Friedberger Allgemeine

„Die großen Teams zu ärgern, ist eine Riesenmoti­vation“

FCA-Manager Stefan Reuter spricht vor dem Spiel in München über seine Zeit mit Jupp Heynckes, den Videobewei­s und die Zusammenar­beit mit Trainer Manuel Baum

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Am Samstag gibt es für Sie ein Wiedersehe­n mit Jupp Heynckes. Sie haben von 1988 bis 1991 bei den Bayern unter ihm gespielt. Was war Jupp Heynckes für ein Trainer?

Reuter: Er hat sehr viel Wert auf Disziplin gelegt und war sehr profession­ell. Ich glaube aber, dass er über die Jahre lockerer geworden ist.

Wie hat Jupp Heynckes die Bayern zu alter Stärke zurückgefü­hrt?

Reuter: Er hat gleich als Erstes innerhalb der Mannschaft für eine Struktur und Hierarchie gesorgt. Das ist wichtig. Und er hat den Spielern jene Wertigkeit zurückgege­ben, die sie selbst auch fühlen.

Hätten Sie lieber noch unter Heynckes-Vorgänger Ancelotti gegen die Bayern gespielt?

Reuter: Die Bayern haben jetzt einen Lauf. Sieben Siege in sieben Spielen sagen alles. Am liebsten spiele ich gegen sie, wenn sie gerade zwischen zwei Champions-League-Halbfinals­pielen stehen und die Meistersch­aft schon gewonnen haben. Weil sie dann vielleicht nicht ganz so auf die Bundesliga fokussiert sind. Im Moment hat man aber den Eindruck, dass sie nicht locker lassen.

Im April verlor der FCA in München 0:6. Könnte so etwas wieder drohen? Reuter: Das war bitter. Ich denke aber, dass wir durchaus selbstbewu­sst auftreten können. Wir haben zuletzt in unseren Spielen nur wenig Chancen zugelassen, das macht Mut. Bayern wird mehr Ballbesitz haben, da muss man kein Hellseher sein. Darum müssen wir gut gegen den Ball arbeiten. Und wenn du ihn hast, darfst du ihn nicht nur vorknallen. Du musst selbst versuchen, Nadelstich­e zu setzen.

In München treffen Welten aufeinande­r. Dort der Klassenpri­mus FC Bayern, hier der kleine FCA ...

Reuter: Das ist nun eben so. Wenn du Champions League spielst, generierst du einfach wahnsinnig­e Einnahmen. Die Bayern sind auch in Sachen Marketing und Sponsoring dem Rest der Liga Jahre voraus.

Es war lange ein Markenzeic­hen der Bundesliga, dass sie relativ ausgeglich­en ist. Den Eindruck hat man jetzt nicht mehr. Ist die Liga überhaupt noch interessan­t?

Reuter: Ich finde, die Bundesliga ist extrem interessan­t. Hätten wir vor vier Wochen über dieses Thema gesprochen, hätte jeder gesagt, die Liga ist doch super spannend. Dortmund war Tabellenfü­hrer, Bayern hatte Rückstand und auch Leipzig spielte eine gute Rolle. Jetzt haben die Bayern wieder Oberwasser. Aber trotz der Bayern-Dominanz war die Bundesliga auch in den letzten Jahren immer spannend. Der Kampf um die internatio­nalen Plätze ist eng und gleichzeit­ig kann es die halbe Liga im Kampf gegen den Abstieg erwischen. Das macht den Reiz der Bundesliga aus.

Wie versucht der FCA, da mitzuschwi­mmen und nicht unterzugeh­en? Reuter: Wir müssen ein paar Dinge besser machen als andere, um dauerhaft in der Liga zu bleiben. Die mannschaft­liche Geschlosse­nheit und die Fitness sind alles entscheide­nd. Wir haben uns sehr gut auf die Saison vorbereite­t, davon profitiere­n wir jetzt. Wir versuchen, uns immer punktuell zu verstärken. Superferti­ge Spieler mit hohem Niveau können wir nicht verpflicht­en. Wir müssen sie ein Stück weit selbst entwickeln. Aber ich denke, wir haben eine richtig gute Mannschaft zusammenge­stellt. Wir haben jetzt Erfahrung, Qualität, Tempo und Kopfballst­ärke.

Wie lautet Ihre Transfer-Philosophi­e? Reuter: Jeder Spieler, den wir holen, muss uns einen Mehrwert bieten. Mit Marcel Heller zum Beispiel haben wir Geschwindi­gkeit auf den Außenposit­ionen geholt. Mit Michael Gregoritsc­h einen, der Torabschlu­ssqualität­en besitzt und ein guter Kopfballsp­ieler ist. Die Qualität muss für uns greifbar sein. Wir liegen aber auch nicht immer richtig.

Was auffällt: Der FCA investiert jetzt mittlere siebenstel­lige Beträge in sein Personal. Das war nicht immer so ... Reuter: In den ersten zwei Jahren haben wir wirklich nur ablösefrei­e Spieler verpflicht­et oder ganz wenig Geld ausgegeben. Wenn wir jetzt sagen, der ist extrem wichtig für uns, dann sind wir vereinzelt auch in der Lage, etwas mehr Geld auszugeben. Aber das machen wir im Rahmen unserer wirtschaft­lichen Möglichkei­ten und so, dass unser Gefüge intakt bleibt.

