Mozart in vollem Licht
Wie der Schwäbische Oratorienchor das Publikum in St. Ulrich jubeln lässt
Wenn es auch Mozart selbst so gehalten haben mag, Stefan Wolitz und sein Schwäbischer Oratorienchor waren gut beraten, die fehlenden Teile in dessen fragmentarischer Messe in c-Moll KV 427 nicht durch frühere Kompositionen des Meisters zu ersetzen. Sie hätten, wenn auch echter Mozart, womöglich den Blick auf den einzigartigen Torso verstellt, der nun dank einer packenden, in der voll besetzten Kirche einhellig bejubelten Aufführung in vollem Licht erstrahlte.
Der Jubel galt einmal den gewaltigen, vier- bis achtstimmigen Chorpartien, in denen Mozart sich absolut ebenbürtig zu Bach, Händel und Beethoven gesellt: der demütigernsten „Kyrie“, dem strahlenden, im Orchester geradezu tänzerisch bewegten „Gloria“, dem doppelchörigen „Qui tollis...“in seiner rhythmischen Zerrissenheit und drückenden Schwere (wo hat die menschengemachte Sündenlast des Erlösers je ergreifender musikalischen Ausdruck gefunden?), der weitgespannten, hinreißenden Chorfuge „Cum sancto spiritu“, dem festlich bewegten „Credo“, dem majestätischen „Sanctus“, wo die Chorstimmen sich von scheu geflüsterter Anbetung zu, im „Osanna“, jubelnden Sechzehntel-Girlanden emporschwingen. Diese nachhaltige Wirkung erreichten Dirigent und Chor nicht allein mittels Masse, sondern mehr noch durch Präsenz, klare Artikulation und vorwärtsgerichtete Spannkraft.
Ein ausgeglichenes Solistenquartett bildete den Gegenpol. Zwei Soprane wetteiferten bei den oftmals reich verzierten Solopartien in schwebendem Wohllaut, wobei Florence Losseaus Stimmklang durch Mezzo-getönte Wärme bestach („Laudamus te“). Andromahi Raptis war mit dem „Et incarnatus est“, einem Weihnachtsidyll von sinnlich-spirituellem Zauber, das solistische Highlight zugeteilt – klanglich umhüllt vom Schalmeienklang der Holzbläser entschwebte sie mühelos in Linien zarter Virtuosität. Im „Benedictus“vereinigten sich die Frauenstimmen mit dem geschmeidigem Tenor von Manuel Warwitz und Alban Lenzens ausdrucksstarkem Bass und führten in einem packend bewegten Soloquartett nahtlos zum abschließenden Chor-Osanna.
An den Anfang hatte Stefan Wolitz ein deutlich anderes c-Moll gestellt: Joseph Haydns Sinfonie Nr. 95 in dieser Tonart: kein bisschen düster, eher energisch zupackend, dramatisch, aber auch idyllisch (Andante cantabile). Die Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters spielten zügig, aber stets differenziert in Tempo und Ausdruck und demonstrierten Klangfeinheit mithilfe manch vorzüglicher Solisten.