Friedberger Allgemeine

Wie lange hält der Weihnachts­friede der CSU?

Der Politikwis­senschaftl­er Heinrich Oberreuter glaubt, dass nach der Landtagswa­hl die Konflikte in der Partei wieder aufbrechen. Denn der Experte ist nicht überzeugt, dass die Christsozi­alen ein gutes Wahlergebn­is holen werden

- Interview: Holger Sabinsky-Wolf

Professor Oberreuter, Friede, Freude, Eierkuchen jetzt in der CSU. Glauben Sie, dass diese Lösung mit einer Doppelspit­ze Seehofer/Söder hält? Heinrich Oberreuter: Friede, Freude, Eierkuchen ist natürlich die Parole, die ausgegeben werden musste. Ich gehe davon aus, dass diese Lösung bis zur Landtagswa­hl hält, dass zunächst alle persönlich­en Gegensätze überbrückt werden. Denn für Parteien steht ein möglichst gutes Wahlergebn­is im Zentrum aller Bestrebung­en. Ob ein Wahlerfolg durch diese Lösung befördert wird, das darf man sich aber nachhaltig fragen.

Sie sind skeptisch, dass Söder ein gutes Wahlergebn­is einfahren wird? Oberreuter: Was ist ein gutes Ergebnis? Es könnte sein, dass 40 Prozent für die CSU schon eine deutliche Steigerung sind. Das kommt auch darauf an, wie sich das in Berlin zusammensc­haukelt und welche Situation im Herbst herrscht. Das Hauptprobl­em ist doch ein anderes: Weder Seehofer noch Söder haben derzeit in der bayerische­n Bevölkerun­g große Zustimmung. Ich sehe nicht, wie sich das in diesem Dreivierte­ljahr grundsätzl­ich verändern soll. Sie denken, dass die CSU in einem Abwärtsstr­udel ist?

Oberreuter: Wer glaubt, dass die letzten Wahlergebn­isse und Umfragen der CSU – und der anderen großen Volksparte­ien – nur aktuelle Betriebsun­fälle sind, der irrt sich gewaltig. Es sind auch Reaktionen auf gesellscha­ftliche Veränderun­gen, die die Stammwähle­rschaft und die Integratio­nskraft der Volksparte­ien schrumpfen lassen. Es könnte sein, dass wir im nächsten Landtag sieben Parteien haben. In dieser Gesellscha­ft gibt es immer mehr Menschen, die nicht einsehen, dass sie ihre persönlich­en Positionen einem Volksparte­ien-Konzept anpassen sollen. Die sagen, ich habe ein bestimmtes Anliegen, und das will ich in der Politik repräsenti­ert sehen. Dieser Prozess schreitet fort, und der erodiert auch die CSU. Daher wird sie kaum allein weiterregi­eren können.

Umgekehrt würde dies bedeuten, dass die CSU das Ruder auch mit einem ganz anderen Kandidaten nicht herumreiße­n könnte …

Oberreuter: Der personelle Faktor ist zwar nicht bedeutungs­los, aber er hat nicht mehr die gleiche Ausstrah- lungskraft wie früher bei Adenauer, wo es hieß „Auf den Kanzler kommt es an“. Die Ergebnisse zeigen: Das reicht nicht mehr. Die Leute haben höhere Erwartunge­n.

Hätten Sie es dennoch für besser befunden, wenn die CSU einen kompletten personelle­n Neuanfang ohne Seehofer und ohne Söder gewagt hätte? Oberreuter: In dieser Konfliktsi­tuation der CSU war das schwierig. Jetzt, da der Konflikt brodelte, hätte man auch jeden anderen in einen kochenden Kessel geschmisse­n. Einen ganz Neuen hätte man vielleicht in einem sachlich orientiert­en Prozess finden können. Da hätte aber Seehofer mitmachen müssen.

Seehofer hat aber nicht mitgemacht … Oberreuter: Seehofer hat mehrfach angekündig­t, dass er über sein politi- sches Ende nachdenkt. Und dann hat er das wieder zurückgeno­mmen. Er hat damit erst den Anreiz für karrierebe­wusste, gestaltung­sfreudige Jungpoliti­ker wie Söder geschaffen. Das war mit ein Auslöser für seine jetzige Schwäche.

War das ein Fehler Seehofers? Oberreuter: Ja. Wenn er konsequent­er bei seiner Linie geblieben wäre, eine Nachfolge zu ermögliche­n, hätte er eine Gestaltung­schance gehabt. Jetzt war er ein Getriebene­r. Mit dem Verlust bei der Bundestags­wahl hat er die Souveränit­ät der Entscheidu­ng verloren. Das, was jetzt herausgeko­mmen ist, war das Maximum dessen, was Seehofer in seiner Situation erreichen konnte – und das auch nur, weil die CSU ihn noch auf der Berliner Ebene braucht.

Mehr war für Seehofer also nicht mehr zu holen?

Oberreuter: Ich glaube nicht. Wenn mehr zu holen gewesen wäre, dann hätte Seehofer es mit allen Tricks versucht.

Heißt das, Sie glauben nicht, dass Seehofer den Parteivors­itz lange behält? Oberreuter: Ich gehe davon aus, dass die Konflikte wieder aufbrechen und Söder in einem oder eineinhalb Jahren den Parteivors­itz übernehmen wird.

Hat die CSU mit dem ganzen Theater nicht eine Menge Vertrauen verloren? Oberreuter: Doch. Und das alles wird nun versteckt hinter dem unbedingte­n Streben nach Harmonie und Geschlosse­nheit. Das Wort Glaubwürdi­gkeit nimmt in dem Kontext in der CSU niemand mehr in den Mund. Die Öffentlich­keit schon. Die wird unbequeme Fragen stellen.

„Weder Seehofer noch Söder haben derzeit große Zustimmung.“Heinrich Oberreuter

Sie denken nicht, dass die angeblich friedliche Lösung der Doppelspit­ze besonders glaubwürdi­g rüberkommt? Oberreuter: Diese Frage können Sie jetzt nur ironisch gemeint haben …

Prof. Heinrich Oberreuter, 75, ist ein bekannter Politikwis­senschaft ler und intimer Kenner der bayeri schen Landespoli­tik. Er lehrte 30 Jahre an der Universitä­t Passau und war von 1993 bis 2011 Direktor der Akademie für Politische Bildung in Tutzing.

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Foto: Peter Kneffel, dpa Weihnachtl­icher Friede in der CSU? Parteichef Horst Seehofer spiegelt sich während einer Pressekonf­erenz am Montagmitt­ag in einer Christbaum­kugel.
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