„Mit der Lösung kann man leben“
Die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees, russische Athleten unter neutraler Flagge bei den Spielen in Pyeongchang starten zu lassen, löst bei Sportfunktionären aus der Region gemischte Gefühle aus
Friedberg Sie war mit Spannung erwartet worden, die Entscheidung des Exekutiv-Komitees des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zur „Causa Russland“. Würde ein russisches Team bei Olympia 2018 starten dürfen oder nicht? Seit Dienstagabend ist klar: Den Komplettausschluss, der von Anti-Doping-Kämpfern und auch einigen Sportlern gefordert worden war, wird es nicht geben. Zwar werden das Nationale Olympische Komitee Russlands und auch russische Offizielle von den Spielen ausgeladen, russische Sportler allerdings werden in Pyeongchang in Südkorea starten dürfen – unter neutraler Flagge und wenn sie nachweislich „sauber“sind. Die Sportler müssen also nachweisen, dass sie nicht Teil des russischen Dopingsystems waren. Die Entscheidung, wer dann in Südkorea starten darf, sollen dann nicht die Sportfachverbände, sondern eine neu geschaffene Behörde für Doping-Testverfahren fällen. Für die einen ist es eine fast zu milde Strafe, für andere mehr, als was sie erwartet oder befürchtet hatten.
Was halten Sportfunktionäre und ehemalige Spitzensportler von dem Beschluss der IOC-Exekutive? Ist es eine gerechte Strafe für den – wohl nachgewiesenen – massenhaften Betrug der russischen Sportler, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wohl auch staatlich sanktioniert war?
Heinz Schrall, der Bezirksvorsitzende des schwäbischen Leichtathletikverbandes, hat eine ganz klare Sichtweise: „Wer gedopt ist, gehört raus und gesperrt.“Die Entscheidung des IOC dauerte dem Chef der DJK Friedberg auch zu lange. „Dass in Russland systematisch gedopt wird, das wusste man schon länger. Meines Erachtens hat IOCPräsident Dr. Thomas Bach zu lange gezögert – aber mit der Entscheidung jetzt kann ich einigermaßen leben“, meinte er. Schrall findet es in Ordnung, dass – im Gegensatz zur Leichtathletik-Weltmeisterschaft in diesem Jahr – kein Komplettausschluss über die russischen Sportler verhängt wurde. „Man kann eigentlich jemanden, dem man das Doping nicht nachgewiesen hat, nicht sperren – das macht die ganze Sache auch so schwierig. So gesehen finde ich es in Ordnung, dass nachgewiesen saubere Athleten in Südkorea antreten dürfen, wenn auch ohne Flagge und ohne Hymne. Es heißt nicht umsonst ,In dubio pro reo‘, also im Zweifel für den Angeklagten“, so der Friedberger Sportfunktionär, der im Stadtrat auch als Sportpfleger fungiert.
Heinz Schrall würde sich in Russland Kontrollen wünschen, wie sie in Deutschland beispielsweise beim Leichtathletikverband üblich sind. „Unser Verband führt zusätzlich zur nationalen Dopingbehörde Nada eigene Kontrollen durch“, erklärte er.
Auch Elisabeth Micheler-Jones, Kanu-Olympiasiegerin von Barcelona 1992 und ebenfalls Sportpflegerin im Friedberger Stadtrat, hält die IOC-Entscheidung im Prinzip für richtig – auch wenn die Russen immer wieder gedopt sowie Kontrollen manipuliert und alle Instanzen mitgemacht hätten. „Die sauberen Sportler wären bei einem Komplettausschluss die Leidtragenden gewesen und um die hätte es mir leidgetan“, meinte die Friedbergerin.
Es wären mehr Kontrollen nötig
Die einstige Olympionikin sieht aber Probleme darin, wie die russischen Sportler nun beweisen sollen, dass sie „sauber“sind. „Eine Kontrolle vor den Spielen reicht nicht, da müssten jetzt schon alle drei, vier Wochen unabhängige Kontrolleure im Training auftauchen – aber ob Putin das zulässt, kann ich mir kaum vorstellen“, so Micheler-Jones. Sie würde es begrüßen, wenn es überall solche Kontrollen gäbe wie in Deutschland. „Bei uns Kanuten wird, sobald du in einem Nationalkader bist, monatlich kontrolliert. Zuletzt stand bei meiner Tochter Selina am Samstag in der Früh um 6 Uhr ein Kontrolleur vor der Tür“, erzählt sie. Zudem seien die Kanuten meldepflichtig: Wer beispielsweise in Urlaub fahre, müsse sich bei der nationalen Dopingagentur abmelden. Wer dreimal von den Kontrolleuren nicht angetroffen werde, werde gesperrt, so MichelerJones.
Dass die Entscheidung des IOC richtig war, findet Johannes Kraus, der Vorsitzende des Skiclubs Mering. „Ich finde, dass es wenigstens Olympia noch hauptsächlich um den Sport gehen soll – und nicht nur wie sonst im Spitzensport nur ums Geld“, meinte der Meringer. Es sei ein klares Zeichen und gut für die Sportler. „Sie sollen im Mittelpunkt stehen – vorausgesetzt sie sind sauber, das ist natürlich immer die Grundvoraussetzung“, so Kraus. Der findet es zudem richtig, dass den Sportlern die Teilnahme ermöglicht wird und dass dafür die Funktionäre zu Hause bleiben müssen. „Das finde ich gut, denn ich kenne ja durch meine Arbeit viele Spitzensportler und weiß, dass die die Entscheidungen von oben schlucken müssen und wenig zu sagen haben“, meinte der Physiotherapeut vom Therapie- und Trainingszentrum Friedberg.
Zudem sei im alpinen Skisport Doping eh nicht das große Thema. „Man munkelte vor ein paar Jahren, dass Tina Maze, die eine Saison fast alles gewonnen und deutlich an Muskelmasse zugelegt hat, gedopt gewesen sein könnte – aber Doping ist, glaub ich, in den Ausdauersportarten wie Langlauf oder Biathlon vielleicht das größere Problem“, sagte Kraus.
Eindeutig Stellung bezieht dagegen Brigitte Laske, die BLSVKreisvorsitzende – und sie vertritt die harte Linie. „Ich verstehe die Entscheidung des Exekutiv-Komitees des IOC nicht – ich hätte alle russischen Athleten gesperrt“, meinte Laske. „Für meine Begriffe ist diese Entscheidung nur eine Art Entgegenkommen von Thomas Bach an Putin, die längerfristig nichts bewirken wird. Bach liegt meines Erachtens in dieser Sache völlig daneben“, sagte die Sportfunktionärin. Sie wäre also für den Komplett-Ausschluss gewesen, auch auf die Gefahr hin, dass unschuldige Athleten darunter zu leiden hätten. „Da bin ich vielleicht zu hart, aber die jetzt getroffene Entscheidung hilft doch nicht“, meinte die Aichacherin. Vielleicht, so Lasbei ke, hätten die russischen Funktionäre bei einem kompletten OlympiaStartverbot angefangen „zu überlegen, ob sie so weitermachen wollen.“So jedenfalls käme man im Kampf gegen organisiertes Staatsdoping nicht weiter, ist sich Brigitte Laske sicher. Und auch was die Zukunft im Spitzensport betrifft, sieht Laske eher schwarz: Hoffnung, dass sich da etwas ändert, habe sie nicht, meinte sie.