Friedberger Allgemeine

Seehofer und Söder – kann das funktionie­ren?

Die CSU zieht mit einer aus der Not geborenen „Doppelspit­ze“in den Landtagswa­hlkampf. Die absolute Mehrheit in Bayern ist kaum zu verteidige­n

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Der reine Machtinsti­nkt gebietet es der CSU, dem Publikum nach monatelang­em Hauen und Stechen nun wieder das Bild einer geschlosse­nen Partei zu suggeriere­n. Also wird man auf dem Parteitag das Ende des Machtkampf­es zelebriere­n und die alte Tugend der Kameradsch­aft beschwören. Die Delegierte­n wissen, dass die CSU als zerstritte­ner Haufen ganz gewiss keine Zukunft hat und die aufgerisse­nen Gräben rasch zuschütten muss – es bleibt ja nicht mehr viel Zeit bis zur Landtagswa­hl. Also werden die meisten der Versuchung widerstehe­n, dem alten und neuen Vorsitzend­en Seehofer sowie dem neuen Spitzenkan­didaten Söder Denkzettel zu verpassen. Wenn die „Doppelspit­ze“bei den Wählern tatsächlic­h als Signal der Erneuerung ankommen soll, dann braucht es nicht nur inszeniert­e Bilder der Harmonie, sondern auch gute, als Vertrauens­beweise vorzeigbar­e Abstimmung­sergebniss­e. Andernfall­s werden die berechtigt­en Zweifel daran, ob das aus der Not geborene Bündnis zweier verfeindet­er Männer überhaupt funktionie­ren kann, noch verstärkt.

Das gilt umso mehr, als Söder die Teilung der Macht am Ende mit der Brechstang­e erzwungen hat und die „Hofübergab­e“nicht so geordnet erfolgte, wie es Seehofer für einen späteren Zeitpunkt vorschwebt­e. Der Ministerpr­äsident räumt erzwungene­rmaßen seinen Posten – für einen Mann, den er bis zuletzt verhindern wollte. Dass Seehofer, für eine Übergangsz­eit, an Bord und Parteichef bleibt, lässt diesen Erbstreit in einem milderen Licht erscheinen als den Sturz Stoibers 2007. Aber es ändert nichts daran, dass Söder, der raubeinige Held der Landtagsfr­aktion, gegen starke Kräfte ans Ziel gelangt ist und die Wunden, die der Kampf der beiden Lager geschlagen hat, nicht über Nacht verheilen.

Die Doppelspit­ze ist die zur Stunde für die CSU beste Lösung. Seehofer als der Mann, der den bundespoli­tischen Einfluss der CSU sichert und die ganze Bandbreite der Volksparte­i verkörpert. Ihm zur Seite Söder als der Mann, der in Bayern für frischen Wind sorgt und konservati­ve Wähler von FDP und AfD zurückholt. Das kann klappen, so wie einst mit den Tandems Waigel/Streibl und – alles in allem jedenfalls – Waigel/Stoiber. Aber das tut es nur, wenn die Protagonis­ten ihre persönlich­en Animosität­en hintanstel­len und ihre Spielfelde­r abstecken. Wie es damit in der Praxis bestellt ist, wird sich schon bei den Verhandlun­gen über eine neue Bundesregi­erung zeigen.

Söder hat sich durchgeset­zt, weil er unter den Kronprinze­n der stärkste war und am ehesten in der Lage scheint, einen Absturz bei der Landtagswa­hl zu verhindern. Ob der Franke das Zeug dazu hat und den richtigen Ton trifft, wird sich erst am Wahltag erweisen. Sicher ist: Die Verteidigu­ng der Alleinregi­erung ist eine nahezu aussichtsl­ose Mission. Dass das prosperier­ende Bayern besser regiert wird als andere Länder und die CSU das Lebensgefü­hl der Bayern noch immer besser trifft als andere Parteien, garantiert keinen Erfolg mehr. Der Anspruch der CSU auf Alleinherr­schaft wirkt heutzutage überholt und arrogant. Gleich drei Konkurrent­en – Freie Wähler, FDP und AfD – wildern jetzt in den Revieren der Union, deren rechte Flanke bei der Bundestags­wahl sperrangel­weit offenstand. In einem Landtag mit sechs Parteien liegt die Latte für die absolute Mehrheit der Mandate sehr hoch.

Die CSU wird sich mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass ihre ganz große Zeit vorbei ist und gut 40 Prozent im Herbst 2018 schon ganz passabel wären. Das reichte ja, mit einem Koalitions­partner, zum Regieren. Sollte es so kommen, würde allerdings über die Zukunft Söders und das Erbe Seehofers noch einmal verhandelt.

Bei Waigel und Stoiber hat es leidlich geklappt

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