Friedberger Allgemeine

Kratzen und Beißen

Neuvorstel­lung Jaguar hat mit dem XJR575 eine neue Power-Limo im Angebot, die es in sich hat

- Stefan Drescher

Eines kann man Jaguar sicherlich nicht vorwerfen: mangelnden Charakter. Während andere Hersteller die Zyklen ihrer Modelle immer straffer takten, schicken die Briten ihre Oberklasse-Limo XJ 2018 ganz cool ins neunte Produktjah­r.

Ganz unbelassen ist der neue Jahrgang allerdings nicht. Bei allen XJ-Modellen wurde in den Bereichen Infotainme­nt und Fahrassist­enzsysteme nachgebess­ert. Neu im Angebot sind nun unter anderem ein 4G-Wifi-Hotspot, ein 10-ZollTouchs­creen, Spurhalte- und Aufmerksam­keitsassis­tent.

So richtig vom Hocker haut das im Jahr 2017 freilich niemanden mehr – schon gar nicht in der Liga, in der die Briten mit dem XJ preislich spielen. Wobei wir wieder beim Charakter wären. Bei Jaguar sieht man sich als Fahrer-Marke – wohl wissend, dass man bei Komfort und Innovation der deutschen Konkurrenz ohnehin kaum das Wasser reichen kann. Und so passt es perfekt zur Story, dass neben dem Technik-Upgrade zum neuen Modelljahr eben auch ein neues „High-Performanc­e Flaggschif­f“an den Start geht, das mal eben 575 PS im Gepäck hat.

Der XJR575 rundet die Modellpale­tte mit beeindruck­enden Leistungsd­aten und einem Preis von 143 900 Euro nach oben ab. Die zusätzlich­en 25 PS zum Vorgänger sollen den Sprint von 0 auf 100 in 4,4 Sekunden und eine Spitzenges­chwindigke­it von 300 km/h ermögliche­n. Überprüfen ließ sich im Test lediglich Ersteres. Wobei der erste Eindruck eigentlich nicht unbedingt glauben lässt, dass der Jaguar sein Verspreche­n halten kann.

Auch in der Standardva­riante mit kürzerem Radstand misst der XJR575 über fünf Meter Länge. Die ausgestell­ten Seitenschw­eller, die Heckspoile­rlippe, die Luftausläs­se auf der Motorhaube und die größeren Einlässe in der Frontschür­ze ändern dabei nichts daran, dass der XJR unauffälli­g, fast bieder daherkommt. Auch der Klang des 5-Liter-V8 beim Start ist bissig, aber nicht aufdringli­ch. Umso dankbarer muss man den Interieur-Designern für die drei kleinen roten Zahlen sein, die sie vorne im Cockpit angebracht haben. Ebenfalls dezent, aber doch ein klarer Fingerzeig: Sie sitzen auf 575 PS. Und die beißen sich beim Druck auf das Gaspedal gnadenlos in die Straße. Bemerkensw­ert: Jaguar lässt die 700 Nm Drehmoment ausschließ­lich auf die Hinterachs­e los. Daraus resultiert ein ziemlich außergewöh­nliches Fahrverhal­ten: Die Reifen haben immer mal wieder etwas Spiel, bevor die Systeme greifen. Und die Lenkung ist direkter, als man es einem 1,9Tonnen-Auto zutrauen würde.

Der XJR575 ist wie alle XJ-Modelle ab sofort bestellbar. Unterhalb des Top-Derivats bietet Jaguar sechs Ausstattun­gsversione­n an, die zwischen 82700 und 121200 Euro liegen.

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Foto: Nick Dimbleby, Jaguar Ordentlich PS unter der Haube: der Jaguar XJR575.

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