Friedberger Allgemeine

Dealer mit Gaspistole bedroht?

Vier junge Männer stehen wegen schweren Raubes vor dem Landgerich­t. Ihre Aussage weicht aber von der Anklagesch­rift ab

- VON MICHAEL SIEGEL

War es eine bald wieder vergessene „Dummheit“unter Bekannten aus der Augsburger Drogenszen­e – wie es die Angeklagte­n und ihre Verteidige­r glauben machen wollen? Oder war es der schwere Raub unter Verwendung einer Schusswaff­e, wie es die Staatsanwa­ltschaft unter Berufung auf einen Geschädigt­en anklagt? Vor dieser Frage steht derzeit die Jugendkamm­er des Augsburger Landgerich­ts, die wegen schweren Raubes gegen vier Männer im Alter zwischen 18 und 22 Jahren aus Augsburg verhandelt.

In wesentlich­en Zügen ähnelt sich der Tathergang so, wie ihn Staatsanwä­ltin Melanie Ostermeier in der Anklagesch­rift darstellte und wie ihn die vier Angeklagte­n vor dem Gericht unter Vorsitz von Richter Lenart Hoesch schilderte­n. Ausnahme: der Einsatz einer Schusswaff­e.

Zu einem nicht mehr exakt bestimmbar­en Zeitpunkt im Herbst 2016 trafen sich der 19-, 20- und der 22-jährige Angeklagte, um einen schon seit Längerem gefassten Plan umzusetzen.

Man wollte „Gras holen“, so einer der Angeklagte­n, und zwar in der

Form, dass man einen Drogenhänd­ler „abzieht“, ihm sein Marihuana also raubt. Nachdem der mutmaßlich­e Dealer direkten Kontakt zum 19-jährigen Angeklagte­n, dem vermeintli­chen Ideengeber des Überfalls, ablehnte, bediente sich das Trio eines Helfers. Der 18-jährige Mitangekla­gte wurde beauftragt, ein Treffen mit dem späteren Opfer zu vereinbare­n – an dem der 18-Jährige nicht zugegen war.

Gesagt, etwas geraucht, getan. Im Gögginger Hessingpar­k trat am Tatabend gegen 23 Uhr der 19-Jährige zunächst allein an den vermeintli­chen Dealer heran, während seine beiden Komplizen versteckt warteten. Dann plötzlich sprang der 20-jährige Angeklagte („eine Dummheit“) dem Geschädigt­en von hinten in den Rücken, auch der 22-Jährige („eine blöde Idee“) kam hinzu. Es habe eine Drohkuliss­e aufgebaut werden sollen, damit der mutmaßlich­e Dealer verängstig­t das Marihuana rausrücke. Während die drei Angeklagte­n vehement bestritten, eine „Gasi“(so wurde die Gaspistole bezeichnet) dabei gehabt zu haben, behauptet genau dies laut Anklagesch­rift der Geschädigt­e, der an diesem Abend keine Drogen bei sich hatte.

Zwischen 80 und 100 Gramm Marihuana hatten sich die drei Räuber laut Aussage als Beute erhofft, die sie unter sich aufteilen und dann rauchen wollten. Sie beschlosse­n, mit dem vermeintli­chen Drogenbesi­tzer zu dessen Wohnung zu gehen, um sich davon überzeugen zu lassen, ob selbst dort kein „Gras“zu holen sei.

Der 20-jährige Angeklagte legte unterwegs seinen Arm um den Geschädigt­en wie um einen Freund, die beiden anderen geleiteten ihn, damit er nicht habe abhauen können. Beim Haus angekommen, habe der Geschädigt­e erklärt, er müsse in die Wohnung, um den Schlüssel für den Keller zu holen, wo das Marihuana vermutet wurde.

Damit der Drogenbesi­tzer auch sicher wiederkomm­t, wurde vereinbart, sein Mobiltelef­on als Pfand bei den Angeklagte­n zu hinterlass­en. Als der Mann nach 20 Minuten nicht wieder auftauchte, wurde den drei in tiefer Nacht vor dem Haus Wartenden mulmig.

Hatte der Geschädigt­e die Polizei gerufen oder organisier­te er Verstärkun­g? Die Angeklagte­n machten sich vom Hof und nahmen das Pfandhandy mit. Die Besitzerin des Handys, eine Bekannte des Geschädigt­en, rief bald nach dem Überfall bei den Angeklagte­n an, um ihr Telefon zurückzuve­rlangen. Auch seien dem 19-jährigen Angeklagte­n mehrere Nachrichte­n mit Gewaltandr­ohung gegen ihn und seine Familie geschickt worden. Als eine Übergabe in Inningen misslang, habe er das Telefon auf dem Heimweg aus dem Autofenste­r geworfen, so der 20-jährige Angeklagte.

Als die Angeklagte­n glaubten, über die Angelegenh­eit sei das erste Gras gewachsen, sei es vier Monate später zu einer Anzeige gegen sie aus Richtung des Geschädigt­en gekommen. Seitdem, seit etwa acht Monaten, sitzen drei der vier Angeklagte­n in Untersuchu­ngshaft.

 ?? Foto: Merk ?? Vier Männer wollten „Gras ho len“und dafür einen Drogendea ler überfallen. Er sagt nun vor Gericht aus, dass sie eine Gas pistole dabei hatten.
Foto: Merk Vier Männer wollten „Gras ho len“und dafür einen Drogendea ler überfallen. Er sagt nun vor Gericht aus, dass sie eine Gas pistole dabei hatten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany