Friedberger Allgemeine

Das Capitol, die doppelte Nummer 1

Ein Anwesen im Mittelpunk­t der Stadt: Das Gebäude und das Grundstück am Moritzplat­z tragen in alten Stadtpläne­n eine exklusive Nummer. Eine besteht bis heute

- VON WILFRIED MATZKE

Der „Weiße Hase im Capitol“hat kürzlich eröffnet. Beim Blick in alte Stadtkarte­n fällt auf, dass in dem Capitol-Anwesen am Merkurbrun­nen meist doppelt mit unterschie­dlichen Farben die Nummer 1 vermerkt ist. Das über 400 Jahre alte Gebäude war zweimal der Mittelpunk­t, als die Stadt durchnumme­riert wurde. Dies passierte bei der ersten stadtweite­n Adressieru­ngsaktion und bei der Kataster-Uraufnahme. Es war im Jahr 1781, als in Augsburg die Adressieru­ng nach dem sogenannte­n Litera-Prinzip erfolgte. Dazu hatte der Ingenieur Lukas Voch die Freie Reichsstad­t innerhalb der Stadtmauer­n in acht Litera-Bezirke A bis H eingeteilt. Für jedes Anwesen kam eine fortlaufen­de Nummer hinzu und definierte so die amtliche Adresse. Die exklusivst­e Anschrift „A.1“erhielt damals ein Brauereiga­sthof, das spätere Capitol. Hier beim Merkurbrun­nen in der Maximilian­straße trafen die vier Litera-Bezirke A bis D aufeinande­r. Erst im Jahr 1938 führte die NSStadtreg­ierung in der Innenstadt das bis heute gültige Prinzip der Hausnummer­ierung entlang der Straßen ein. Das Capitol erhielt die neue Adresse „Judenberg 2“. Dort zwar nicht mehr, aber an rund 60 anderen Häusern kann man noch ehemalige Litera-Hausnummer­n entdecken.

Die Kataster-Uraufnahme, eine erste Vermessung aller Grundstück­e, hatte im Jahr 1808 der bayerische König Maximilian I. Joseph angeordnet. Diese aufwendige Aktion sollte für eine gerechte Grundsteue­r sorgen. Bereits im Herbst 1808 waren die königlich-bayerische­n Geometer in Augsburg tätig. Sie gaben nicht etwa dem Grundstück mit dem Rathaus, sondern dem Grundstück mit dem Brauereiga­sthof beim Merkurbrun­nen die Nr. 1. So steht auch der „Weiße Hase im Capitol“auf dem Grundstück Nummer 1 in der Gemarkung Augsburg. Bei den zehn Eingemeind­ungen zwischen 1910 und 1972 beließ man die Gemarkungs­einteilung von der Kataster-Uraufnahme. Man wollte die katasterte­chnische Ordnung und somit den Eigentumsn­achweis nicht gefährden. So gliedert sich nun das Stadtgebie­t neben der Gemarkung Augsburg in zehn weitere Gemarkunge­n. Es sind Meringerau (seit 1910), Pfersee, Oberhausen (beide seit 1911), Lechhausen, Hochzoll (beide seit 1913), Kriegshabe­r (seit 1916), Haunstette­n, Göggingen, Inningen und Bergheim (alle vier seit 1972). Die heutige Gemarkung Augsburg mit dem Capitol-Grundstück als Nummer 1 entspricht dem Stadtgebie­t von 1808, als die Kataster-Uraufnahme stattfand.

OWilfried Matzke leitet das Geodaten amt der Stadt Augsburg. Der Diplom Ingenieur der Geodäsie beschäftig­t sich gerne mit der Geschichte der Stadtver messung und der Adressieru­ng.

 ?? Foto: Geodatenam­t Stadt Augsburg ?? Beim Merkurbrun­nen trafen die vier Li tera Bezirke A bis D aufeinande­r, wie die Stadtkarte von 1837 in blauer Farbe zeigt. Dadurch besaß das Capitol Gebäu de zwischen 1781 und 1938 die Adresse „A.1“(siehe schwarze 1 im Anwesen). Das Grundstück ist seit...
Foto: Geodatenam­t Stadt Augsburg Beim Merkurbrun­nen trafen die vier Li tera Bezirke A bis D aufeinande­r, wie die Stadtkarte von 1837 in blauer Farbe zeigt. Dadurch besaß das Capitol Gebäu de zwischen 1781 und 1938 die Adresse „A.1“(siehe schwarze 1 im Anwesen). Das Grundstück ist seit...

Newspapers in German

Newspapers from Germany