Friedberger Allgemeine

Staatsmänn­ischer Ausstand

Sebastian Kurz hat beim OSZE-Treffen in Wien seinen letzten großen Auftritt als Außenminis­ter. In Zukunft wird er Österreich als Kanzler regieren

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Kompliment­e ist Sebastian Kurz gewöhnt. Doch nicht alle Tage wird der Chef der konservati­ven ÖVP derart über den grünen Klee gelobt, wie bei der OSZE-Konferenz in Wien. Anlässlich seines wohl letzten großen Auftritts als Außenminis­ter feierte ihn sein US-amerikanis­cher Amtskolleg­e Rex Tillerson geradezu. Er titulierte den Österreich­er schon einmal als „Prime Minister“. Österreich habe während seiner jetzt endenden einjährige­n OSZE-Präsidents­chaft einen „starken Führungsst­il“bewiesen, urteilte Tillerson. Er freue sich „auf eine Zusammenar­beit mit der künftigen Regierung“.

Kurz reagierte staatsmänn­isch zurückhalt­end auf die Eloge. Zur Frage einer Verlegung der amerikanis­chen Botschaft in Israel nach Jerusalem mahnte er: „Wir sollten alles tun, um weitere Spannungen zu vermeiden.“Dem schloss sich der Vertreter von Außenminis­ter Sigmar Gabriel, Gernot Erler, an und sagte: „Wir brauchen keine neuen Konflikte. Die Endstatus-Verhandlun­gen müssen über den künftigen Status von Jerusalem entscheide­n.“Der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow gab am Freitag seinen Eindruck aus einem Gespräch mit Tillerson wieder: „Er hat angedeutet, dass die USA einen Deal haben wollen, der das Problem löst.“Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem könnte demnach als Verhandlun­gsmasse im Palästinen­ser-Konflikt genutzt werden.

Rund vierzig Außenminis­ter aus den 57 OSZE Mitgliedst­aaten waren nach Wien gekommen, um unter anderem nach einer Einigung im Ukraine-Konflikt zu suchen. Doch die Meinungen darüber, wie die Dauerkrise gelöst werden kann, gehen weit auseinande­r. Der Russe Lawrow wiederholt­e seine Kritik an der Nato-Osterweite­rung und warf der Ukraine die Verletzung von Menschen- und Minderheit­enrechten vor. Schuld an der fehlenden Umsetzung der Vereinbaru­ngen von Minsk sei Kiew, sagte Lawrow, der in dieser Sichtweise auch von Ungarn unterstütz­t wurde.

Nach einem Treffen mit Tillerson kritisiert­e Lawrow vor russischen Journalist­en dem Vernehmen nach „die bewusste Zerstörung“der russisch-amerikanis­chen Beziehunge­n. Tillerson hatte zuvor darauf bestanden, die mit der EU vereinbart­en Sanktionen aufrechtzu­erhalten. „Wir müssen das Recht eines jeden Staates respektier­en, seine eigene Zukunft zu wählen“, betonte er. „Wir werden niemals die Besetzung und versuchte Annektieru­ng der Krim akzeptiere­n.“

Für die künftige österreich­ische Regierung birgt der Ukraine-Konflikt jede Menge Probleme: Die Freiheitli­che Partei (FPÖ) unter Heinz-Christian Strache tritt für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland ein. Die von Sebastian Kurz geführte ÖVP dagegen steht

Der Ukraine Konflikt könnte die Koalition belasten

hinter der Ukraine. Kurz hat in seiner Rolle als OSZE-Präsident die Terrorismu­sbekämpfun­g in den Vordergrun­d gestellt. Die OSZE soll in diesem Bereich eine starke Koordinier­ungsrolle einnehmen, um verschiede­ne Anti-Terror-Aktionen internatio­naler Organisati­onen aufeinande­r abzustimme­n.

Österreich ist bereit, dafür auch finanziell­e Mittel zur Verfügung zu stellen. Sein Ziel sei es gewesen, Vertrauen innerhalb der OSZE aufzubauen, sagte Kurz. Gegen seine künftige Koalition sei ihm keinerlei Skepsis signalisie­rt worden. „Aber jeder wollte wissen, wann wir fertig werden und ob wir schneller sind als Deutschlan­d“, sagte der Noch-Außenminis­ter zu den laufenden Koalitions­verhandlun­gen.

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Foto: Imago Kritischer Blick auf den US Amtskollge­n Rex Tillerson: Sebastian Kurz fürchtet stei gende Spannungen in Nahost.

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