.
Als die Angeklagten glaubten, über die Angelegenheit sei das erste Gras gewachsen, sei es vier Monate später zu einer Anzeige gegen sie aus Richtung des Geschädigten gekommen. Seitdem, seit etwa acht Monaten, sitzen drei der vier Angeklagten in Untersuchungshaft.