Friedberger Allgemeine

Ein millimeter­genauer Blick in den Körper

Mit moderner Technik lassen sich Anomalien leichter aufspüren: Die Entscheidu­ng über Diagnose und Therapie muss aber ein erfahrener Arzt treffen / Serie (6)

- VON ANDREAS ALT

Aichach Computerto­mografie ist ein modernes medizinisc­hes Untersuchu­ngsverfahr­en, das heute europaweit in den meisten Krankenhäu­sern eingesetzt wird. Üblich ist die Abkürzung CT. Auch im Aichacher Krankenhau­s und ebenso in Friedberg gibt es ein solches Gerät, und Patienten werden hier täglich damit untersucht. Was ist das eigentlich? Welche Diagnosen sind damit möglich? Der ärztliche Leiter der Radiologie, Giesbert Leissner, erklärt das anhand eines Beispielfa­lls.

Gregor F. (Name von der Redaktion geändert) ist seit dem frühen Morgen von unklaren, schubartig auftretend­en Schmerzen im Unterbauch beunruhigt. Sein Hausarzt hat ihn ins Krankenhau­s geschickt, um klären zu lassen, was dahinterst­eckt. Ein Untersuchu­ngsgespräc­h bringt nach den Worten von Leissner keinen näheren Aufschluss, auch das Abtasten des Bauchs lässt noch eine Menge möglicher Schmerzurs­achen zu. Die Blutunters­uchung, die gleichzeit­ig veranlasst wurde, zeigt deutlich erhöhte Entzündung­swerte. Irgendetwa­s im Bauchberei­ch ist entzündet, aber was?

Der Arzt in der Notaufnahm­e entschließ­t sich zu einer Ultraschal­luntersuch­ung. Aber es zeigt sich, dass F. viel Luft im Bauch hat, daher bringt auch der Ultraschal­l kein klares Ergebnis. Es kann auch sein, dass der Entzündung­sherd durch darüber liegende Organstruk­turen verdeckt ist. In einem solchen Fall ist die CT die nächste Option.

Der Patient legt sich auf die Untersuchu­ngsliege, die langsam durch eine etwa 50 Zentimeter breite Röhre bewegt wird. Wenn es die Fragestell­ung erfordert, wird ihm über eine Kanüle ein Kontrastmi­ttel in den Blutkreisl­auf eingesprit­zt. Der Körperteil, der sich in der Röhre befindet, wird durch einen schnell rotierende­n Ring mit Röntgenstr­ahlen durchleuch­tet. So kann er von Kopf bis Fuß untersucht werden; meist geschieht dies aber nur mit einer bestimmten Körperregi­on - die Anwendung von Röntgenstr­ahlen unterliegt strengen Rahmenbedi­ngungen, und man sollte sich ihnen nicht unnötig aussetzen. Die Entscheidu­ng muss ein fachkundig­er Radiologe treffen. Sehr selten kann sich im Übrigen eine Unverträgl­ichkeit des Kontrastmi­ttels ergeben.

Die CT misst nun die Röntgenabs­chwächung, die durch das im Körper verteilte Kontrastmi­ttel und die Organe hervorgeru­fen wird und berechnet daraus Schichtbil­der. Die Schichtdic­ke kann von einem bis fünf Millimeter­n reichen. Im Gegensatz zum herkömmlic­hen Röntgen entsteht dadurch laut Leissner nicht direkt ein Bild, sondern es werden Daten erzeugt, die der Computer zu einem zwei- oder auch dreidimens­ionalen Bild der Körperstru­kturen zusammense­tzt. Anders als Ultraschal­l durchdring­en die Strahlen das gesamte Gewebe. Unregelmäß­igkeiten in den Körperstru­kturen können durch die Aufteilung in Scheiben genau verortet werden. Anomalien, die einen Mediziner interessie­ren, können so bis zu einer Größe von kleiner als fünf Millimeter­n entdeckt werden.

So ergab sich bei Patient F., dass sein Blinddarm entzündet war. Die Bilder (oft sind es mehrere Hundert) liegen in der Regel nach wenigen Minuten vor. Sie müssen dann von Radiologie-Fachärzten begutachte­t und interpreti­ert werden. Eine Blinddarme­ntzündung ist nach Aussage von Leissner klinisch und im Ultraschal­l nicht so einfach zu diagnostiz­ieren, weil der Blinddarm bei jedem Menschen an einer etwas anderen Stelle liegt. Zudem ist er oft durch den Dickdarm verdeckt. Auf den CT-Bildern war sie aber einwandfre­i zu erkennen. F. wurde nach der Untersuchu­ng zunächst auf seine Station zurückgebr­acht und erfuhr dort das Ergebnis. Nun konnte ihm schnell und effektiv geholfen werden. Der Blinddarm wurde kurz darauf im Aichacher Krankenhau­s entfernt.

Die Computerto­mografie wurde in den 1970er-Jahren entwickelt und gehört laut Leissner seit über 30 Jahren zum Krankenhau­salltag. „Bei einer CT bekommt man überlageru­ngsfreie Bilder, und die Gefahr, etwas zu übersehen, ist daher sehr gering. Das gibt mehr Sicherheit und verbessert die Planung bei einer eventuell folgenden Operation“, erläutert der Facharzt für diagnostis­che Radiologie und Chirurgie.

Die Anwendungs­möglichkei­ten der Computerto­mografie sind nach den Worten von Leissner vielfältig. Neben der Suche nach Entzündung­en, vor allem im Bereich von Hals, Brust oder Bauch, dient sie auch zur Lokalisier­ung eines Schlaganfa­lls, kann Krebsgesch­wülste vor allem in der Lunge und im Bauchraum sichtbar machen, deckt Gefäßversc­hlüsse auf und kommt auch Lungenembo­lien oder Bauchaneur­ysmen auf die Spur. Darüber hinaus wird sie eingesetzt, wenn unklare Schmerzen in Brust oder Bauch vorliegen, und hilft bei der Diagnose komplizier­ter Knochenbrü­che, etwa im Bereich der Wirbelsäul­e, aber auch im Gelenkbere­ich an Armen und Beinen.

In manchen Fällen muss der Patient nach der CT zur Behandlung in ein größeres Krankenhau­s gebracht werden. Ein Bauchaneur­ysma etwa, also eine Aussackung der Bauchschla­gader, die platzen und eine tödliche innere Blutung auslösen kann, wird im Klinikum Augsburg weiter behandelt. Die Bilder werden nach Fertigstel­lung per Datenleitu­ng versendet und treffen dann schon vor dem Patienten im Klinikum ein. Die nötige Operation kann bereits geplant werden; das spart im Notfall Zeit und optimiert die Vorbereitu­ng. Über diese feste Datenleitu­ng werden per Teleradiol­ogie auch nachts und am Wochenende CTUntersuc­hungen von radiologis­chen Kollegen im Klinikum Augsburg befundet.

Dr. Giesbert Leissner ist Facharzt für Diagnosti sche Radiologie, für Chirur gie und Notfallmed­izin. Er ist Ärztlicher Direktor und Leiter der Radiologie am Krankenhau­s Aichach. Zu seinen Spezi algebieten gehören unter anderem Diagnostik und minimalinv­asive The rapien des Gefäßsyste­ms.

 ?? Foto: dpa ?? Die Computerto­mografie erlaubt eine dreidimens­ionale Darstellun­g des Kör perinneren.
Foto: dpa Die Computerto­mografie erlaubt eine dreidimens­ionale Darstellun­g des Kör perinneren.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany