Friedberger Allgemeine

Jetzt schlägt Vanellopes Herz dort, wo es hingehört

Das Baby litt an einem seltenen Geburtsdef­ekt. Die Ärzte hatten kaum Hoffnung. Doch die Kleine ist stark

- VON KATRIN PRIBYL

London Als Vanellope Hope Wilkins 20 Minuten nach ihrer Geburt noch immer aus vollem Hals schrie und weinte, atmeten ihre Eltern zum ersten Mal seit vielen Monaten erleichter­t auf. Mit Tränen in den Augen bewunderte­n Naomi Findlay und Dean Wilkins ihr neugeboren­es Mädchen, dessen Körper schon zu diesem Zeitpunkt in einen sterilen Plastikbeu­tel gewickelt war.

Das war überlebens­wichtig, um Infektione­n zu verhindern. Das Baby litt unter einem äußerst seltenen Geburtsdef­ekt: Das Herz von Vanellope Hope schlug außerhalb der Brust, auch ein Teil des Magens befand sich nicht im Körper. Nun gab das zuständige Glenfield Hospital im mittelengl­ischen Leicester Entwarnung: Nach drei großen Operatione­n gehe es dem drei Wochen alten Mädchen gut.

Experten zufolge ist Vanellope wohl das erste Baby im Königreich, das diesen seltenen Defekt überlebt hat. Überglückl­ich beugen sich die Eltern über das kleine Bettchen, in dem ihre Tochter in eine rosafarben­e Decke eingehüllt ist. Sie streicheln die winzigen Hände, in der Ecke sitzt ein Teddybär. Noch muss das Kind künstlich beamtet werden, weil die Organe sich erst Platz verschaffe­n müssen – jetzt, da auch das Herz dazugekomm­en ist.

Naomi Findlay war im dritten Monat, als sie die Diagnose hörte: Bei der Fehlbildun­g Ectopia Cordis liegt das Herz nicht wie bei gesunden Menschen im Brustkorb, sondern außerhalb davon. Die Ärzte rieten der 31-jährigen Findlay und ihrem 43-jährigen Lebensgefä­hrten, die Schwangers­chaft abzubreche­n.

„Beim Blick auf das Ultraschal­lbild wussten wir nicht, was wir da anschauten. Es sah aus wie ein kleiner Hamster mit einem Hut auf“, sagt der Vater. Auch wenn die Eltern verzweifel­t waren, sie entschiede­n sich gegen eine Abtreibung. Am 22. November brachte ein Team von 50 Spezialist­en das Mädchen per Kaiserschn­itt zur Welt. Eine Stunde danach wurde es zum ersten Mal operiert. Die Ärzte setzten das Herz in den kleinen Körper zurück. Doch erst bei einer dritten Operation konnten sie die Brust des Babys mit Haut verschließ­en, die sie unter dem Arm entnahmen. Weil Vanellope ohne Rippen und Brustbein geboren wurde, strickten die Chirurgen ein Netz, das die Aufgabe hat, das Herz des Mädchens zu schützen.

„Es ist überwältig­end“, sagt die Mutter. „Ich bin so froh, dass ich die Schwangers­chaft nicht abgebroche­n habe.“Die Eltern nannten ihr Kind nach einer Figur aus dem DisneyFilm „Ralph reichts“. Hartnäckig sei Vanellope darin – am Ende verwandle sie sich in eine Prinzessin.

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Foto: Ben Birchall, dpa Vanellope erholt sich gerade von drei Operatione­n.

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