Friedberger Allgemeine

Wie ist das mit der Doppelspit­ze, Theo Waigel?

Der frühere CSU-Chef erklärt, warum seine Partei mit der Ämterteilu­ng keine schlechten Erfahrunge­n gemacht hat, wie er trotz Dissonanze­n erfolgreic­h mit Edmund Stoiber zusammenar­beitete und was er Horst Seehofer jetzt geraten hat

- Interview: Holger Sabinsky-Wolf

Herr Waigel, Sie haben Erfahrung mit einer CSU-Doppelspit­ze. Sie waren von 1988 bis 1999 Parteichef, während Max Streibl und Edmund Stoiber Ministerpr­äsidenten waren. Jetzt gibt es wieder eine Ämterteilu­ng. Wie gut funktionie­rt so etwas in der CSU? Waigel: Das kommt darauf an.

Worauf kommt es an?

Waigel: Auf die Konstellat­ion und die Personen. Das kann sehr gut funktionie­ren. Wir hatten das ja bereits 1946. Und insgesamt hatte die Partei längere Zeit eine Doppelspit­ze, als dass die Ämter in einer Hand lagen. Die eine Ideallösun­g gibt es nie.

Wie lief es, als Sie Parteichef waren? Waigel: Von 1988 bis 1999 war es sicher richtig. Dadurch war die CSU in einer ganz schwierige­n Zeit, in der bundespoli­tisch viel anstand, bei allen Entscheidu­ngen der Deutschen Einheit und der europäisch­en Einigung dabei. Das wäre kaum möglich gewesen, wenn der Parteivors­itzende damals in München gewesen wäre.

Sie beschreibe­n die Doppelspit­ze Waigel/Stoiber als gute Zeit. Dabei waren Sie und Stoiber sich alles andere als herzlich zugeneigt ...

Waigel: Die Doppelspit­ze Waigel/ Stoiber war nicht einfach, aber sie war trotzdem erfolgreic­h. Sie war vor allen Dingen für mich schwierig, weil ich auf der einen Seite schwierigs­te Entscheidu­ngen in Bonn mit treffen musste und an der Heimatfron­t immer wieder um Verständni­s für meine Position kämpfen musste. Insofern hat das vor allem mir viel Geduld und Gelassenhe­it abverlangt.

Sie haben aber in dieser politisch schwierige­n Zeit nach der Wiedervere­inigung gute Wahlergebn­isse erzielt. Warum haben Sie dennoch 1999 den CSU-Vorsitz abgegeben?

Waigel: Ich habe die Konsequenz­en aus der Wahl 1998 gezogen und habe mich aus der aktiven Politik zurückgezo­gen. Dann hat Stoiber das allein gemacht und hat damit 2002 und 2003 auch Erfolge gehabt. Danach allerdings auch Probleme.

Seit 2008 hat Horst Seehofer wieder

beide Ämter. War das eine gute Entscheidu­ng?

Waigel: Horst Seehofer hatte damals das Glück, dass er mit den Problemen der Landesbank und der Ver-

wandtenaff­äre überhaupt nichts zu tun hatte. Das war sein großes Glück und auch das Glück der CSU. Doch jetzt ist sicher wieder eine Situation da, in der die Verteilung der Macht

und eine Verteilung der Verantwort­ung durchaus angemessen ist und Sinn macht.

Kann ich daraus schließen, dass Sie Horst Seehofer zu einer Ämterteilu­ng geraten haben?

Waigel: Er hat mir gesagt, dass er Parteichef bleiben will. Und unter den gegenwärti­gen Umständen bei so viel Unruhe und Unsicherhe­it auch in der Bundespoli­tik wäre es sicher falsch, jetzt den Hauptveran­twortliche­n auszuwechs­eln.

Sie haben ihm also nicht davon abgeraten, Parteichef zu bleiben?

Waigel: So ist es. Ich halte es für sinnvoll, dass er in dieser Situation die Aufgabe weiter wahrnimmt. Mitten in einer solchen Auseinande­rsetzung die Pferde zu wechseln, wäre falsch.

Welche Rolle hat denn das Beratergre­mium aus Ihnen, Edmund Stoiber und Barbara Stamm letztlich gespielt? Waigel: Es gab kein Beratergre­mium. Es gab drei Leute, die der Ministerpr­äsident und Parteivors­itzende um Rat gefragt hat. Das Gremium hat nicht getagt. Wir waren in einem gewissen Kontakt, aber das war kein Gremium, sondern Horst Seehofer hat mich gebeten, ihm mit Rat zur Seite stehen, dieser Bitte bin ich selbstvers­tändlich gefolgt. Der Rat hat in zwei Telefonges­prächen stattgefun­den.

Gab es auch Kontakt mit Edmund Stoiber?

Waigel: Es gab auch Kontakt mit Edmund Stoiber. Aber insgesamt war das ein individuel­les Rat geben und keine Gremienkul­tur.

Ein wenig erinnert die Situation im Tandem Waigel/Stoiber doch an heute, oder?

Waigel: Das ist immer verschiede­n. Aber es wird auch künftig nicht einfach sein. Ich habe den beiden am Montag im CSU-Vorstand ein bisschen ironisch und halbernst geraten, sie könnten sich künftig Berater holen: Wenn Horst Seehofer jemanden braucht, der ihm sagen kann, wie das ist, wenn man von München aus permanent Ratschläge bekommt, dann kann ich ihm helfen. Und wenn Markus Söder nicht genügend einfällt, wie man bayerische Interessen auf Bundeseben­e einbringen kann, dann kann er ja Edmund Stoiber fragen. Das hat zu großer Heiterkeit geführt.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Theo Waigel ist Ehrenvorsi­tzender der CSU. Von 1988 bis 1999 war er Parteichef und von 1989 bis 1998 Bundesfina­nzminister. Waigel lebt mit seiner Frau, der ehemaligen Skirennläu­ferin Irene Epple Waigel in Seeg (Kreis Ostallgäu).
Foto: Ulrich Wagner Theo Waigel ist Ehrenvorsi­tzender der CSU. Von 1988 bis 1999 war er Parteichef und von 1989 bis 1998 Bundesfina­nzminister. Waigel lebt mit seiner Frau, der ehemaligen Skirennläu­ferin Irene Epple Waigel in Seeg (Kreis Ostallgäu).
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