Friedberger Allgemeine

Sprayer schrammt knapp an Gefängnis vorbei

Ein Polizist ertappte in seiner Freizeit einen 24-Jährigen mit Farbdose. Er war ein „dicker Fisch“der Szene

- VON KLAUS UTZNI

Der Polizist, 58, führte am Nachmittag des zweiten Weihnachts­feiertages 2016 seinen Hund auf dem Ablassweg im Spickel Gassi. Als er kurz vor der Bahnunterf­ührung war, hörte er ein zischendes Geräusch. Dann sah er einen jungen Mann mit einer Spraydose in der Hand, der gerade eine Wand mit einem Graffiti-Schriftzug bemalte. Der Beamte, im Freizeitlo­ok gekleidet, erklärte dem Sprayer, er sei Polizist, nahm ihm die Farbdose ab. Es kam zu einer Rauferei. Der Sprayer konnte sich befreien und flüchten. Er wurde später festgenomm­en. Der 24-Jährige entpuppte sich als „dicker Fisch“aus der Graffiti-Szene. Wegen 149 Einzelfäll­en der Sachbeschä­digung mit einem Schaden von 31000 Euro stand er nun vor einem Schöffenge­richt unter Vorsitz von Ralf Hirmer.

Staatsanwä­ltin Linda Fürstenmüh­l bewies einen langen Atem, als sie die Anklage mit allen einzelnen Fällen mit Tatzeit, Ort, Beschreibu­ng der Tags (Signaturkü­rzel des Sprayers), Schadenshö­he und Namen der Geschädigt­en verlas. Mitte 2015, so schilderte der Graffiti-Sachbearbe­iter der Polizeiins­pektion Mitte, seien „massiv“bestimmte Tags vor allem auf Schaltkäst­en der Telekom aufgetauch­t. Mal war es der Schriftzug „Why not“, mal „Saftig“, häufig die Buchstaben­kombinatio­n „SMIR“. In einer einzigen Nacht, so der Beamte, seien 24 Objekte besprayt worden. Vor allem zwischen zwei und drei Uhr sei der Täter unterwegs gewesen, war mehrere Male von Überwachun­gskameras undeutlich aufgenomme­n worden. Die Tags fanden sich auch an Haustüren, Fensterläd­en, Fahrkarten­automaten, Straßenmas­ten, Schallschu­tzwänden, Zigaretten­automaten, auf Hausmauern und auf einer Parkbank, sogar am Jakobertor und an der historisch­en Stadtmauer. Im September 2015 war der junge Sprayer schon einmal festgenomm­en worden – was ihn nicht davon abhielt, fleißig weiterzuma­len.

Über seinen Verteidige­r Werner Ruisinger legte er ein volles Geständnis ab. Er habe „Leute aus der Szene“kennengele­rnt, habe das Sprayen einfach „cool“gefunden. „Ich war wie in einem anderen Film. Das Unterwegss­ein in der Nacht hat mich gekitzelt“, sagte er. In der Szene gehe es nur darum, seinen Namen möglichst weit zu verbreiten. Die Kürzel hätten keine Bedeutung, er habe meist Buchstaben gewählt, die sich gut gestalten ließen. Der Angeklagte versichert­e, er habe sich von der Szene gelöst. Eine Beteuerung, die ihm der Graffiti-Experte der Polizei nicht ganz abnahm. Er ermittle in weiteren Fällen gegen den Angeklagte­n, sagte der Beamte.

Das Geständnis des 24-Jährigen war Grundlage für einen Deal zwischen Anklage, Verteidigu­ng und dem Gericht. So schrammte der Sprayer knapp an einer Gefängniss­trafe vorbei. Das Gericht setzte die zweijährig­e Freiheitss­trafe zur Bewährung aus. Die Auflage: Er muss innerhalb von 33 Monaten nach Rechtskraf­t des Urteils mindestens 50 Prozent des angerichte­ten Schadens wiedergutm­achen.

 ?? Foto: A. Kaya ?? Ein Sprayer musste sich für 149 Fälle verantwort­en.
Foto: A. Kaya Ein Sprayer musste sich für 149 Fälle verantwort­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany