Kann man die CSU von Brüssel aus führen?
CSU-Vize Manfred Weber über seine eigenen Ambitionen auf den Parteivorsitz, Stilfragen und den Kampf gegen die AfD
Herr Weber, kann man von Brüssel aus eine Partei in Bayern führen? Weber: Diese Frage stellt sich nicht.
Dann stimmt es also nicht, dass Sie selbst CSU-Chef werden wollten? Weber: Ich habe Horst Seehofer unterstützt und werde das weiter tun. Die Partei sehnt sich nach Einigkeit und ich bin froh, dass wir jetzt Ruhe haben.
Sie selbst haben aber doch für Unruhe gesorgt, indem Sie bei einem Geheimtreffen Ihre Ambitionen auf den Parteivorsitz angemeldet haben … Weber: Wir stehen vor einem Parteitag, an dem wir ein Aufbruchsignal setzen wollen. Es hat in den letzten Wochen geruckelt. Wir müssen jetzt zu einem fairen Umgang zurückkehren.
Es wird spekuliert, Sie selbst könnten ein Interesse daran gehabt haben, dass Ihr Angebot, den CSU-Vorsitz zu übernehmen, bekannt wird.
Weber: Das ist grober Unfug. Der Stil war in den vergangenen Wochen ein Problem. Es haben einige mit Durchstechereien dazu beigetragen, dass die CSU Schaden genommen hat. Auf dem Parteitag geht es darum, die Reihen zu schließen. Ich bin dazu bereit. Haben Sie selbst auch Fehler gemacht? Weber: Da möchte ich mit Horst Seehofer antworten: Wir blicken nicht zurück, sondern nach vorne.
Seehofer hat offengelassen, ob er nach Berlin geht. Springen Sie ein, falls er nicht in die Regierung wechselt? Weber: Ich weiß, dass Sie es immer wieder versuchen, aber für mich bleibt es dabei: Wir haben jetzt eine starke Aufstellung. Das Duo Seehofer und Söder ist die richtige Antwort auf die aktuellen Herausforderungen. In Berlin und in Bayern.
Sie werden immer wieder als eine Art Anti-Söder bezeichnet – weniger laut, weniger machthungrig. Mögen Sie dieses Prädikat?
Weber: Mir geht es nicht um Prädikate und mir gefällt es auch nicht. Aber ich glaube, es ist gut, dass die CSU eine Bandbreite von Führungskräften hat, die sehr unterschiedlich sind.
Sie stellen sich als CSU-Vize zur Wiederwahl. Fürchten Sie, dass Ihre Rolle im Kampf um die Macht Sie Stimmen kosten wird?
Weber: Als Kandidat geht man immer mit Demut in einen Parteitag. Die Delegierten entscheiden. Mein Profil ist klar: Ich bin ein Europäer in der CSU und habe mich zugleich immer als Mann der Basis gefühlt.
Die CSU hat Europa ja gerade wieder für sich entdeckt. Allerdings eher als Schreckgespenst. Wie ist Ihre Haltung zu den Visionen von den Vereinigten Staaten von Europa oder einer vertieften Währungsunion?
Weber: Die CSU war immer eine proeuropäische Kraft. Aber es geht nicht um theoretische Visionen, sondern um praktische Fragen. Wir brauchen zum Beispiel kein eigenes Eurozonen-Budget zur Umverteilung von vielen Milliarden, wie es die SPD fordert.
Sie wollen den Deutschen die „Freude an Europa“wiedergeben. Nur wie?
Weber: Wir müssen endlich wieder über die Erfolge reden. Wir haben in der Eurozone das gleiche Wirtschaftswachstum wie die USA. Wir haben eine geringere Arbeitslosenquote als vor der Krise 2009. Selbst Griechenland wird die Hilfe, die wir zugesagt haben, nicht komplett brauchen. Die letzten Jahre waren für Europa ein großer Erfolg.
In der CSU gibt es trotzdem eine spürbare Europa-Skepsis. Warum? Weber: Uns geht es darum, dass wir nicht immer noch mehr Europa wollen. Wir wollen ein besseres Europa. Aber für Bayern muss auch klar sein: Unser gesamter Wohlstand basiert auf diesem Europa. Wer das infrage stellt, wie es die AfD tut, riskiert unseren Wohlstand, unser Sozialsystem und unsere Renten. Schauen Sie doch nach Großbritannien: Da erleben die Menschen gerade, was es heißt, sich von dieser Stabilität zu verabschieden.
Populisten in vielen Ländern punkten mit Anti-Europa-Parolen. Wie antworten Sie darauf? Weber: In Brüssel erlebe ich, was es bedeutet, wenn Rechtsoder Linksradikale neben einem sitzen. Unsere Antwort muss sein, dass wir die Sorgen der Menschen aufgreifen, aber die Populisten auch viel offensiver attackieren. Weber: Ja. Wir brauchen eine harte Auseinandersetzung mit der AfD. Wir müssen den Kampfanzug anziehen und die fatalen Antworten thematisieren, die diese Leute auf die Herausforderungen geben. Das ist zuletzt zu kurz gekommen.
In Berlin hat die AfD jetzt eine große Bühne. Dort spielt die Musik. Ist es ein Nachteil, dass Sie so weit weg sind? Weber: Da bin ich sehr gelassen. Ich führe die größte Fraktion im Europäischen Parlament. Die Richtungsentscheidungen werden zunehmend in Europa getroffen. Denken Sie nur an die Migrationsfrage, die Zukunft des Euro oder der sozialen Marktwirtschaft. Heute fragt mich keiner mehr, warum ich als junger Mann nach Brüssel gegangen bin.
Aber die Leute fragen, ob Brüssel der richtige Platz für einen CSU-Chef ist. Weber: Kann es sein, dass das eine neue, geschickte Methode ist, um Ihre Frage vom Anfang noch einmal zu stellen?
Weber: Gott sei Dank habe ich das rechtzeitig durchschaut. Im Ernst: Meine Antwort bleibt dieselbe.