Das Gold des Pharao
Tübinger Forscher untersuchen als erste Schmuckplatten aus Tutanchamuns Grab
Der ägyptische Pharao Tutanchamun und die Geschichte der Entdeckung seines unversehrten Grabes im Tal der Könige durch den britischen Ägyptologen Howard Carter im Jahr 1922 gehören inzwischen schon fast zur Populärkultur. Zehn Jahre dauerten Carters Arbeiten. Schon kurz nach Beginn lösten sie einen regelrechten Ägypten-Hype aus, der auch Ausdruck fand in zahlreichen Mythen – Stichwort „Fluch des Pharaos“.
Fast 100 Jahre nach der Entdeckung haben nun Ägyptologen und Restauratoren aus Tübingen eine ganze Reihe von Goldblechen untersucht, die Carters Team einst fotografierte und in eine Kiste packte. Dann landete die Kiste im Archiv des Ägyptischen Museums in Kairo – und wurde nie wieder geöffnet.
Vier Jahre lang haben Wissenschaftler des Instituts für die Kulturen des Alten Orients der Universität Tübingen, des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo, des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz und des Ägyptischen Museums die Stücke in aufwendiger Laborarbeit restauriert, gezeichnet und wissenschaftlich umfassend bearbeitet.
Fast 100 vollständige Goldbleche konnten die Experten in ihrer jahrelangen Fleißarbeit wieder zusammensetzen. Vermutlich handelt es sich bei den Objekten um dekorative Beschläge von Bogenkästen, Köchern und Zaumzeug. Obwohl sie natürlich wesentlich weniger spektakulär sind als die berühmte goldene Totenmaske des Pharao, erlauben diese Stücke interessante Zuschreibungen. So zeigen die Darstellungen auf den Goldblechen eindeutig Motive, die nicht ägyptischen Ursprungs sind: Szenen von Tierkämpfen etwa oder Ziegen am Lebensbaum. Solche Motive sind der der ägyptischen Kunst fremd. Sie müssen wohl aus dem Vorderen Orient nach Ägypten gekommen sein, schlussfolgern die Experten. Solche Darstellungen sind in Mesopotamien entwickelt worden. Über Syrien und den Mittelmeerraum gelangten sie dann wohl nach Ägypten. Dies beweise erneut die große Rolle, die das alte Syrien für die Kulturvermittlung in der Bronzezeit spielte, so die Forscher.
Ähnliche Goldbleche hatten die Tübinger Forscher bereits im Jahr 2002 in der Gruft der syrischen Königsstadt Qatna gefunden. Dort hatten die Archäologen damals ein unangetastetes Königsgrab aus der Zeit um 1340 vor Christus gefunden. Damit ist dieses Grab nur geringfügig älter als jenes des berühmten Tutanchamun. Die große Frage ist nun: Wie kamen die Motive auf den Goldblechen nach Ägypten? Chemische Analysen der ägyptischen Funde haben ergeben, dass die Bleche mit ägyptischen Motiven und jene mit fremden aus unterschiedlich zusammengesetztem Goldmaterial hergestellt wurden. Das beweist aber noch nicht, dass die Stücke importiert wurden. Sie könnten auch aus unterschiedlichen lokalen Werkstätten stammen, von denen eine sich an Motiven aus Vorderasien orientierte.
Woher kommen die fremden Motive auf den Blechen?