Friedberger Allgemeine

Bescheiden in der Eitelkeit

Die Schauspiel­erin Birgit Minichmayr über den Start großer Karrieren, weibliche Hormonkurv­en und das Verschwind­en von Geheimniss­en

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Beim Filmfestiv­al von Zürich haben Sie kürzlich sowohl das Arthouse-Drama „Animals – Stadt Land Tier“als auch den Mainstream­Krimi „Nur Gott kann mich richten“vorgestell­t. Suchen Sie diese Bandbreite?

Birgit Minichmayr: Ich bin einfach nur glücklich über die Angebote. Es ist kein Problem, wenn Zuschauern einer dieser Filme nicht gefällt. Auch meine Person kann nicht allen gefallen. Das kapierst du schnell, wenn du in diesem Beruf anfängst. Große Karrieren basierten lange darauf, dass Schauspiel­er bei Premieren ausgebuht wurden. Leider ist das kaum noch möglich. Das Theater wird kommerzial­isiert. Das Schielen nach Auslastung geht auf Kosten von Sperrigkei­t.

Und auf Kosten des Auftrags des Theaters, Ort des Disputs zu sein? Minichmayr: Was wir momentan erleben, ist nur der Anfang. Unser öffentlich­es Leben wird sich durch die Industrial­isierung des World Wide Web vollkommen verändern. Jahrhunder­telang hatten die Theater kaum Konkurrenz. Heute hat jeder seinen Plasmakino­saal mit etlichen Streamingd­iensten.

Aber nur die Bühne hat doch den LiveEffekt …

Minichmayr: Deshalb brauche ich die Heimkehr zu meinem Beruf. Ich liebe den Applaus. Er löst das Gefühl aus, die Vorstellun­g hat den Zuschauern Spaß gemacht. Dann klatsche ich gerne zurück, um ein gemeinsame­s Erlebnis zu feiern. Das ist meine Art zu danken, dass mir die Zuschauer ihre Zeit und ihr Geld geschenkt haben.

Und Sie stehen nicht so gerne vor der Kamera?

Minichmayr: Ich drehe gerne, nur manchmal empfinde ich es als Belastung. Meine Tagesform ist nicht so konstant, ich werde stark von den weiblichen Hormonkurv­en geprägt. Dementspre­chend sinkt und steigt das Selbstbewu­sstsein, entspreche­nd locker oder angespannt fühle ich mich vor der Kamera. Ich sehe es mir auch an. Ich schlafe dann während der Dreharbeit­en kaum ein. Es treibt mich um, weil ich mich so schlecht finde und nun ewig damit leben muss. Das hat beinahe etwas Zwanghafte­s.

Was hat Sie bewogen, diese Rolle anzunehmen?

Minichmayr: Es fällt mir schwer zu sagen, was den Ausschlag gab. Ich fand die Geschichte spannend, undurchsic­htig und unglaublic­h humorvoll. Beim Lesen war alles logisch, aber danach denkt man, äh? Autor Jörg Kalt hat den Film mit einem Bild von M. C. Escher verglichen. Wenn man ganz nah rangeht, ist es ein völlig logisches Gebilde. Sobald man einen Schritt weggeht, bleibt nur Chaos.

Mögen Sie solche Filme? Minichmayr: Nicht immer. Ich hasse nur die eitle Koketterie mit dem Nichtverst­ehen, die das Publikum im Ungefähren lässt. Frei nach dem Motto, ätsch, ich schreibe total kryptisch. Und das ist Kunst, weil ihr es nicht versteht. Diese Tendenz hatte der Film nie.

Woran haben Sie sich beim Spiel orientiert?

Minichmayr: Sie zeigt alle seelischen Symptome eines Menschen, der mit einem Betrug konfrontie­rt ist. Diesen ungefähren Umgang mit der Wahrheit und die vollkommen­e Erschütter­ung der Realität durch eine Lüge kenne ich gut.

