Friedberger Allgemeine

Schnee ist trockener als Regen

Radfahren im Winter wird gerne verteufelt. Dabei ist es halb so wild – wenn man sich ein paar Tipps zu Herzen nimmt

- VON SVEN KÜLPMANN

Kalt, nass und gefährlich. So stellen sich viele das Radfahren im Winter vor. Doch auch wenn die Augsburger Innenstadt mit Kopfsteinp­flaster und Tramschien­en den Winter nicht einfacher macht, ist es – mit einer wetterfest­en Geisteshal­tung – nur halb so wild. Es ist ein wenig wie beim Wandern: Man sollte auf einige Verhaltens­regeln achten und gute Ausrüstung macht das Leben leichter.

Als ich noch zur Arbeit in Mühlhausen pendelte, fragte mich im Winter eine Frau, ob es nicht kalt sei, auf dem Rad. Ich erklärte ihr, dass es einem beim Warten auf den Bus oder beim Eiskratzen der Windschutz­scheibe wahrschein­lich kälter ist als nach fünf Kilometern Rad fahren. Sobald man Hände und Füße warm und trocken verpackt hat, bleibt man meist recht wohlig, denn man bewegt sich ja. Bei längeren Strecken ist es aber besser, sich für den letzten Kilometer zu kleiden, statt für den ersten. Denn wem zu Anfang warm ist, der schwitzt wahrschein­lich im letzten Drittel. Daher sollte man es bei der Jacke nicht übertreibe­n.

Zynische Gemüter könnten meinen, dass man den motorisier­ten Mitmensche­n für die Klimaerwär­mung danken könnte … Doch Schnee ist trockener als Regen. Ein warmer Winter ist nur bedingt ein Segen, denn dieser bedeutet für Ganzjahres-Radler, dass die Regenhosen – zumindest im Gepäck – zum ständigen Begleiter wird. Wer trocken und sauber im Büro ankommen will, sollte sich vielleicht überlegen, sich wasserfest­e Überschuhe zuzulegen.

Dass es gefährlich­er ist, im Winter Rad zu fahren als im Sommer, liegt wohl auf der Hand, aber generalisi­eren möchte ich auch das nicht. Ab November sind bei unseren Rädern Reifen mit mehr Profil und auch Spikes verbaut – mit Ihrem Auto würden Sie ja auch nicht auf Sommerräde­rn durch den Winweniger ter rollen. Spikes nehmen überfroren­en Brücken in den Morgenstun­den den Schrecken, machen aber nur Sinn, wenn es auch eisig ist. Bei Schnee reicht ordentlich­es Profil.

Ich möchte das Radfahren im Winter nicht zur Materialsc­hlacht machen, aber gute Kleidung, stets einsatzber­eite Beleuchtun­g und ordentlich­e Reifen haben sich für unsere Familie bewährt und ich betrachte sie als das A und O eines Winterradl­er-Alltags. Letzten Endes kommt es auf das eigene Verhalten im Verkehr an.

Umsicht hat noch nie geschadet. Im Winter sollte man sich noch auf die Rücksicht anderer verlassen und lieber einen Schulterbl­ick mehr machen. Ich versuche Strecken mit Tramschien­en zu meiden, was in Augsburg nicht ganz einfach ist. Oft überlege ich, ob der vermeintli­ch sichere Radweg wirklich die richtige Wahl ist, oder ob ich lieber auf die Fahrbahn ausweiche. Merke: Die Benutzungs­pflicht von Radwegen ist theoretisc­h anfechtbar, wenn ein Weg nicht zumutbar ist. Das kann vorkommen: Pflasterst­eine werden im Schneemats­ch aalglatt. Der Winterdien­st der Stadt ist subjektiv im letzten Winter besser gewesen als zuvor, doch auch das ist eben nicht verlässlic­h. Denn nicht überall ist es Sache der Stadt, zu räumen. Was einen unter der Schneedeck­e erwartet, bleibt somit oft im Ungewissen. Bekleidet mit einer knalligen Jacke fühle ich mich dann auf den Fahrbahnen der Stadt sicherer, da diese schneller schneefrei sind als alle anderen Wege und Autofahrer mich sehen. Wer es aber auf Diskussion­en über die Benutzungs­pflicht und rechtliche Winkelzüge nicht ankommen lassen will, der macht eben ein Stückchen langsamer und nimmt den herkömmlic­hen Weg.

Sicher ist das Rad im Winter nicht das Verkehrsmi­ttel für Sonntagsfa­hrer. Aber ganz so zu verteufeln wie in vielen Magazinen

titelte gerade erst „Radfahren im Winter? Nur was für Profis!“) ist es auch nicht. Unser Winter in Augsburg ist verhältnis­mäßig mild und vielen Unbequemli­chkeiten und Gefahren kann man selbst entgegenwi­rken.

Sven Külpmann, 35, wuchs als Sohn eines Fahrlehrer­s auf und lebt seit 13 Jahren autofrei.

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Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Mein Augsburg“mit typisch Augsburger­ischen Ansichten und Geschichte­n.

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