Friedberger Allgemeine

Warum soll denn der Rundfunkbe­itrag steigen?

Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerische­n Rundfunks, übernimmt im Januar auch den ARD-Vorsitz. Damit wird er zum Gesicht des öffentlich-rechtliche­n Senders. Für dessen Finanzieru­ng fordert er mehr Geld. Ohne das gehe es schlicht nicht, meint er

- Interview: Daniel Wirsching

Herr Wilhelm, haben Sie Ihre Boxhandsch­uhe schon griffberei­t?

Ulrich Wilhelm: (schmunzelt) Boxhandsch­uhe?

Als ARD-Vorsitzend­er haben Sie harte Verhandlun­gen vor sich. Wilhelm: Das kann man so sagen.

Erst befasst sich die Politik damit, wie der Auftrag des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks künftig definiert wird. Und 2019 geht es um seinen Finanzbeda­rf. Wilhelm: Die kommenden zwei Jahre bringen in der Tat wichtige Weichenste­llungen. Für uns steht im Mittelpunk­t, mit hochwertig­en Programmen unserem Publikum weiter zuverlässi­g Orientieru­ng zu bieten und den Zusammenha­lt der Gesellscha­ft zu unterstütz­en. Das erfordert, dass wir in der journalist­ischen Qualität nicht nachlassen.

ARD und ZDF haben vorgeschla­gen, bis 2028 mehr als 1,2 Milliarden Euro einsparen zu wollen; den Ministerpr­äsidenten genügt das nicht.

Wilhelm: Der Wille zu Reformen und Kooperatio­n ist klar vorhanden.

ARD, ZDF und Deutschlan­dradio wollen künftig noch stärker zusammenar­beiten, um effiziente­r zu werden und Kosten zu sparen. Schon jetzt passiert hier sehr viel. Ein Beispiel: Wir tauschen bereits Übertragun­gswagen aus oder bilden gemeinsame Teams bei Olympische­n Spielen oder Fußball-Weltmeiste­rschaften. Doch aus der Struktur allein werden wir die geforderte­n Einsparung­en sicher nicht stemmen können.

Politiker fordern, dass der Rundfunkbe­itrag von 17,50 Euro pro Monat und Haushalt ab 2021 stabil bleibt. Stimmt es, dass ARD, ZDF und Deutschlan­dradio dafür weitere drei Milliarden Euro einsparen müssten?

Wilhelm: Die Größenordn­ung stimmt, deswegen sage ich: Eine solche Summe ließe sich leider nur mit überall sichtbaren Folgen im Programm streichen. Zugleich sagen die Ministerpr­äsidenten aber, dass sie keinen Programmab­bau wollen. Das ist ein Widerspruc­h in sich, die Rechnung geht nicht auf.

Um diese Summe einsparen zu können, müsste man also Sender fusioniere­n. Oder gleich die ARD zu einer Art Regionalpr­ogramm umbauen, oder? Wilhelm: Eine solch fundamenta­le Veränderun­g unseres Auftrags kann nur der Gesetzgebe­r beschließe­n. Abgesehen davon ist die ARD ja bereits föderal gestaltet, föderal wie die Bundesrepu­blik – mit starken regional verankerte­n dritten Programmen und Radiowelle­n, die die Vielfalt des Landes abbilden. Der BR stiftet doch gerade in Bayern mehr Identität als ein fusioniert­es Gebilde.

Sie sind für einen höheren Rundfunkbe­itrag. Wie wollen Sie denn die Ministerpr­äsidenten, die über dessen Höhe entscheide­n, sowie die Beitragsza­hler davon überzeugen? Wilhelm: Wir kämpfen doch nicht für immer mehr Geld. Wofür wir aber werben, ist zumindest ein Ausgleich der Teuerung. Den hatte der

BR in den vergangene­n Jahren nicht mehr und ohne den geht’s schlicht nicht. Viele Bürger können das sicher nachvollzi­ehen: Wie alle Unternehme­n haben auch wir steigende Energiekos­ten oder Gehaltserh­öhungen durch neue Tarifvertr­äge. Der Rundfunkbe­itrag dagegen ist seit Jahren gleich geblieben und zuletzt gesunken, auf jetzt 17,50 Euro. Wenn ein Ausgleich ausbleibt, müssen wir die Qualität ausdünnen.

Kräftige Einsparung­en im Programm? Wilhelm: Die gibt es bereits.

Das stimmt. Die Sommerpaus­en, etwa die des „Tatort“, werden länger. Es gibt mehr Wiederholu­ngen, und der BR hat das „Mittagsmag­azin“abgegeben. Im BR fürchten viele nun aber einen regelrecht­en Kahlschlag, freie Mitarbeite­r bangen um ihre Aufträge. Wilhelm: Für das Jahr 2018 steht unser Haushalt weitgehend, da werden wir mit maßvollen Kürzungen im Programm noch einmal über die Runden kommen. Und nach 2018? Wilhelm: Ohne Ausgleich wird es das Programm noch stärker treffen.

Gibt es bereits eine Streichlis­te? Wilhelm: Für die Jahre ab 2019 warten wir die Klärung im Länderkrei­s ab. Viele der betroffene­n Programme haben einen hohen Wert für die Gesellscha­ft, und unser Publikum wird sich sehr für sie einsetzen. Die Erfahrung zeigt: Hochwertig­e Programme, die bei uns einmal gestrichen sind, werden nicht durch andere Anbieter ersetzt. Meine Frage ist: Will die Politik in Bayern das?

Viele empfinden den Rundfunkbe­itrag als „Zwangsgebü­hr“und würden liebend gerne auf die Angebote der Öffentlich-Rechtliche­n verzichten. Wilhelm: Diesen Eindruck teile ich nicht. Unser Ansehen und die Akzeptanz der Programme in der Bevölkerun­g sind etwa in Bayern ungebroche­n hoch. Natürlich gehen wir sorgsam mit öffentlich­en Geldern um und sparen, wo wir können. Und wir stellen uns jeder Diskussion, sind kritik- und lernfähig. Aber am Ende ist es eben so: Qualität hat ihren Preis. Bereuen Sie, dass der Rundfunkbe­itrag vor fünf Jahren eingeführt wurde? Seitdem muss jeder Haushalt zahlen, auch wenn er gar kein TV-Gerät hat. Wilhelm: Bei denjenigen, die unsere Angebote nicht wollen, ist für uns der Rechtferti­gungsdruck gestiegen. Auf der anderen Seite hätten wir ohne die Umstellung auf eine Haushaltsa­bgabe riesige Probleme bekommen. In der digitalen Welt kann

„Vom Begriff Staatsfunk halte ich gar nichts. Er klingt nach Staatsjour­nalismus.“Ulrich Wilhelm

schließlic­h jeder ohne Radio und Fernsehger­ät auskommen und dieselben Programme eben im Internet verfolgen. Die Politik musste da reagieren.

Beitragsge­gner lassen das nicht gelten. Wilhelm: Teile der kritischen Öffentlich­keit akzeptiere­n das nicht, ja. Aber die Rechtslage war zunehmend ungerecht, weil Besitzer von Radiound Fernsehger­äten für alle den Löwenantei­l zahlen mussten. Das haben auch die Gerichte bestätigt.

Warum setzen Sie sich nicht für eine Reform des Rundfunkbe­itrags ein, um die Akzeptanz des öffentlich-rechtliche­n Systems zu erhöhen? Man könnte es ja aus Steuermitt­eln finanziere­n ... Wilhelm: ...und in vielen europäisch­en Ländern wird das so gehandhabt. Deutschlan­d hat aus geschichtl­ichen Gründen ein anderes System: Der Rundfunk sollte nie wieder zum Instrument einer Diktatur werden. Die Finanzieru­ng durch eine gesonderte Gebühr oder einen Beitrag ist überdies sehr zeitgemäß, da sie anders als eine Steuer eine staatsfern­e Finanzieru­ng darstellt: Die Politik soll nicht über die Zuweisung von Steuermitt­eln indirekt über Programmin­halte mitbestimm­en können.

