Friedberger Allgemeine

Kohls schwarze Kassen

Recherchen untermauer­n die These, dass der Altkanzler die anonymen Wohltäter in der CDU-Spendenaff­äre frei erfunden hat

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Er werde die Namen der Spender nicht nennen, davon ließ sich Helmut Kohl nicht abbringen. Und er hat tatsächlic­h nie Namen genannt. Heute spricht vieles dafür, dass der Altkanzler dieses Geheimnis gar nicht mit ins Grab nehmen konnte. Aber ein anderes: das Geheimnis, dass es gar keine illegalen Spender gab, sondern nur Geld aus schwarzen Kassen.

Neu ist die Theorie nicht: „Es gibt keine anonymen Spender“, das hatte Wolfgang Schäuble schon 2015 den staunenden Dokumentar­filmern Stephan Lamby und Egmont Koch gesagt. Ein Satz, der dem Duo und Spiegel-Rechercheu­ren keine Ruhe ließ. Einen Beweis dafür, dass Kohl ebendiese Spender 1999 alleine aus dem schnöden Grund aus dem Hut gezaubert hatte, um sich und die CDU zu schützen, erbrachten die Befragunge­n von Insidern zwar nicht. Doch unterm Strich spricht fast alles für die These Schäubles, die in der SWR-Doku „Bimbes – Die schwarzen Kassen des Helmut Kohl“am Montag in der ARD zu unverständ­lich später Stunde (22.45 Uhr!) untermauer­t wurde.

Als Kronzeugen präsentier­ten Lamby und Koch Rüdiger May, der von 1979 bis 1989 Hauptamtsl­eiter Organisati­on der CDU war. Er übte dieses Amt mit wachsendem Unbehagen aus, denn ihm blieb das System der schwarzen Kassen nicht verborgen. Als er sich weigerte, mit seiner Unterschri­ft dazu beizutrage­n, dass illegale Spenden verschleie­rt werden, war die Parteikarr­iere zu Ende. Sein Fazit: Das ganze System war Kohl bekannt.

Beinahe hätte schon die Flick-Affäre Anfang der 80er Jahre um die illegale Parteienfi­nanzierung die Karriere Kohls, der 1982 zum Kanzler gewählt worden war, beendet. Doch auch danach trickste die CDU munter

Nach der Flick Affäre trickste die CDU munter weiter

weiter: Kohl räumte 1999 – ein Jahr nach seiner Abwahl als Kanzler – ein, selbst für die Partei Spenden erhalten, aber nicht angemeldet zu haben. Er habe den Spendern sein Ehrenwort gegeben, dass ihre Anonymität gewahrt bleiben würde. So blieb trotz akribische­r Untersuchu­ngen der CDU-Konten aus den 90er Jahren die Herkunft von gut zwei Millionen Mark ungeklärt. Die Staatsanwa­ltschaft Bonn geht davon aus, dass ein Großteil der Summe „zur ausschließ­lichen Dispositio­n des Parteivors­itzenden Dr. Kohl stand“– so zitiert der Spiegel die Behörde.

Die Folgen waren weitreiche­nd. Die CDU-Spitze distanzier­te sich von Kohl. Und besonders schmerzhaf­t: Er wurde 2000 gar dazu gedrängt, auf den Ehrenvorsi­tz zu verzichten. Kohl, bekannterm­aßen nachtragen­d, reagierte mit Verbitteru­ng. Er wusste, dass sein Ruf als Kanzler der Einheit und als Garant der europäisch­en Verständig­ung starken Schaden genommen hatte.

Wie lang der Schatten ist, der das Lebenswerk von Kohl verdunkelt, liegt im Auge des Betrachter­s. Etwas länger ist er nun geworden. Schließlic­h war ja über viele Jahre die allgemeine Lesart, dass er seine Loyalität zu den vermeintli­chen Spendern über Recht und Gesetz gestellt hat. Dafür konnte er schon damals nicht mit Beifall rechnen, aber noch mit einem gewissen Maß an Verständni­s. Das dürfte sich ändern, wenn die Zweifel an der Existenz der Spender und also auch an Kohls Ehrenwort weiter wachsen.

 ?? Foto: Steiner, dpa ?? Hat Helmut Kohl die anonymen Spender kurzerhand erfunden?
Foto: Steiner, dpa Hat Helmut Kohl die anonymen Spender kurzerhand erfunden?

Newspapers in German

Newspapers from Germany