„Die Trompete ist mein Beruf“
Im Alter von sechs Jahren ließ sich Rüdiger Baldauf von einem Instrument begeistern. Heute gehört er zu den vielseitigsten Musikern der Jazz-Abteilung. Bald ist er zu Gast in Friedberg
Herr Baldauf, geliebäugelt haben Sie früh mit der Trompete, nicht aber mit dem Jazz.
Rüdiger Baldauf: Mein Interesse für das Instrument begann im Alter von sechs Jahren, als ich ein Trompetensolo der Max Greger Big Band im Fernsehen gesehen habe. Jazz hat mich damals nicht interessiert. Mit neun Jahren, das war Anfang der 70er, habe ich an einer Musikschule angefangen zu spielen. Zwei Jahre später bin ich ins Jugendorchester, mit 13 ins große Orchester gekommen. Mit 14 Jahren habe ich dort die erste Trompete gespielt.
Wie ging es weiter?
Baldauf: Nach meinem Abitur habe ich die Aufnahme an der Musikhochschule Aachen gemacht und klassische Trompete studiert. Doch war mir damals schon klar: Ich will nicht ins Orchester. Mit meinem Lehrer Bob Platt bin ich zur Karajan-Stiftung nach Berlin, wo ich mein Konzertexamen gemacht habe. Dort hatte ich mit einigen der besten Trompetern zu tun. Trotzdem hat das nie mein Herz erfasst.
Sie waren zunächst freiberuflich tätig. Baldauf: Mit etwa 24 kam ich zum ersten Mal mit Big Bands wie der WDR Big Band in Berührung. Ich tourte unter anderem mit Shirley Bassey, Ray Charles, Udo Jürgens. Mitte der 80er bin ich zum CornetStudio in Köln gestoßen. 1995 habe ich bei Samstag Nacht begonnen, von 2003 bis 2015 war ich bei Stefan Raab. Das war spannend, live zu spielen ist immer eine Herausforderung.
Sie sind begnadeter Trompeter, spielen aber auch Posaune. Wie kam es dazu? Baldauf: Als Posaunist würde ich mich nicht bezeichnen. Es macht unheimlich viel Spaß, zumal es zwischen der Ventilposaune, wie ich sie spiele, und der Trompete viele Parallelen gibt. Allerdings ist sie eher ein schönes Hobby. Die Trompete ist mein Beruf.
Würden Sie sich selbst als Perfektionist bezeichnen?
Baldauf: Nein. Nicht mehr (lacht). Wenn man die Perfektion zum Ziel hat, wird man schnell unglücklich. In der Klassik ist das zum Beispiel so. Anders ist es im Jazz. Man hat mehr Freiheiten. Das war bestimmt mit ein Grund, weshalb ich damit angefangen habe.
Hat sich Ihre Definition von Jazz im Laufe der Jahre verändert?
Baldauf: Jazz soll in erster Linie „open-minded“sein – auch gegenüber Mitspielern. Man muss offen sein, um die musikalischen Unterschiede anzunehmen und um daraus etwas Neues gestalten zu können. Insofern hat sich nichts verändert.
Wie würden Sie Ihren Stil im Allgemeinen beschreiben?
Baldauf: Innovativ ist nicht mein Ansatz. Zeitgemäße Musik produziere ich allerdings schon. Meine letzte CD „Jackson Trip“ist sehr modern, sehr „update“produziert. Ansonsten sind die Stücke Soul und Funk lastig. Man könnte das, was ich momentan mache, auch als NewPop oder Pop-Jazz beschreiben. Welches Ziel verfolgen Sie damit? Baldauf: Ich habe den Anspruch, dass es auch den Leuten gefällt, die nichts oder nicht viel mit Musik zu tun haben. Es soll viele Leute erreichen.
Wie oft üben Sie?
Baldauf: Ich bin zwischen 280 und 290 Tage im Jahr unterwegs, davon unterrichte ich 80 Tage als Lehrer jeweils sechs bis acht Stunden am Tag. Dazu kommen noch etwa 20 Gruppen-Workshops. Ich muss zugeben, dass ich nicht viel übe, dafür aber sehr viel spiele. Auch vor Auftritten probe ich oft nur einen Tag vorher mit den Musikern. Dann sehen wir, was dabei herauskommt (lacht). Mittlerweile habe ich aber herausgefunden, wie ich effizient spielen kann.
Sie performen bereits zum zweiten Mal in Friedberg. Was verschlägt Sie wieder in die Herzogstadt?
Baldauf: Seit vielen Jahren arbeite ich eng mit Peter Oswald zusammen. In Friedberg haben wir schon einmal einen Auftritt in ähnlicher Besetzung gegeben. Insofern haben wir für dieses Konzert schon geübt (lacht).
Was darf das Publikum von Oswalds Brass Cocktail der Funky Edition erwarten? Baldauf: Es wird ein Querschnitt von Stücken aus mehreren CDs, die ich aufgenommen habe. Darunter auch ein paar Michael-Jackson-Sachen wie „You are not alone“aus 2000ern und „Working Day and Night“vom Album „Off the Wall“. Das endgültige Programm muss aber noch gecheckt werden.
Seit Sie 16 Jahre alt sind, unterrichten Sie Musiker. Auch am Konzerttag werden Sie einen Workshop speziell für Friedberger Musiker veranstalten. Ist Ihnen der Nachwuchs wichtig? Baldauf: Ja, sehr. Ich fühle mich wie 30, bin inzwischen aber 56 Jahre alt (lacht). Irgendwann kommt die Zeit, in der man weiß, was man erlebt hat. Ein schönes Ziel für die nächsten 30 Jahre ist es, diese Erfahrung an andere weiterzugeben. Es müssen nicht alle die gleichen ungünstigen Fehler machen wie ich. Anderen können sie vielleicht erspart bleiben.