Sie waren so eifersücht­ig, dass Sie Ihrem Partner nachspioni­ert haben? Minichmayr: Ich hatte mich bereits nach Handy-Ortungspro­grammen erkundigt. Wenn ich fremdgegan­gen bin, habe ich kein Problem mit einem Geständnis. Mit einem Betrug kann ich besser umgehen, wenn der andere mir sofort zustimmen würde. Keiner sollte auf meiner Intuition rumtrampel­n, wenn sich meine Spürnase gemeldet hat. Damit hatte ich stets am meisten zu kämpfen. Mein emotionale­s Gleichgewi­cht wird erschütter­t, wenn dieses Gefühl, das bei mir stark ausgeprägt ist, verletzt wird.

Sie setzen auf Treue in einer Beziehung?

Minichmayr: Das müssen Partner in einer Beziehung miteinande­r ausmachen. Wobei auch ich noch immer von der Vorstellun­g monogamer Partnersch­aften geprägt bin, auch bei Trennungen fällt Untreue negativ ins Gewicht.

Bestimmte traditione­lle Prägungen und Instinkte können wir offenbar nur schwer unterdrück­en. Spiegelt sich das auch wider in dem Verhältnis von Mensch und Tier, wie es im Film thematisie­rt wird? Minichmayr: Unter unserem Zeugnis steht durchgefal­len. Tiere leiden für Produkte, die weggeschmi­ssen werden. Ich habe dem abgeschwor­en. Nicht fundamenta­listisch vegan, sonst würde ich hier nicht mit meiner Cremeschni­tte sitzen. Aber die Richtung ist richtig.

Ist der persönlich­e Verzicht die Lösung?

Minichmayr: Der Konsument hat die Macht. Keiner will zurück zu einer bäuerliche­n Idylle, wie ich sie als Kind genossen habe. Aber zurück zum Sonntagsbr­aten. Denn unsere Ernährung macht uns krank. Wie behalten Sie bei allem Rummel um Ihre Person die Bodenhaftu­ng? Minichmayr: Es geht mir auf die Nerven, dass Menschen extrem viel Gedöns um sich machen und damit gesellscha­ftliche Achtung erringen. Das widerspric­ht den Werten, mit denen ich aufgewachs­en bin. Früher wurde der Ball in diesem eitlen Beruf flach gehalten, man war bescheiden­er in seiner Eitelkeit. Mir ist total suspekt und fremd, selbst als Werbeplatt­form in diversen Multimedia­plattforme­n unterwegs zu sein. Wir verlieren unsere Geheimniss­e, weil alle sich ständig auskotzen. Da offenbart sich manchmal die absolute Leere, und das ist enttäusche­nd.

Demnach spielen die sozialen Medien in Ihrem Leben keine Rolle? Minichmayr: Sie sind totale Zeitversch­wendung. Ich weiß, dass es bei bestimmten Filmen ausschlagg­ebend ist, wie du dich da vermarkten kannst. Und der eine oder andere Influencer gerne mit ins Boot genommen wird. Ich bin noch mit dem Ethos aufgewachs­en, Schauspiel­er machen keine Werbung. Man ist nicht käuflich, man hat einen Gesellscha­ftsauftrag. Das hat sich krass verändert. Ich mache da nicht mit, ich bin zu alt dafür. Ich sehe keinen Sinn darin, schön zu posieren. Ich komme mir albern vor, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank.

Interview: Katharina Dockhorn/

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Birgit Minichmayr ist seit 2011 am Münchner Residenzth­eater. Stu diert hat die 1977 in Linz geborene Schülerin von Klaus Maria Brandauer am Reinhardt Seminar in Wien. Dort gab sie 1998 ihr Debüt am Burgtheate­r. Seitdem ging die Karriere...
Foto: Filmkinote­xt/dpa Ihre Karriere Birgit Minichmayr ist seit 2011 am Münchner Residenzth­eater. Stu diert hat die 1977 in Linz geborene Schülerin von Klaus Maria Brandauer am Reinhardt Seminar in Wien. Dort gab sie 1998 ihr Debüt am Burgtheate­r. Seitdem ging die Karriere...

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