Zusammen ist man weniger allein
Drei befreundete Paare beschlossen, in der Innenstadt zusammen in ein Mehrfamilienhaus zu ziehen: Sie wollten aus dem Älterwerden zugleich einen Neuanfang machen
Der Wunsch entstand durch dieselbe Lebenssituation: Drei befreundete Paare erlebten vor zehn Jahren, wie es ist, wenn die eigenen Eltern altern. Dass Mutter und Vater nicht mehr aus dem eigenen Haus wollten, welches aber nicht barrierefrei ausgebaut war. Dass die eigenen Eltern plötzlich Pflege benötigten.
Ulli Hellmann, ihr Mann und zwei befreundete Paare beschlossen damals: So wollten sie es einmal nicht haben. Sie wollten ihre eigenen Kinder, die teilweise gar nicht mehr in Augsburg leben, nicht mit ihrem Älterwerden belasten. Nein, sie wollten sich frühzeitig ein neues Lebensumfeld schaffen, in dem sie so lange wie möglich eigenständig leben könnten.
Aus der Idee wurde ein Plan. Aus dem Älterwerden wurde für sie ein Neuanfang. Einige Jahre dauerte es, bis die richtige Immobilie in der Augsburger Innenstadt gefunden war, die gleichzeitig eine unkomplizierte Teilnahme am städtischen Leben ermöglichte und auch ihren Anforderungen entsprach.
Es ging an die Feinplanung. Die beiden Mietshäuser An der Blauen Kappe und im Alten Zeughausgäßchen mussten saniert werden – barrierefrei versteht sich. Das war keine Kleinigkeit. Die denkmalgeschützten Häuser stammen aus dem Jahr 1906. In jeder Wohnung wurde anders geheizt, die Fenster mussten erneuert, das Gebäude grundsaniert werden. Gemeinsam mit Architekt Ulrich Rumstadt wurden die Wohnhäuser modernisiert. Heute ist die Heizung an die Fernwärme angeschlossen, Bäder und Balkone sind barrierefrei ausgebaut und es gibt jetzt auch einen Aufzug. Für die Sanierung der beiden Häuser konnten gleich zwei Preise eingeheimst werden: Neben einem Denkmalpreis der Münchner Hypo-Kulturstiftung gab es auch einen Denkmalpreis der Stadt Augsburg. Doch das neue Wohnumfeld wurde nicht nur von Außenstehenden hochgelobt, die Bewohner tun es auch.
Nach und nach gaben die Ehepaare ihre Häuser auf und zogen in die frisch sanierten Immobilien. „Wir wollten keine WG gründen. Wir wollten schon in unsere eigenen Wohnungen ziehen, jedoch mit unseren Freunden in unmittelbarer Umgebung. Denn wir kennen uns so gut, dass wir gerne etwas gemeinsam unternehmen, uns unterstüt- zen, uns aber auch sagen würden, wenn wir zu schrullig werden würden“, erklärt Ulli Hellmann das Konzept.
Während sich ein Paar bereits im Ruhestand befindet, stehen die beiden anderen Paare noch im Berufsleben. Die Freizeit verbringen sie gerne miteinander. Immer ganz unkompliziert und ohne Zwang: Jeder kann, niemand muss. Oft trifft sich die Wohngemeinschaft in einem Raum, der extra geschaffen wurde. Dort wo sich einmal im Hinterhof eine kleine Fabrik befand, sind ein großer Gemeinschaftsraum und ein Garten samt einladender Terrasse entstanden.
Im Raum, der von allen Bewohnern genutzt wird, findet einmal wöchentlich eine Chorprobe statt. Dort schauen sich die Bewohner auch gemeinsam einmal einen Film an oder ein Fußballspiel. Geburtstage werden hier gefeiert, eine Vernissage fand ebenfalls in dem großen Raum statt.
Sonntags besucht ein Teil der Bewohner die hauseigene Sauna. Bücher werden von Stock zu Stock ausgeliehen, mal trifft man sich hier, dann dort im Haus. Spontan geht es zu einem Theaterstück in die nahe gelegene Brechtbühne oder zu einem Konzert in die Heilig-KreuzKirche. Wer mitkommen will, ist herzlich dazu eingeladen, wer nicht mitgehen will, der stößt anschließend vielleicht auf Wein und Käse zu einem Gespräch am gemeinschaftlichen Tisch auf der Terrasse des Gebäudes dazu. „Dort haben wir schon sehr viele schöne Abende verbracht. Jeder bringt etwas mit.“
Neben den drei Ehepaaren sind weitere Bewohner unterschiedlichen Alters in das Mietshaus gezogen – aus dem Mehrfamilienhaus wurde so ein Mehrgenerationenhaus. Die drei Paare haben ihre Entscheidung nicht bereut. Sie hätten sich in ein „Abenteuer“gestürzt und wurden belohnt. Die Ideengeber, die das Projekt angegangen sind und realisiert haben, freuen sich, dass das Konzept und vor allem auch die Gemeinschaft so gut funktioniert. „Wir haben anregende Diskussionen. Streit gibt es dagegen keinen. Wir sind rundherum zufrieden“, betont Ulli Hellmann.
Die Gemeinschaft blickt so auch gerne in die Zukunft und sieht schon die Enkel gemeinsam durch den Gemeinschaftraum toben. Sie wollen zusammen alt werden und füreinander da sein. „Und wenn wir einmal alle gebrechlich sein sollten, dann kann auch eine Pflegerin in das Haus ziehen, die sich dann um uns kümmert.“