„Eine schlechte Nummer“
Die Filmfestspiele sind in harsche Debatte geraten. Chef Dieter Kosslick ist wütend
Berlin Noch gut zwei Monate – dann rollt die 68. Berlinale den roten Teppich für Filmstars und normale Kinofans aus. Doch der große Festivaltanker von Berlinale-Chef Dieter Kosslick ist kurz vor dem neuen Jahrgang in schweres Fahrwasser zwischen Nachfolge-Debatte und Generalkritik geraten. Die Diskussion um die Zukunft der Berlinale hat erst begonnen – doch schon jetzt ist der Ruf des größten Publikumsfestivals der Welt beschädigt.
Rund 80 Regisseure – darunter Fatih Akin, Maren Ade und Volker Schlöndorff – forderten in einer Petition einen kompletten Neustart der Berlinale. Kosslicks Vertrag läuft 2019 aus. Am Montagabend nun trafen sich Berlinale-Kritiker wie die Regisseure Schlöndorff und Christoph Hochhäusler und die für die Besetzung des Berlinale-Chefpostens zuständige Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Der 69-jährige Kosslick selbst war bei der Podiumsdiskussion im Berliner Haus der Kulturen der Welt nicht dabei.
Grütters hielt zu Beginn der Debatte eine Rede, in der sie Kosslicks Leistungen unter dem Applaus des Publikums ausdrücklich würdigte und gleichsam Schadensbegrenzung betrieb. Und dann erklärte sie, wie es mit der Berlinale weitergehen soll: „Falsch ist das Gerücht, gesucht würde eine deutsche Frau“, so Grütters. „Richtig ist: Es gibt keinerlei Vorfestlegung auf eine weibliche oder deutsche Nachfolge.“Ebenso falsch sei das Gerücht, „wonach der Name Dieter Kosslick für eine Schlüsselposition nach 2019 bereits gesetzt sei. Dem Berlinale-Aufsichtsrat werde sie vorschlagen, Experten aus der Filmbranche zur Findung des neuen Chefs beratend hinzuzuziehen, erklärte die Kulturstaatsministerin.
Sie sollen den Aufsichtsratsmitgliedern Vorschläge für eine künftige Struktur und die damit verbundenen Personal- entscheidungen unterbreiten. Eine Entscheidung über die Nachfolge werde dann 2019 getroffen. Christoph Hochhäusler als Mitunterzeichner der Petition geriet bei seiner Argumentation für eine Neuerfindung des Festivals immer wieder in die Defensive und wurde teils sogar mit Buhrufen und Pfiffen aus dem Publikum bedacht. „Eine Profillosigkeit kann ich als BerlinaleBesucherin nicht erkennen“, kommentierte Bettina Reitz, Präsidentin der Filmhochschule München. Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff, ebenfalls Unterzeichner der Erklärung, meinte, Kosslick habe eine Öffnung des Festivals bewirkt, den deutschen Film geholt und es geschafft, dass sich deutsche Filmemacher mit dem Festival identifizierten. „Cannes ist elitär“, meinte Schlöndorff mit Blick auf den Kunstbegriff beim französischen Festival. Die Berlinale hingegen punkte als politisch engagiertes und für das breite Publikum zugängliches Festival.
Kosslick selbst hatte in einer ersten Stellungnahme nach der Veröffentlichung der Petition zunächst sachlich sowie verständnisvoll reagiert und erklärt, er könne den Wunsch der Filmemacher nach einem transparenten Prozess der Neugestaltung der Berlinale verstehen. In Interviews ließ er dann aber seiner Wut und Enttäuschung über das Berlinale-Bashing freien Lauf: „Eine schlechte Nummer. Die Sitten verrohen nicht nur im Internet, fürchte ich“, erklärte er öffentlich. Das Filmgeschäft sei „teilweise schon sehr bösartig“. Man könne sich fragen, welche „herausragende kuratorische Persönlichkeit“unter diesen Umständen in Zukunft Lust hat, das Festival zu leiten. Kosslick mit Blick auf die massive Kritik an dem neuen Intendanten der Berliner Volksbühne, Chris Dercon: „In Berlin hat man die Spezialität, dass erst mal der Direktor fertiggemacht wird.“
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