Alter Giebel für neuen Vorzeige-Bau
Bilanz Im Prinz-Karl-Viertel wird eines der letzten Baudenkmäler saniert und mit Wohnungen neu belebt. Die Umwandlung des Militärareals dauerte sehr lange. Für Bauherren ist sie immer noch aufwendig
Ein Autokran war nötig, um das schwere Bauteil nach oben aufs Dach zu heben. Seit Mittwoch ist der historische Giebel auf dem früheren Kasernenbau an der Von-derTann-Straße wieder weithin zu sehen. Er zieht den Blick aufs Baudenkmal und ins heutige PrinzKarl-Viertel hinein. Der Giebel ist auch ein Symbol. Denn die Sanierung des alten Militärbaus und späteren Kreiswehrersatzamtes ist der vorläufige Schlusspunkt eines besonderen Städtebauprojektes in Augsburg. Ein Projekt, das für Bauherrn alles andere als einfach ist – immer noch.
Architekt Dieter Rehberger war von Anfang an dabei. Er kann sich noch erinnern, wie er als Kind an den Bauruinen der Infanteriekaserne aus königlich bayerischen Zeiten vorbeilief. In den 1990er Jahren begann die Stadt, das aufgegebene Militärareal in ein neues Stadtquartier umzuwandeln. Rehberger war der erste Bauherr, der sich an die große Aufgabe herantraute. Er kaufte und sanierte das dominante, aber völlig
Kaum einer traute sich damals an den Kauf heran
marode Baudenkmal an der Schertlinstraße, das heutige Prinz-KarlPalais. „Das war schon eine Herausforderung“, sagt er. Außer ihm habe es damals kaum einen anderen Bewerber gegeben. In diesen Jahren herrschte Rezession in der Baubranche, auch in Augsburg gingen Bauträger Pleite. Rehbergers Sanierung aber war der Startschuss für viele weitere Bauvorhaben.
Die Stadt ging damals neue Wege, innovative städtebauliche Lösungen für die künftige Nutzung des Areals zu finden. Ein Teil der Kasernenfläche wurde 1996 in das Programm „Siedlungsmodelle Bayern“aufgenommen. Es gab zahlreiche Wettbewerbe, die für Qualität sorgen sollten. Das große Ziel war, vorhandene Ressourcen intelligent und ökologisch sinnvoll zu nutzen. Das PrinzKarl-Viertel wurde damals sogar im Rahmen der Weltausstellung Expo 2000 als bayerisches Vorzeigeprojekt präsentiert.
Der Weg zum neuen Stadtquar- sei lang gewesen, er zog sich über ein Jahrzehnt hin, sagt Rehberger rückblickend. „Heute, wo Bauland knapp ist, würde es viel schneller gehen.“Aus seiner Sicht war es aber kein Nachteil, das Areal Schritt für Schritt über Jahre hinweg umzuwandeln. „So hatten die neuen Bewohner Zeit, ins Viertel hineinzuwachsen.“
Prägend fürs neue Stadtquartier sind nach wie vor die historischen Bauten. Saniert und neu belebt sind inzwischen das Prinz-Karl-Palais, das alte Offiziersheim und das frühere Wohnheim der verheirateten Unteroffiziere. Aktuell hat Rehberger ein viertes Baudenkmal auf dem Gelände in Angriff genommen – den Blankziegelbau des früheren Kreiswehrersatzamtes. Im sanierten Altbau und dem angrenzenden Neubauflügel sollen im kommenden Jahr knapp 70 Mietwohnungen entstehen, dazu Büros, Arztpraxen, und ein Café. Das Projekt läuft unter dem Namen „Bismarckpalais“. Auch bei diesem Vorhaben stehe im Vordergrund, historische Bausubstanz behutsam mit modernem Wohnkomfort zu verbinden, so Rehberger. Er betont, dass die Stadt in diesem Fall viel dazu beigetragen habe, gute Lösungen zu finden. Beim Verkauf des Gebäudes sei nicht der Preis, sondern die Qualität am Bau im Vordergrund gestanden.
Auch Heimatpfleger Hubert Schulz ist überzeugt, dass sich das Prinz-Karl-Viertel gut entwickelt hat. „Es ist ein exemplarisches Beispiel, wie man guten Städtebau betreiben kann, auch wenn nicht alle Bauten architektonisch gleich stark sind“, sagt er.
Wo früher die Barriere der Kaserne war, sei ein neues durchlässiges Stadtquartier zwischen Bismarckviertel und Hochfeld entstanden. Durch den Erhalt der historitier schen Bausubstanz bleibe die Geschichte sichtbar und schaffe Identität. Der zentrale grüne Park und die Haupterschließungsstraßen ohne Durchgangsverkehr seien Qualitäten, die in einem Wohnviertel heute gesucht seien. Läden bieten Anwohnern die nötige Nahversorgung.
Aus Sicht des Heimatpflegers wurden im Prinz-Karl-Viertel StanLäden dards gesetzt, die auch in Zukunft eine Rolle spielen müssen. Und zwar dann, wenn das letzte größere Areal im Quartier entwickelt wird. Gemeint ist die frühere Justizvollzugsanstalt, die in einen weiteren Campus der Hochschule Augsburg umgewandelt werden soll. Auch dort müsse eine qualitätvolle Entwicklung stattfinden.