Mit 16 Punkten aus elf Spielen sind Sie derzeit ein Kandidat für die Europa League. Ist das ein Thema? Reuter: Wenn wir mit dem zweitniedr­igsten Budget in die Saison starten, kann ich nicht über internatio­nale Plätze sprechen.

Aber so war es vor zwei Jahren auch. Reuter: So etwas kann mal passieren, wenn ein paar etablierte Vereine schwächeln und bei uns alles optimal läuft. Oft rutscht eine Mannschaft, mit der keiner rechnet, in die internatio­nalen Ränge. Vor zwei Jahren waren wir es. Klar würden wir uns wieder freuen, aber nach einem Drittel der Saison davon zu sprechen, wäre völlig verkehrt, weil es nicht realistisc­h ist.

Reicht es nach sieben Jahren Bundesliga als Motivation, nur vom Klassenerh­alt zu sprechen?

Reuter: Für den FC Augsburg ist es ein absolutes Highlight, Jahr für Jahr in der ersten Liga dabei zu sein und das immer wieder zu bestätigen. Die großen Mannschaft­en zu ärgern, ist eine Riesenmoti­vation. Alles andere ist Träumerei. Wir können nicht sagen, jetzt sind wir zum siebten Mal dabei, jetzt müssen wir um die internatio­nalen Plätze spielen. Das kann ich sagen, wenn ich eines der Top-Acht-Budgets habe.

Würde es Sie nicht reizen, einen Verein zu führen, der so ein Budget hat? Reuter: Wir haben so ein gutes homogenes Team nicht nur auf dem Platz, sondern auch im Verein, dass ich eine sehr hohe Jobzufried­enheit habe. Und es ist etwas Schönes, wenn man etwas mitgestalt­en und mitentwick­eln kann. Darum mache ich mir darüber überhaupt keine Gedanken, sondern beschäftig­e mich nur mit meiner Aufgabe hier.

Sie sprechen den intensiven Kontakt zwischen Ihnen, dem technische­n Direktor Stephan Schwarz und dem Trainer Manuel Baum in der täglichen Arbeit an.

Reuter: Wir tauschen uns sehr eng aus und können sehr früh auf irgendwelc­he Strömungen Einfluss nehmen. Der Trainer hat natürlich seinen Bereich, in dem er entscheide­t und macht das richtig gut. Ich glaube, keiner wird von Gesprächen dümmer und wenn man die Erfahrunge­n von anderen einbezieht, kann es nur hilfreich sein.

War Manuel Baum nicht auch gleich nach der Trennung von Markus Weinzierl ein Thema?

Reuter: Es war geplant, dass Manuel Baum Minimum bis 2020 im Nachwuchs bleibt, um die Entwicklun­g im Nachwuchs weiter zu stabilisie­ren. Aber nach der Trennung von Dirk Schuster suchten wir einen Trainer, der den Verein und die Mannschaft kennt. Das ist ein Stück weit zu vergleiche­n mit der aktuellen Situation beim FC Bayern. In so einer Phase, wenn die Saison läuft, ist es von Vorteil, wenn du das Innenleben der Mannschaft kennst. Es war damals ein kleines Risiko für den Nachwuchs, das wir aber eingegange­n sind.

Haben Sie am Samstag Angst vor dem Videobewei­s? Es gibt Beobachter, die glauben, die Bayern werden da immer wieder bevorteilt.

Reuter: Es ist vielleicht im Unterbewus­stsein schon so, dass man da eher pro Bayern entscheide­t. Aber ich habe keine Angst davor. Ich glaube nach wie vor an den Videobewei­s. Man muss einfach aus den Fehlern der letzten Wochen und Monate die Lehren ziehen.

Und die wären?

Reuter: Es müssen klare Linien von den Schiedsric­htern befolgt werden. Es ist das Gefühl aufgekomme­n, dass es zum Teil willkürlic­h ist, wann der Videoassis­tent eingreift oder nicht.

Wann soll der Schiedsric­hter aus Ihrer Sicht denn eingreifen? Reuter: Nur bei krassen Fehlentsch­eidungen. Und da muss die Abstimmung zwischen Schiedsric­hter und Videoassis­tent klar sein. Am Anfang hatte man das Gefühl, die Schiedsric­hter lassen Situatione­n eher laufen, weil sie sich dachten, der Videoassis­tent greift schon ein. Das muss sich einspielen, da muss die Kommunikat­ion unter den Schiedsric­htern besser werden. Manchmal hat man den Eindruck, das letzte Wort hatte der Videoassis­tent. Aber der Schiedsric­hter muss auf dem Platz immer entscheide­n.

Der Videobewei­s ist das eine, jetzt gibt es auch Zweifel an der Integrität des Schiedsric­hterwesens insgesamt. Befürchten Sie, dass der Ruf des Schiedsric­hters als der neutrale Spielleite­r nachhaltig beschädigt wird?

Reuter: Die Diskussion­en waren sehr negativ für das Image der Schiedsric­hter. Aber grundsätzl­ich glaube ich, dass die Schiedsric­hter nach bestem Wissen und Gewissen entscheide­n und objektiv an den Start gehen. Fehler passieren überall, wo Menschen arbeiten, und Fehler muss man korrigiere­n.

Interview: Wolfgang Langner, Johannes Graf und Robert Götz

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Foto: Ullrich Wagner „Wenn wir mit dem zweitniedr­igsten Budget starten, kann ich nicht über internatio nale Plätze sprechen“, dämpft Stefan Reuter Erwartunge­n.

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