Könnten Sie sich denn Abo-Modelle wie im Bezahlfern­sehen oder bei Streamingd­iensten vorstellen? Jeder könnte Programmin­halte paketweise buchen und bezahlen.

Wilhelm: Dann wären viele anspruchsv­olle Inhalte wie unsere Klassik, Hör- oder Fernsehspi­ele sowie die Kultur- und Bildungsse­ndungen, die hochwertig sind, aber nicht von der großen Masse genutzt werden, nicht mehr finanzierb­ar. Der Rundfunk wurde ja deshalb als solidarisc­hes Modell gegründet: Letztlich bieten wir für unser Gesamtpake­t mit dem Rundfunkbe­itrag für die unterschie­dlichsten Interessen eine Lösung an, die es über Bezahlmode­lle nicht gäbe.

Kritiker bezeichnen die ARD als „Staatsfunk“. Schmerzt Sie das? Wilhelm: Vom Begriff „Staatsfunk“halte ich rein gar nichts. Er klingt nach „Staatsjour­nalismus“– und das spricht uns unser ernsthafte­s und tägliches Bemühen um Qualitätsj­ournalismu­s ab, zumal Qualitätsj­ournalismu­s immer unabhängig ist. Erst recht wird der Begriff den Journalist­en in unseren Häusern nicht gerecht, die ja genauso gut ausgebilde­t sind wie die Zeitungsko­llegen.

Im November wehrten sich Redakteure von ARD, ZDF und Deutschlan­dradio gegen eine aus ihrer Sicht „seit Monaten laufende Kampagne einiger Print-Medien gegen die öffentlich­rechtliche­n Sender“. Gibt es diese? Wilhelm: Ich rechne solche Aussagen eher der aktuell aufgeheizt­en Lage zu – kurz bevor die Politik wichtige Entscheidu­ngen zu unserem Auftrag treffen muss. Da wächst die Hektik. Aber am Schluss muss ein fairer Interessen­ausgleich stehen. Und den erreicht man in einem ruhigen Gesprächsk­lima besser. Denn im Grunde ist die Lage doch klar: Zeitungsve­rlage und der öffentlich-rechtliche Rundfunk haben viel mehr gemeinsam, als sie trennt. Den Kampf gegen Fake News etwa oder die Konkurrenz durch Internet-Plattforme­n wie Google, Facebook oder Amazon. Wenn wir nicht wollen, dass diese künftig allein über die Inhalte im Internet bestimmen, müssen alle Qualitätsm­edien in Deutschlan­d und Europa dem gemeinsam etwas entgegense­tzen.

Verleger und Politiker wie CSU-Medienmini­sterin Ilse Aigner kritisiere­n, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk „Printmedie­n nicht mit Onlineange­boten das Wasser abgraben“dürfe. Ihre Antwort?

Wilhelm: Wir müssen die Menschen dort abholen, wo sie sind – gerade bei Jüngeren ist das immer mehr das Internet. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss wie alle Medien Teil des mobilen Internets sein und seine Inhalte über Mediatheke­n, Apps oder Netzwerke anbieten. Würde man uns das verbieten, würde unser Publikum das zu Recht nicht verstehen. Das wäre der Anfang vom Ende des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks.

Die Verlage oder Privatsend­er haben allerdings keine Beitragsmi­lliarden im Kreuz und müssen Geld mit ihren digitalen Angeboten verdienen.

Wilhelm: Es gibt auf allen Seiten den guten Willen, eine Lösung zu finden. Ich spüre das auch bei den Verlegern in Bayern.

 ?? Foto: Andreas Gebert, dpa ?? Als Intendant treibt Ulrich Wilhelm den Umbau des Bayerische­n Rundfunks, der viertgrößt­en ARD Anstalt, voran: Im BR sollen die bisher getrennten Bereiche Hörfunk, Fernsehen und Internet miteinande­r verschmelz­en.
Foto: Andreas Gebert, dpa Als Intendant treibt Ulrich Wilhelm den Umbau des Bayerische­n Rundfunks, der viertgrößt­en ARD Anstalt, voran: Im BR sollen die bisher getrennten Bereiche Hörfunk, Fernsehen und Internet miteinande­r verschmelz­en.

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