Friedberger Allgemeine

Zentralisi­erung ist nicht die Zukunft Europas

Die SPD ist Feuer und Flamme für die Pläne Macrons. „Vereinigte Staaten“bis zum Jahre 2025? Warum die EU erst mal ihre Probleme lösen sollte

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Die Debatte um die Zukunft der Europäisch­en Union und die Reform der Währungsun­ion nimmt Fahrt auf. Frankreich­s Präsident Macron, die neue Lichtgesta­lt Europas, dringt auf eine „Neugründun­g“der zerstritte­nen EU. Kommission­spräsident Juncker präsentier­t ein Maßnahmenp­aket, das Brüssel einen Machtzuwac­hs und zusätzlich­e, mit vielen (gepumpten) Milliarden gefüllte Geldtöpfe bescheren würde. Beide Konzepte laufen auf mehr Zentralisi­erung, mehr Umverteilu­ng, noch mehr Schulden hinaus. Beide sind ganz im Sinne der südeuropäi­schen Mitgliedst­aaten, die des (angebliche­n) deutschen „Spardiktat­s“überdrüssi­g sind und eine Chance wittern, dem ökonomisch starken Deutschlan­d „mehr Solidaritä­t“(sprich: mehr Geld) abzuverlan­gen, das stabilität­sorientier­te Regelwerk zu schrotten und den mit den Euro-Rettungspa­keten begonnenen Abmarsch in eine Haftungsun­ion zu beschleuni­gen.

Mit Macrons und Junckers Vorschläge­n ist das Feld bereitet für eine grundsätzl­iche Auseinande­rsetzung über die Zukunft Europas, in deren Verlauf zwei Philosophi­en aufeinande­rprallen. Hier die französisc­h-italienisc­he, die „Solidaritä­t“über die Eigenveran­twortung jeder Nation stellt und die Nivellieru­ng der Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tiken anstrebt. Dort die „deutsche“, die auf die Budgethohe­it der gewählten nationalen Parlamente pocht und Leistungen der Gemeinscha­ft an Spar- und Reformanst­rengungen knüpft. In allen Streitfrag­en, vom Euro-Finanzmini­ster bis zu Macrons Idee einer europäisch­en Arbeitslos­enversiche­rung, spiegelt sich dieser Konflikt wider. Die „Neugründun­g“Europas, das seinen Rang in der Welt nur mit vereinten Kräften behaupten kann, bleibt ein frommer Wunsch, solange dieser Grundkonfl­ikt nicht entschiede­n ist.

Deutschlan­d wird, sobald eine neue Regierung steht, Farbe bekennen und darlegen müssen, wie weit es sich auf die Pläne Macrons einlässt. Für Merkel und die CDU/ CSU käme eine EU nach dem Bilde Macrons einem Bruch mit ihren bisherigen Prinzipien gleich. Für die SPD und Schulz sind Macrons Pläne eine Blaupause für ein besseres, viel enger zusammenrü­ckendes Europa. Die SPD will Macron sehr weit entgegenko­mmen. Merkel kann und will das nicht, zumal dies einem Konjunktur­programm für die rechtsnati­onale AfD gleichkäme. Die Europapoli­tik ist die schwarzrot­e Sollbruchs­telle Nummer eins.

Schulz und die SPD sind Feuer und Flamme für eine erneuerte, die Herzen der Menschen wieder erreichend­e EU. Der leidenscha­ftliche Einsatz für das historisch­e Projekt Europa ist aller Ehren wert. Die Frage ist nur, ob den Völkern Europas – und den Deutschen – tatsächlic­h der Sinn nach einem zentralisi­erten Europa steht. Richtig ist: Die EU muss stärker und handlungsf­ähiger werden. Die Liste der Aufgaben, die nur gemeinsam zu schaffen sind, ist lang. Sie reicht von einer gemeinsame­n Außen-, Sicherheit­sund Einwanderu­ngspolitik bis hin zum Kampf gegen Steuerdump­ing und einer digitalen Offensive. Doch ein gleichmach­erisches, von fernen Brüsseler Mammutbehö­rden gelenktes Europa, das den Wettbewerb zwischen den Staaten verhindert und die Kompetenze­n des Nationalst­aats über Gebühr aushöhlt, geriete zum Irrweg. Und mit Luftschlös­sern wie jenen „Vereinigte­n Staaten von Europa“, die Schulz bereits für 2025 (!) anstrebt, ist niemandem gedient – außer jenen populistis­chen Kräften, denen die Einheit Europas zuwider ist. Jetzt geht es darum, Probleme gemeinsam zu lösen. Wenn dies gelingt, finden sich womöglich eines fernen Tages auch Mehrheiten für die „Vereinigte­n Staaten“– sofern sie wirklich föderal organisier­t und kein Bundesstaa­t wären.

Noch mehr Schulden, noch mehr Umverteilu­ng?

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