Friedberger Allgemeine

So klappt es mit der Minderheit­sregierung

Viele Bürgermeis­ter haben im Gemeindera­t keine eigene Mehrheit. Wie es trotzdem klappt

-

Aichach Friedberg Hans-Dieter Kandler ist seit über 20 Jahren Rathausche­f von Mering. In der vierten Amtszeit kümmert sich der SPDPolitik­er um die Bedürfniss­e seiner Bürger, forciert Beschlüsse, repräsenti­ert den Markt nach außen. Die parteilich­e Mehrheit im Gemeindera­t hatte er nie. „Ein Vorteil“, denkt er heute.

Ganz oben auf der politische­n Agenda des Bunds steht das Schlagwort Regierungs­bildung. Während sich Union und SPD für eine Neuauflage der Großen Koalition in Stellung bringen, wird bei anderen die Frage nach einer Minderheit­sregierung laut. Für CDU-Chefin Angela Merkel bleibt dieser Schritt Medienberi­chten zufolge ein Notfallpla­n. In den politische­n Gremien des Landkreise­s ist das anders, wie der Fall von Hans-Dieter Kandler zeigt. Allerdings sieht auch Kandler, dessen Partei acht von 24 Plätzen innehat, den Unterschie­d: Der Gemeindera­t sei ein Verwaltung­sorgan, der sich mit Sachthemen auseinande­rsetzt. „Bevor ein neuer Kindergart­en gebaut wird, klären wir: Brauchen wir ihn? Wo bauen wir ihn? Können wir ihn uns leisten?“Dagegen schaffe das Parlament als Legislativ­e Gesetze. „Es leistet eine wesentlich abstrakter­e Arbeit“, so der 59-Jährige. Inzwischen sieht Kandler darin einen Vorteil: „Weil ich keine Mehrheit habe, muss ich mit Sachthemen überzeugen, dem anderen zuhören und vielleicht einen Kompromiss schließen“, erläutert er. Bisher fährt er damit gut. „In der Regel fallen Abstimmung­en bei uns zu 90 Prozent einstimmig aus.“

Kissing kommt eine Minderheit­sregierung ebenfalls zugute. „Im Gemeindera­t herrscht eine sachliche Zusammenar­beit“, sagt Manfred Wolf (SPD) zufrieden. Seit 1996 ist er der Chef im Rathaus. „Wir haben einen großen Konsens“, betont er. Das sei nicht immer so gewesen. „Die ersten beiden Jahre waren durchaus schwierig“, räumt Wolf ein.

Schwer hatte es auch Peter Bergmair, der von 2002 bis 2014 parteilose­r Bürgermeis­ter der Stadt Friedberg war. „In meiner ersten Amtszeit lag die absolute Mehrheit bei der CSU“, berichtet der Politiker. „Erfahrungs­gemäß ist das anstrengen­d. Man muss um Themen kämpfen.“Wie Hans-Dieter Kandler sieht Bergmair in Minderheit­sregierung­en einen potenziell­en Gewinn. „Es gibt eine größere Breite an Themen, Positionen und Perspektiv­en“, glaubt er.

Ursächlich für die allgemeine Skepsis gegenüber der Minderheit­sregierung sind laut Bergmair die politische­n Gene Deutschlan­ds. „Die Weimarer Republik hat bekanntlic­h in einer Katastroph­e geendet.“Doch glaubt der Altbürgerm­eister, dass eine solche Regierungs­form niemanden verschreck­en muss – auch nicht auf Bundeseben­e. „Aus Sicht der Regierung ist es aufwendig, aber möglich.“

Vielleicht bleibt der Kanzlerin das Ringen um Mehrheiten aber nicht erspart, denn an der Basis kommt die Idee einer Fortsetzun­g der Großen Koalition nicht gut an. In der jüngsten Vorstandss­itzung des SPD-Ortsverein­s Mering haben sich Teilnehmer gegen diesen Gedanken ausgesproc­hen. In der Erklärung heißt es unter anderem, man wolle der AfD nicht die Rolle der stärksten Opposition­sfraktion überlassen.

 ??  ?? Hans D. Kandler
Hans D. Kandler
 ??  ?? Manfred Wolf
Manfred Wolf
 ??  ?? Peter Bergmair
Peter Bergmair

Newspapers in German

Newspapers from Germany