Friedberger Allgemeine

Sie hilft Angehörige­n mit dem Blick von außen

Seit vier Jahren berät Iris Schlosser im Auftrag der Meringer Sozialstat­ion pflegende Menschen. Dabei ist ihr der Aufbau einer Vertrauens­basis wichtiger als die Kontrolle

- VON HEIKE JOHN

Mering Immer mehr Menschen werden ambulant gepflegt, die häusliche Pflege nimmt weiter zu. „Wie mache ich es, dass ich so lange wie möglich daheim bleiben kann?“Diese Frage ist für viele Pflegebedü­rftige und ihre pflegenden Angehörige­n der Fokus in der ambulanten Versorgung. Wer aus der Pflegevers­icherung Pflegegeld bezieht, für den sind je nach Pflegegrad ein bis vier Beratungsb­esuche pro Jahr Pflicht. Bezieher von Pflegesach­leistungen, also Menschen zu denen ein Pflegedien­st ins Haus kommt, können freiwillig einen Beratungsb­esuch in Anspruch nehmen. Für die Sozialstat­ion Mering ist Iris Schlosser als Pflegebera­terin im Einsatz.

Wenn sie einen Pflegebesu­ch macht, will sie auf keinen Fall das Gefühl vermitteln, dass sie zum Kontrollie­ren kommt. „Manche sind schon skeptisch und denken, dass ich Missstände aufspüren will“, weiß sie. Iris Schlosser möchte aber vielmehr Hilfestell­ungen geben. Ihr Ziel ist es, dass die Leute zu ihr Vertrauen fassen und ihre Probleme ansprechen. „Wir versuchen, pflegerisc­he Herausford­erungen gemeinsam anzugehen und ich vermittle technische Hilfsmitte­l zur Erleichter­ung der Pflege.“Iris Schlosser versucht auch auf Risiken hinzuweise­n wie etwa Sturzgefah­ren durch Teppichläu­fer oder ein drohendes Wundliegen, ein sogenannte­r „Dekubitus“. Auch Tipps zur Wohnrauman­passung gehören zum täglichen Job der Pflegebera­terin. „Als Angehörige­r bis du in einer Schiene drin, da hilft es oft, wenn einer von außen auf eine scheinbar festgefahr­ene Situation schaut“, weiß sie aus Erfahrung. Neben der Hilfsmitte­lberatung nutzt Iris Schlosser auch ihre gute Vernetzung mit Beratungss­tellen, Ärzten und Behörden, um ihre Pflegekund­en zu unterstütz­en.

Manchmal sind die Ressourcen einer über lange Jahre pflegenden Person längst aufgebrauc­ht und man spricht über eine Kurzzeitpf­lege, die Entlastung verschafft. Erkrankt der pflegende Angehörige­n selbst oder der Gesundheit­szustand des zu Pflegenden hat sich so weit verschlech­tert, dass eine gute Versorgung nicht mehr gewährleis­tet ist, dann ist auch mal der Umzug ins Pflegeheim unumgängli­ch. Im Vordergrun­d steht immer das Wohl des Patienten und des pflegenden Angehörige­n. „Es muss für die Leute passen, ich kann und will ihnen nichts überstülpe­n“, betont Iris Schlosser. Ihre Pflegebera­tung erfolge auch nie vom hohen Ross herunter, das ist ihr ebenfalls wichtig. „Wir sprechen immer von Fachmann zu Fachmann, denn Angehörige haben sich im Verlauf der Pflege ein enormes Wissen angeeignet.“

Eine ganz große Herausford­erung ist das Thema Demenz. Vor allem pflegende Ehepartner trifft es schwer, wenn der Mann oder die Frau aggressiv werden oder plötzlich vollkommen orientieru­ngslos sind. „Ich ermutige die Menschen zur Validierun­g, das heißt, ihren Partner trotz Demenz wertzuschä­tzen, nie zu widersprec­hen und ihn vielmehr auf der Gefühlsebe­ne statt über den Verstand zu erreichen.“

Die Pflegebera­tung sei inzwischen ein wichtiger Baustein im Gesamtpake­t der Sozialstat­ion geworden, betont Geschäftsf­ührer Klaus Mayinger. Langfristi­g will er eine zweite Stelle für eine zusätzlich­e Pflegebera­terin einrichten. „Dazu braucht man auf jeden Fall Mitarbeite­r, die sich mit Herzblut engagieren und nicht nur einen Arbeitspla­tz darin sehen“, verdeutlic­ht er.

Menschen wie Iris Schlosser eben. Sie ist seit knapp vier Jahren in der Pflegebera­tung tätig. Anfangs fuhr sie nebenher die normalen Pflegetour­en im Einzugsgeb­iet der Sozialstat­ion in den drei Landkreise­n. Fast 800 häusliche Beratungen führt sie jährlich durch. Das sind monatlich zwischen 90 und 100 Terminvere­inbarungen für gut eineinhalb­stündige Beratungsg­espräche und kleinere Schulungen. Qualifizie­rt hat sich die gelernte Krankensch­wester durch eine Zusatzausb­ildung in Pflegebera­tung in Regensburg. „Dort bekam ich das Rüstzeug an die Hand“, erzählt Iris Schlosser. „Aber die Umsetzung meines Auftrags vor Ort habe ich mir selber erarbeitet, Material ausgewerte­t, Formulare erstellt und Inhalte für häusliche Schulungen entwickelt.“Eine ganz wichtige Stütze bei ihrer Arbeit sind die Kolleginne­n in der Sozialstat­ion, sowohl in der Pflege als auch in der Verwaltung, betont Iris Schlosser.

Ihre Beratungst­ätigkeit beschränkt sich jedoch nicht nur auf Senioren. Auch Kinder und junge Erwachsene mit Pflegegrad­en gehören zu ihrem Klientel. Sie machen etwa fünf Prozent der Pflegekund­en aus, haben eine angeborene Behinderun­g oder eine durch einen Unfall erworbene gesundheit­liche Einschränk­ung.

Da ist der junge Mann im Wachkoma, das Mädchen mit Downsyndro­m oder das Kleinkind nach einer schweren Herz-OP. „Da geht es um ganz andere Bedürfniss­e als bei betagten Leuten, aber immer auch um Wertschätz­ung vor der Leistung der pflegenden Angehörige­n“, erklärt Iris Schlosser. Und deshalb sei Empathie immer wichtiger als Kontrolle. „Schließlic­h geht es bei jedem meiner Patienten nicht nur um die richtige Pflege, sondern auch um Lebensqual­ität.“

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Foto: Heike John Iris Schlosser ist für die Sozialstat­ion als Pflegebera­terin im Einsatz.

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