Friedberger Allgemeine

Der Ronaldo der Eurogruppe

Portugals Finanzmini­ster Mário Centeno rückt an die Spitze der Währungsun­ion auf. Wie auch der Fußballspi­eler seines Heimatland­es hat er viele Erfolge vorzuzeige­n

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Dass Mário Centeno am gestrigen Montag zum Chef der Währungsun­ion gewählt worden ist, hat nicht zuletzt mit einem Ritterschl­ag des früheren deutschen Kassenwart­s Wolfgang Schäuble zu tun. „Ronaldo der Eurogruppe“nannte ihn der heutige Bundestags­präsident einmal – und spielte damit keineswegs nur auf Centenos Liebe zum Fußball an. Der Sozialist kommt so wie der Star-Fußballer aus Portugal. Und ebenso wie Ronaldo hat der 50-jährige Centeno einige Erfolge vorzuweise­n.

Portugal, lange Jahre von Geldern der Euro-Familie abhängig, setzte Sparmaßnah­men durch – dank Centeno. Er war es, der den Etat seines Landes sanierte und in der Griechenla­nd-Krise stets auf dem deutschen Kurs lag. Die Unterstütz­ung Italiens, Spaniens und vor allem Deutschlan­ds war ihm ohnehin gewiss, weil es schon seit Jahren als abgemacht galt, dass endlich ein Vertreter aus dem Süden der Gemeinscha­ft in einen Führungsjo­b gehoben werden soll. Nun steht der promoviert­e Wirtschaft­swissensch­aft- der mit seiner Studienfre­undin verheirate­t ist, auf den internatio­nalen Finanzmärk­ten für den EliteKlub der 19 Euro-Mitgliedst­aaten – nebenberuf­lich übrigens. Hauptamtli­ch leitet er auch künftig die finanzpoli­tischen Geschicke Portugals.

Der frühere Volkswirt der Zentralban­k seines Heimatland­es übernimmt den Vorsitz in einer überaus heißen Phase. Viel Zeit zum Einfinden hat er nicht. Denn bereits am morgigen Mittwoch steht Krach ins Haus. Dann will Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker ein umfassende­s Papier zum Ausbau der Währungsun­ion vorstellen. Das allein kommt schon einem Eklat gleich. Der Auftrag der Staats- und Regierungs­chefs lautete, einen Vorschlag zusammen mit den Finanzmini­stern auszuarbei­ten. Dazu kam es nicht.

Juncker prescht nun vor – und bricht damit einmal mehr in die Hoheit der Kassenwart­e ein. Diese seit 1998 hinter verschloss­enen Türen tagende Runde ist eigentlich so etwas wie die Chefetage der Euro-Familie. Aber Juncker denkt offen daran, den Europäisch­en Rettungs- fonds ESM von einer eher gesichtslo­sen Einrichtun­g zu einer Filiale der Kommission zu machen – und damit dem Zugriff der Finanzmini­ster zu entziehen. Dabei geht es ums Geld, vor allem jene 700 Milliarden Euro, die die Mitgliedst­aaten für Krisenfäll­e hinterlegt haben. Eine andere Idee lautet, aus dem ESM eiler, nen Europäisch­en Währungsfo­nds zu machen, um sich aus den Klauen des in Washington angesiedel­ten IWF zu befreien.

Centeno muss also schnell zeigen, dass die Kassenchef­s der Währungsun­ion eine Entmachtun­g nicht hinnehmen werden – und vielleicht kann er dabei auch gleich klarmachen, wie wichtig es wäre, den Job zum Vorsitzend­en dieser Runde aufzuwerte­n und einen europäisch­en Finanzmini­ster zu installier­en, der hauptamtli­ch tätig ist. Auch

Ein Sprachrohr der Sozialdemo­kraten

wenn dadurch der französisc­he Währungsko­mmissar, Pierre Moscovici, abgewertet würde.

Centenos Wahl gilt übrigens auch deswegen als bemerkensw­ert, weil er so etwas wie das Sprachrohr der Sozialdemo­kraten in der EU-Führung sein wird. Alle übrigen TopJobs der Union sind derzeit fest in den Händen von Christdemo­kraten. Herausford­erungen hat der neue Chef der Eurogruppe also genügend vor sich.

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Foto: Stephanie Lecocq, dpa Mário Centeno leitet künftig die Euro gruppe.

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